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„Mama, Papa, Kind?“ von Jochen König. Buchtipp!

Ausgerechnet der Herder Verlag, den ich als ehemalige Freiburgerin noch aus meiner Jugend kenne, dort bin ich zum ersten Mal mit einem Paternoster gefahren, beeindruckt von den altehrwürdigen Hallen und dem imposanten Bau, in dem der Verlag sich befindet. Ausgerechnet dieser Verlag also bietet dem Gender-Vorreiter Jochen König eine Plattform, um seine Erfahrungen und Gedanken zu modernen Familienformen aufzuschreiben.

Dabei war das früher ein sehr konservatives Haus, das den Schwerpunkt auf religiös angehauchter oder zumindest streng moralisch-spiritueller Literatur hatte. Das ist schon erstaunlich.

Autor König lebt das unkonventinellste Familienmodell, das ich kenne: Er hat zwei Töchter mit verschiedenen Frauen, kümmert sich um beide Kinder im Wechsel mit den Müttern, und lebt in Freundschaft mit dem lesbischen Paar, bei dem er biologischer Vater des jüngeren König-Kindes ist. Eigentlich, so schreibt König am Ende des Buchs, wäre ein Sorgerecht für drei Personen für solche Konstellationen angemessen, aber das ist nicht vorgesehen.

Vielleicht, so überlegt er weiter, zieht er irgendwann mit den beiden Müttern von Lynn (so heißt das jüngere Kind) vors Bundesverfassungsgericht und versucht, ein moderneres Sorgerecht zu erstreiten. Und ich würde ihm viel Glück dabei wünschen, denn wenn wir das Kindeswohl in den Mittelpunkt stellen, dann müsste unser Recht bei solch einer Familienkonstellation eine dritte Person als sorgeberechtigt anerkennen. König ist ja nicht alleine mit seinem ungewöhnlichen Familienmodell, zumindest was seine Tochter Lynn betrifft. Ich kenne mehr als ein Lesbenpaar, das sich den Kinderwunsch mittels eines befreundeten Samenspenders erfüllt hat, und das Co-Elternschaft bereits lebt. Einer hat dabei aber immer keine Rechte: entweder der biologische Vater oder die Frau, die das Kind nicht ausgetragen hat. Es ist nicht einzusehen, warum das so bleiben muss. Genausowenig wie ich finde, dass ein Vater, der sich um nix kümmert, einfach automatisch das Sorgerecht für gemeinsame Kinder mit der Exfrau behalten soll. In meinen Augen muss man sich dieses Recht auch verdienen, und zwar durch aktive Sorge. Aber das ist ein anderes Thema.

„Alleinerziehende Frauen sind oft mutige Frauen, die sich alleine etwas zutrauen, woran manchmal zwei Personen scheitern.“ (S. 49)

Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen, und ein bisschen ins Leben von Jochen König einzutauchen. Er schreibt sehr offen über die Höhen und Tiefen als Vater eines Babys und Kleinkinds (nämlich Fritzi, das ältere Kind, das er mit seiner Expartnerin zusammen bekam), und beobachtet gänzlich ohne Selbstverliebtheit, wie viel mehr gesellschaftliche Anerkennung er als Vater für sein „großes Engagement“ erhält – das ist etwas, was alleinerziehenden Müttern oft sauer aufstößt, denn wir erhalten selten Anerkennung, werden aber häufig von oben herab angeschaut. Und alleine aus diesem Grund bin ich sehr froh, dass König dieses Buch geschrieben hat.

„Die Politik sollte sich nach den Menschen richten und nicht umgekehrt.“ (S. 203)

Und es tut gut, zu lesen, wie hart König mit vielen seiner Geschlechtsgenossen ins Gericht geht, die sich aus dem Leben ihrer Kinder fortstehlen, möglichst wenig Unterhalt zahlen, und keine bis wenig Verantwortung im Alltag übernehmen. Eine Schande ist das, und dass unsere politischen Rahmenbedingungen (Ehegattensplitting, neues Unterhaltsrecht, kümmerlicher Unterhaltsvorschuss….) dies zulassen, prangert der Autor ausdrücklich an. Auch die Themen häusliche Gewalt, Altersarmut von Frauen und die hohe Armutsgefährdung alleinerziehender Mütter kommen zur Sprache.

Das schöne an diesem Buch ist, dass uns hier nicht nur Fakten und Thesen unterbreitet werden, sondern dass der Mensch Jochen König uns erzählt, wie es ihm geht mit diesen gesellschaftlichen Gegebenheiten und seinen eigenen Ideen davon, wie er leben möchte. Und während der Autor am Anfang des Buches „nur“ Vater einer Tochter ist, und sich überlegt, wie er seinen Wunsch nach einem weiteren Kind verwirklichen kann, hält er am Ende die kleine Lynn im Arm. Das Buch menschelt also auch. Mit Jochen König würde ich gerne mal ein Bier in Berlin trinken – falls ich Bier trinken würde. Und ich wünsche mir, dass sein Buch viele Leser findet. Ich würde glatt eine Fortsetzung kaufen.

Jochen König. Mama, Papa, Kind? Von Singles, Co-Eltern und anderen Familien. Herder Verlag, 2015. 208 Seiten für 16,99 €. ISBN 978-3-451-31274-8.