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„Mütter als Kollegen? Mehr Fluch als Segen!“ Marion Hackl, wie war das gemeint?

Ein Text erregte die Gemüter: Marion Hackl hatte sich vor 10 Tagen bei „60 Stimmen“ von „Brigitte Online“ darüber ausgelassen, wie anstrengend und untragbar Mütter als Kolleginnen seien. Viele nahmen den Text wörtlich, andere sahen ihn als polemischen Debattenbeitrag. Als ich den Beitrag las, dachte ich spontan „Was für ein Quark!“, fühlte mich aber auch ertappt, weil ich als junge Frau tatsächlich ähnlich gedacht hatte. Und weil er in meinen Augen eine Meinung auf den Punkt brachte, die bei uns immer noch weit verbreitet ist, ob man das mag oder nicht.

Etliche Blogs fühlten sich berufen, auf Frau Hackls Text zu antworten und das, was scheinbar ihre Ansichten waren, zu widerlegen. Ich hab’s in Form einer sehr scharfen Satire getan, die den Begriff der „Mütter“ durch „Männer“ ersetzte und große Teile des Originaltextes einfach übernahm, und ergänzend mit Klischees rund um Männer spielte, und wollte so die Absurdität eben jener Klischees zeigen. Die meisten Leser fanden’s lustig, viele haben mich auch missverstanden und gedacht, das sei tatsächlich meine Sicht auf Männer – aber das überraschte mich nicht. Ein Shitstorm, wie ihn Frau Hackl erlebte, blieb auf meinen Text hin zum Glück aus.

Einige Stunden, nachdem meine Replik online gegangen war, entschied sich die Redaktion der „Brigitte“, den Mütter-Bashing Text von Marion Hackl aus dem Netz zu nehmen. Das fand nicht nur Frau Hackl schade, viele Leser/innen in der Netzgemeinde zeigten sich enttäuscht über das „Einknicken“ der Redaktion. Sicher hatte sie gute Gründe, aber der Debatte selbst wurde so ausgewichen. Dabei denke ich, dass es wichtig ist, sie zu führen – gerade, wenn die Meinungen so extrem sind.

Deswegen habe ich Marion Hackl gebeten, mir ein paar Fragen rund um den Beitrag zu beantworten.

Frau Hackl, Sie haben Drohmails und bitterböse Reaktionen auf den Text erhalten. Wie geht es Ihnen nun, mit ein paar Tagen Abstand, damit?

I’m still alive and unharmed. ;-) Ich hatte mich ganz bewusst gegen Anonymität entschieden und auch mit unschönen Reaktionen gerechnet . Anonymität bietet zwar Schutz, aber he „Je suis Charlie!“ – wir sind doch alle fürchterlich tolerant gegenüber „Andersgläubigen“. Das sind wir doch, oder?

Außerdem finde ich persönlich Anonymität eher befremdlich, ich weiß gerne, mit wem ich diskutiere und mich über relevante Themen austausche. Dazu muss ich keine privaten Details, die Blutgruppe und Schuhgröße kennen, aber den Menschen möchte ich dennoch erkennen.

Da mein Text nicht meine persönliche Meinung widerspiegelt, nehme ich die Beleidigungen aber nicht persönlich, keine Sorge. Zwei ganz massive Drohungen übergab ich allerdings sicherheitshalber meinem Anwalt.

Wie kamen Sie überhaupt auf die Idee, diesen Text zu schreiben, und ihn SO zu schreiben?

Im Januar war ich ein paar Tage auf La Gomera. Ein herrliches Fleckchen Erde übrigens. Ich glaube, es gab dort drei wesentliche Auslöser: eine wunderbar glückliche „Frühstücksfrau“, der entschleunigte Alltag und die Unbeschwertheit, die dort herrschte. Ich verbrachte Stunden damit in die Wellen zu schauen oder in den Bergen herum zu klettern, Erlebnisse und Erfahrungen Revue passieren zu lassen, über das Leben und dessen Sinn nachzudenken.

Die Vorweihnachtszeit ist bei mir immer sehr von „Hamburgs frohe Kinderaugen“ geprägt, einer Initiative, die ich 2007 ins Leben rief, und die als Mittler zwischen den Spendern und den Trägern der Kinder- und Jugendhilfe, resp. den von diesen betreuten Kindern, Jugendlichen und Familien agiert. Rund 5.000 bunte Päckchen waren es 2015 wieder, das klingt erst einmal viel und toll. Vergegenwärtigt man sich allerdings, dass hinter dieser Zahl ebenso viele betreute Kinder und Jugendliche mit oftmals schlimmen Schicksalen stehen, dann relativiert sich das ziemlich schnell. Und die 5.000 sind nur ein Bruchteil der Empfänger von ambulanter Familienhilfe hier in Hamburg. Die Zahlen von Inobhutnahmen aufgrund von Kindswohlgefährdung steigen von Jahr zu Jahr rapide an, auch, weil Eltern(teile) schlicht überfordert sind.

