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Die #Antibewerbung – Stellt mich ein!

Kürzlich unterhielt ich mich mit Sarah Wies, die Maike Büttners Blog „Mutterseelenalleinerziehend“ übernommen hat. Wir sprachen über Dinge, die frau in Bewerbungen besser weglässt (Kinder!) und kamen irgendwann kichernd an den Punkt, eine gnadenlos ehrliche Bewerbung zu verfassen. So eine Art Human Resources Schocker. Die #Antibewerbung!

Und weil wir das so lustig fanden, laden wir euch ein, es uns gleichzutun. Gleichwohl auch als Zeichen des Protests, denn uns beide nervt die schablonenhafte Selbstdarstellerei, die in Bewerbungsmappen gefordert wird. Das ganze soll also eine Art satirische Blogparade mit ernsthaftem Hintergrund sein.

Bewerbungsanschreiben

Sehr geehrte Personaler,

falls Sie Alleinerziehende gleich aussortieren, kann ich Ihnen die Arbeit erleichtern – ich schmeiße unseren Laden nämlich alleine, seit 5 Jahren schon. Leider will mich nun keiner mehr einstellen, und ich verstehe das sogar, kann ich doch als alleinerziehende Mutter von 3 Kindern bis zu 50 Tage im Jahr wegen kranker Kinder zuhause bleiben. Das sind, mit Wochenenden, gut 2 Monate. Obendrein kommen der normale Urlaub von 30 Tagen und die vielen Samstage und Sonntage dazu – die Frau ist nie in der Firma, denken Sie – ein rotes Tuch, stimmt’s? Tja, so ist das Gesetz in Deutschland, und es soll Müttern und Kindern dienen – tut es aber nicht. Stattdessen ist es ein Einstellungshindernis, zumal Mütter mit so vielen Kindern wie ich sie habe, auch kaum noch auf normalem Wege gekündigt werden können, das ist sogar betriebsbedingt schwierig.

Aber zuerst einmal sollen Sie mich ja einstellen. Also passen Sie mal auf: Ich habe in meinem letzten Job, den ich 4 Jahre festangestellt ausübte, keinen einzigen Tag wegen kranker Kinder gefehlt, dabei hatte ich da auch schon zwei, später drei. Anstatt Mutterschutz und schwangerschaftsbedingter Ruhe arbeitete ich bis einen Tag vor der Geburt mit dem Laptop auf dem Bauch im Liegen und danach oft mit dem Baby an der Brust im Sitzen weiter, weil ich mich meinem Projekt gegenüber verantwortlich fühlte und meine Arbeit liebte. Ich habe gearbeitet, als ein Kind im Krankenhaus operiert wurde und ich als Begleitperson mit musste, auch das war mir ein Bedürfnis, denn die Webseite, die mein Baby war, sollte weiter laufen.

Urlaub habe ich auch kaum genommen, den sparte ich vorsorglich für Notfälle auf, denn die Einarbeitung von Au-Pairs und Kinderfrauen kostet wertvolle Zeit, 2 Wochen muss man da schon kalkulieren.

Als ich mit Kind 2 im sechsten Monat schwanger war, fuhr ich im Winter über den Schwarzwald, um in einer Freiburger Redaktion eine befristete Vertretung zu machen, dafür ließ ich den Mann und das damals 5-jährige Kind unter der Woche alleine in Konstanz, ich kehrte nur am Wochenende heim und fand das toll. Wenn ich arbeite oder auf Geschäftsreise bin, denke ich nicht an meine Kinder, ich kenne kein Heimweh und ich vermisse nix und niemanden. Viele Leute denken, das sei unweiblich und unnatürlich. Ich nicht.

Falls Sie mich einstellen, werde ich mich wie eine Löwin für mein Projekt und meine Leute einsetzen, das liegt mir im Blut. Dass Sie das nicht glauben können, weil Sie selbst nur Dienst nach Vorschrift leisten, ist mir leider klar.

