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Mama zwischen Sorge und Recht von Carola Fuchs. Buchtipp

Keine Sorge, dieses Buch ist weder deprimierend noch voller Paragrafen, sondern so unterhaltsam geschrieben wie ein Roman von Kerstin Gier.

Die Autorin hat ihrer Geschichte den Untertitel Die aberwitzigen Erfahrungen einer Mutter in Sachen Umgang gegeben, und „aberwitzig“ im wahrsten Sinne des Wortes ist sie. Schlimm, aber witzig. Nicht auf die Schenkelklopfer-Art, sondern eher aus der Warte einer Frau geschrieben, die mit gebührendem Abstand versucht, ihre Lage mit Humor und Gelassenheit zu sehen.

Worum geht es?

Die Ich-Erzählerin Carola, die im echten Leben einen anderen Namen trägt (sicher nicht nur, um ihr Kind zu schützen, sondern auch, weil der Ex-Mann sie sonst verklagen könnte und nach allem, was in dem Buch steht, auch würde), wird nach 6 Jahren Fernbeziehung schwanger. Er ist nicht nur optisch ein Bilderbuchmann, auch ansonsten ein toller Typ. Über die Schwangerschaft freut er sich, das junge Paar zieht zusammen, das Baby kommt – und das Unglück beginnt. Denn aus dem coolen Typen wird auf einmal ein klammernder, kontrollierender Pascha mit unberechenbaren Wutanfällen. Kann es sein, dass Carolas Partner eifersüchtig auf das Baby ist?

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Die frisch gebackene Mutter versucht alles mögliche, um den Haus- und Ehefrieden zu wahren. Aber als sie eines Tages im Streit vor ihrem Mann ins Bad flüchtet, der ihr „Treib es nicht zu weit, Carola. Sonst bring ich dich um!“ zuzischt, da nimmt sie die nächste Gelegenheit zur Flucht mit dem Kind wahr und geht zu ihren Eltern. Es folgt eine Achterbahnfart der Trennung mit dem Ex-Mann, der sich zuerst gar nicht groß um den Auszug der Frau schert, aber später die fixe Idee hat, die beiden sollten sich als Paar wieder zusammenraufen und der das Kind instrumentalisiert, um die Ex-Partnerin in Bedrängnis zu bringen.

Carola hat es gut getroffen: Sie ist als angestellte Lehrerin finanziell unabhängig, und sie lernt ein gutes Jahr nach der Trennung einen netten Mann kennen, mit dem sie eine normale Partnerschaft auf Augenhöhe eingeht. Dieser Mann ist auch herzallerliebst zu Carolas Tochter und ihr eine große Stütze.

Ist das ein Sachbuch oder ein Roman?

Irgendwie beides. Ich würde sagen, es ist ein Sachbuch, das sich als Roman verkleidet hat. Denn die Fakten sind allesamt drin, nicht nur, was die Rechtslage in Sachen Umgang betrifft (da sind, leider, die Rechte des Vaters in letzter Zeit vor den Familiengerichten stärker durchgesetzt worden als die des Kindes), aber es sind auch alle Phasen und Anzeichen einer vergifteten Beziehung mit einem Mann dargestellt, der nicht in der Lage ist, ein Vater zu sein, sondern der nur ein Partner sein kann, solange er die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Frau hat. Die Geschichte selbst ist so passiert, die Autorin hat nur einige Eckdaten verändert, um die Persönlichkeitsrechte anderer nicht zu verletzen.

Um nur einige Stichworte für die vergiftete Beziehung zu nennen: Das typische „In den Himmel heben“ der Frau, wie z.B. in dem Satz „Du bist das beste, was mir je passiert ist“ oder in „Ich liebe dich halt so sehr, dass ich ganz verrückt werde, wenn du nicht da bist“, sowie Schuldzuweisungen (Schuld, auch an den absurdesten Sachverhalten, haben immer die anderen. Die Frau dient als Blitzableiter), die schwere Kindheit des Mannes, mangelnde Empathie, emotionale Erpressung, Abwertung der Partnerin, Pathologisierung der Frau, der Hang zu edler Kleidung und die Erwartung, dass die Partnerin seine Bedürfnisse errate – obendrein ein starkes Bedürfnis nach Sex, auch direkt nach der Geburt, wo Carola ihm schon 5 Wochen nach der Geburt „grünes Licht“ gibt, obwohl sie weder Lust hat noch körperlich bereit ist. Dass eine junge Mutter eher schlafen möchte als ein kurzes Schäferstündchen abhalten, wenn das Baby gerade mal ruht, ist für diese Art von Mann eine persönliche Beleidigung. Und so geht es weiter, bis Carola bemerkt, dass ein Familienleben mit so einem Mann nicht möglich ist und sie blanke Angst um ihr Leben bekommt.