Aber die Überforderung betrifft eben auch nicht nur Mütter, Väter oder Eltern, sondern viele Menschen. Ich habe viele Unternehmen erlebt und mir haben – vielleicht dadurch, dass ich keine von ihnen war und nur zeitlich begrenzt mitgearbeitet habe – zahlreiche Kollegen ihr Leid geklagt. Den festen Kollegen direkt zu sagen, was an ihm und seinem Verhalten stört ist der weiteren Zusammenarbeit meist nicht sonderlich zuträglich. Man versucht also, auszuhalten, bis nix mehr geht. Wieder zurück in Hamburg lag es nicht an den 25° C Temperaturunterschied, dass es mich fröstelte. Es war eine ganz andere Kälte.

Die Provokation war aus meiner Sicht nach wie vor richtig und nötig. Es sollte kein Beitrag werden, der einfach nur abgenickt wird, bevor man weiter zu den Frisurentipps für wahlweise dicke/dünne/große/kleine Frauen klickt.

Was war ihre Intention? Was wollten Sie erreichen?

Aufmerksamkeit. Nachdenken. Hinterfragen. Austausch. Diskussion. Anregungen. Lösung. Umsetzung. In dieser Reihenfolge.

Denn: Es wird sich nichts ändern, wenn sich nichts ändert. Wir müssen alle sehr dringend unsere Gesellschaft überdenken. Der Anspruch an Perfektion nimmt immer krankhaftere Züge an. Schwäche zeigen ist nicht erlaubt, schickt sich nicht.

Ist Perfektion denn nicht auch ganz individuell? Und was ist überhaupt Schwäche? Was passierte denn beispielsweise, als Andreas Kümmert, öffentlich vor großem Publikum die Stärke zeigte, seine Schwäche einzugestehen, nicht am ESC teilzunehmen? Wir vergleichen uns mit vermeintlichen Perfektionisten, die alle Ansprüche erfüllen und offenbar keinerlei Schwächen haben. Und verleugnen uns und unsere individuellen Bedürfnisse allzu oft selbst.

Wir lassen uns hetzen. Von Deadlines, die ihrem Namen alle Ehre machen. Stehen wir im Supermarkt in der Schlange an der Kasse entzürnen uns darüber, dass nicht alle Kassen besetzt sind. Wir stehen unter einem immensen Druck, der hausgemacht ist und der immer mehr Menschen nach und nach zerstört. Dieser Druck wirkt sich aus; auf das Miteinander, auf viele schwächere Mitglieder unserer Gesellschaft, insbesondere aber auf Mütter und auf Kinder.

Darum noch einmal: Es wird sich nichts ändern, wenn sich nichts ändert. Wenn wir nichts ändern!

Ab wann haben Sie gemerkt, dass die Sache gewaltig schiefläuft?

Ist „die Sache“ denn schiefgelaufen? Nein, ich glaube die Reaktionen zeigen eher auf, wie blank die Nerven bei vielen liegen und wie akut der Handlungsbedarf tatsächlich ist. Jetzt gilt es, etwas darauf zu machen. Die durch die Empörung freigesetzten Energien zu bündeln und zielführend einzusetzen. Um das, was wirklich schief läuft, gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Waren Sie davon überrascht, wie heftig die Reaktionen sind?

Mehr erschüttert als überrascht. Reaktion war ja ausdrücklich gewollt, allerdings hätte ich mir viel mehr Souveränität erhofft und mehr Selbstbewusstsein erhofft. Dafür weniger auf andere zeigen und viel weniger Klischee-Bedienung.

Darüber hinaus war der Ablauf aber leider vorhersehbar, weil er sich bei vielen wichtigen Themen wiederholt. Empörung! Empörung! Empörung! Gibt’s eine Online-Petition für Missstände, wird die selbstredend gezeichnet. Dann nochmal kurz empören und das war es dann. Bis zur nächsten Empörungswelle.

Und wie sehen Sie Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen in Deutschland?

Welche Vereinbarkeit? Die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Huch! Wo sind die Männer?) propagierte Vereinbarkeit etwa? Ich halte diese für ebenso realitätsfern wie die im selben Hause gestrickte Gleichstellung.

Als quasi bekennende Antifeministin halte ich es ohnehin für gänzlich falsch, kontraproduktiv und gefährlich, alles gleich machen zu wollen. Menschen sind nun mal, unabhängig von ihrem Geschlecht, Individuen. Jeder Mensch hat nun mal individuelle Ansprüche, Wünsche und Bedarfe. Das ist verdammt noch mal gut so und völlig legitim.

Was wir brauchen ist eine umfassende Reform, keine Pseudoprogramme. Die Lösung muss sich an der heutigen Realität orientieren, nicht an einem Arbeitskonstrukt, das Jahrzehnte alt ist. Weil sich schlicht die Umstände geändert haben. Es gibt unzählige Möglichkeiten, uns das Miteinander zu erleichtern, wenn zeitgemäße Arbeitsmodelle entwickelt werden.

Das ist eine Reform, die durch Wirtschaft und Politik umgesetzt werden muss, die aber Anregungen und Ideen aus der Realität braucht und vor allem mit allen zur Verfügung stehenden (legalen) Mitteln gefordert werden muss. Stichwort: Wir sind das Volk!

Link zum Orignaltext, dem Stein des Anstoßes – bei mir im Blog als Zweitverwertung publiziert, da ansonsten online nicht mehr verfügbar.

Link zu meiner Satire mit dem Titel „Männer als Kollegen? Mehr Fluch als Segen!“; Wer auch dazu gebloggt hat, ist herzlich eingeladen, in den Kommentaren einen Link zu hinterlassen.