Deswegen würde ich vor Erstaunen tot umfallen, wenn Sie mich zu einem Vorstellungsgespräch einladen, aber ich käme trotzdem. Möglicherweise würde ich dann irgendetwas sagen, was nicht in Ihre Schablonen passt, und dann fliege ich aus der Bewerberunde gleich wieder raus. Seien Sie also unbesorgt.

Mit freundlichen Grüßen,

Mama arbeitet

 

Kurzlebenslauf

Geb.: Vor 1970. Also zu alt, um eingestellt zu werden.

Geburtsort: Am anderen Ende Deutschlands. Hier nicht seit Generationen verwurzelt und vernetzt

Familienstand: Glücklich geschieden

Sexuelle Orientierung: Vielseitig, seriell monogam auf besonderen Wunsch

Kinder: Gleich 3 Stück, alle nach 2000 bekommen. Das Jüngste ist erst 6 Jahre alt, also zu jung, um eingestellt zu werden.

Familiäre Unterstützung: Keine. Eltern sind Mitte 70 und wohnen zu weit weg, um zu helfen. Keine Familie vor Ort, kein freundlicher Ex-Mann, der einspringt, kein netter Patchwork-Mann, nix und niemand.

Staatsangehörigkeit: Frei- und Querdenkerin

 

Beruflicher Werdegang

Studium: das falsche studiert, nämlich den Neigungen entsprechend Sprachen. Ich habe so viele Sprachen gelernt, dass anderen Leuten schwindelig wird, wenn sie das lesen (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Latein, Dänisch, Schwedisch, Norwegisch, Altisländisch, Ungarisch, Altenglisch, Mittelenglisch, Altfranzösisch).

Abschluss: total überqualifiziert, magna cum laude an der renommierten HU Berlin. Verschlimmernd hinzu kommt ein Auslandsjahr mit Erasmus-Stipendium an der University of Kent at Canterbury. Magisterabschluss mit nicht nur „sehr gut“ in drei Fächern, sondern auch noch aus reinem Interesse abgelegtem Nebenbei-Grundstudium der Skandinavistik. Studienzeit überdurchschnittlich schnell.

 

Ausbildung und Qualifikation

Grauenhaft positive Arbeitszeugnisse aus mehreren Festanstellungen runden das Bild ab. Abgesehen davon war ich in allen Firmen, in denen ich arbeitete, beliebt und fühlt mich pudelwohl. Dass ich beängstigend schnell mitdenke, zuverlässig und rasch arbeite, und meine Projekte immer etwas vor der Deadline fertig habe, halten die meisten Kollegen zwar für sonderbar, aber da ich damit nicht angebe bzw. das Team unter Druck setze, für tolerabel.

Von Social Media verstehe ich mehr als mancher „Digital Native“, und Texte fürs Internet sowie Webseitenkonzeption mache ich schon seit 1999. Ich ging 1994 mit einem 54-K Modem ins Internet, um zu mailen, obwohl ich niemanden hatte, der mir zeigte, wie das geht. Wie mühsam das war und wie sehr man das wollen musste, übersteigt wahrscheinlich Ihre Vorstellungskraft.

Weiterbildung finde ich großartig, ich lerne schnell und gern. Möglicherweise bitte ich sogar darum, dass man mir Dinge erklärt und zeigt, von denen man meint, ich müsste sie nicht können oder wissen. Aber meist kann ich mit neuen Kenntnissen etwas kreatives anstellen, das sich als nützlich erweist. Diese Eigenschaft kann natürlich auch als bedrohlich wahrgenommen werden, wenn andere Mitarbeiter weniger Lust haben, Neues zu lernen. Der innerbetriebliche Frieden kam jedoch bisher durch meine Wissbegierde nie in Gefahr.

 

Anlagen:

Familienfoto, Link zu meiner schonungslos offenen Webseite,  Kontoauszüge (Sie sehen, ich brauche das Geld!) und Rentenauszug der BfA zum Gruseln.