Das Verhalten nach der Trennung ist seitens des Ex-Mannes geprägt von leichtem Stalking, starken Schwankungen im Verhalten, ständigen Grenzüberschreitungen, der Unfähigkeit sich an Abmachungen zu halten und totaler Uneinsichtigkeit, was die Endültigkeit der Trennung betrifft. Es kommt zu bizarren Szenen bei der therapeutischen Beratung der Caritas, zu bösen Anwaltsmails und Gerichtsverhandlungen bis hin zu Polizeieinsätzen vor Carolas Haus, weil das gemeinsame Kind nicht mit dem Vater mitgehen möchte (was natürlich Carolas Schuld ist, so der Familienrichter, das Jugendamt und der Ex-Mann.)

Wie fand ich das Buch?

Großartig. Ich war zum einen einfach heilfroh, dass ich so ein Glück hatte mit dem Mitarbeitern des Jugendamts, mit denen ich zu tun hatte. Es waren ausnahmslos verständige, kompetente und wirklich hilfreiche Leute. Gleichzeitig dachte ich oft, die Carola hatte ganz schön viel Glück. So besitzt sie das alleinige Sorgerecht für ihr Kind, denn geheiratet hatten die beiden nicht, und zwar war die Vaterschaft anerkannt, aber auf dem Standesamt wurde nur sie als sorgeberechtigt eingetragen. Ich war auch neidisch auf den Beamtenstatus als Lehrerin – Carola konnte mit stark reduziertem Deputat arbeiten und hatte sogar ihre Eltern vor Ort, die sie unterstützen konnten.

Es ist gut, dass die Geschichte zu den eher harmlosen gehört. Aus meiner Zeit als Moderatorin und Mitglied des Leitungsteams eines Frauenvereins kenne ich wesentlich hässlichere Geschichten. Es gibt Kinder, die gezwungen werden, Umgang mit dem Vater zu haben, obwohl dieser Gewalt gegen sie anwendet oder angewandt hat. Auch solche, bei denen der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs gegeben ist, manche nehmen Drogen oder gehen nachts aus, während sie ihr Kleinkind zum Umgang dort haben. Und es ist sehr schwierig, ein Jugendamt oder ein Gericht davon zu überzeugen, dass kein Umgang besser für ein Kind ist als Umgang, wenn der Vater diesen wünscht.

Bei mir liegt der Fall ja komplett anders, ich habe mich stets dafür eingesetzt, dass meine Kinder Umgang mit ihrem Vater haben können und dieser auch gerichtlich festgesetzt wird. Und trotzdem verstehe ich Erzählerin Carola gut, die völlig desillusioniert über unser Rechtssystem und die herrschenden Gesetze ist. Da ist einiges im Argen, und speziell die Rechte der Kinder sind nicht unbedingt das, was oberste Priorität hat.

Kaufen?

Unbedingt. Carola hat das Buch im Selbstverlag drucken lassen, es ist mit 7,95 € extrem günstig, und man bekommt viel fürs Geld (das E-Book kostet sogar nur 3,44 €). Zum einen ist es optisch und haptisch schön, zum anderen sind es 263 Seiten Lesevergnügen. Und es ist lehrreich, auch für Leute, die kein Problem mit ihrem Ex-Mann haben. Last not least: die Geschichte ist ganz toll geschrieben. Ich würde glatt noch eine Fortsetzung lesen wollen.

 

Carola Fuchs. Mama zwischen Sorge und Recht. Die aberwitzigen Erfahrungen einer Mutter in Sachen Umgang. Hamburg, 2014 Taschenbuch im Selbstverlag. 264 Seiten für 12,99 €. ISBN 978-3-00-047004-2. Als E-Book für 8,99 € erhältlich.

Webseite: www.carola-fuchs.de