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Regretting Motherhood – Nein. Aber.

Bei keinem der Kinder dachte ich je, es wäre besser gewesen, ich hätte es nicht bekommen. Aber es gibt viele Dinge, die ich am „Nicht-Mutter-Sein“ vermisse.

Und ich weiß auch, dass ich die Kinder wahrscheinlich aus anderen Gründen bekommen habe als andere Mütter. Denn ich wollte nie welche, bis ich 30 war, so wie ich auch nie küssen wollte, bis ich 3 Wochen vor dem 18. Geburtstag dachte, es sei nun höchste Zeit, herauszufinden, was es mit dem Küssen auf sich hat.

12 Jahre später wollte ich wissen, wie es ist, ein Kind zu haben. Und etwa 3 Jahre nach diesem aufkeimenden Wunsch wurde ich schwanger. Als ich den positiven Schwangerschaftstest in der Hand hielt, dachte ich „Ich werde nie wieder alleine sein!“, und mir war in keinster Weise klar, wie zutreffend dieser Gedanke war. Denn eigentlich fand ich Alleinsein immer schön.

Beim Küssen bin ich mir mittlerweile ziemlich sicher, dass es die schlechteste aller Motivationen ist, das versuchen zu wollen, um es endlich auch getan zu haben. Beim Kinderkriegen ist das etwas anderes. Denn ein Kuss geht vorbei, ein Kind bleibt. Und am Ende des Lebens zu denken, „Ach, hätte ich doch ein Kind gehabt!“, das muss ziemlich wehtun. Das Risiko war mir zu groß.

Meine Motivation zum Küssen und Kinderkriegen ist wohl ziemlich ungewöhnlich. Ich traf noch nie jemanden, egal ob Mann oder Frau, die sagte, es sei ihr genauso gegangen. Es war bei mir reine Neugier, getrieben von der Gewissheit, nur dieses eine Leben zu haben. Ich wollte unbedingt wissen, wie es ist, wenn ein Kind in einem heranwächst. Wie sich Wehen anfühlen und eine Geburt, und wie es ist, für so einen kleinen Menschen verantwortlich zu sein. Und auch, wie es sein würde, das Kind, das aus meinem Bauch kommt. Unvorstellbar eigentlich, dass sowas überhaupt funktioniert! Außerdem wollte ich eine Familie haben, eine eigene. Das war der romantische Faktor an der Sache, und dann war da wahrscheinlich noch etwas Biologie im Spiel.

Mutterschaft musste ich lernen, es war mir nicht gegeben. Vielleicht stimmte irgendetwas mit meinem Oxytocinhaushalt nicht, vielleicht war ich zu verkopft, ich weiß es nicht. Aber als ich mit meinem ersten Kind nach Hause fuhr aus dem Krankenhaus in Hamburg, da hatte ich eher das Gefühl, es wohne jetzt noch jemand bei dem Mann und mir, um den ich mich kümmern müsse, als dass ich tiefe Muttergefühle gehegt hätte.

Beim zweiten Kind, das lange herbeigesehnt war, war das anders. Und beim dritten Kind, das eine Überraschung war, liebte ich von der ersten Sekunde an, als hätte ich mir nie etwas anderes gewünscht, als Kinder zu bekommen. Kann es sein, dass man/frau in das Elternsein hineinwachsen muss? Mir jedenfalls kommt immer die Galle hoch, wenn jemand erzählt, Frauen hätten einfach den besseren Draht zu Kindern, weil sie sie im Bauch austragen, und es sei natürlich für Frauen, sich mit Kindern auszukennen und welche zu wollen. Für mich ist eine Frau in erster Linie ein Mensch, genauso wie ein Mann. Und sich um Kinder kümmern und diese lieben können beide. Oder eben auch nicht.

Es kam mir weder jemals natürlich vor, Kinder haben zu wollen, noch welche zu bekommen. Und ich kann Frauen verstehen, die sagen, das sei nix für sie – auch nach der Geburt. Welche Frau weiß denn schon, worauf sie sich da einlässt? Ja, man kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, und die wenigsten tun das. Aber wenn jemand feststellt, dass die – bereits getroffene – Entscheidung für ein Kind ihn/sie überfordert, sollte das nicht verdammt werden, und zwar der Kinder wegen, die irgendwie aufgefangen werden müssen von der Gemeinschaft.

In einer idealen Welt wäre die Belastung durch dieses Kind nicht so groß, dass sie die Eltern reute. Und es ist eben doch meist die Mutter, die es am Ende ausbadet. Vielleicht ist genau da der gordische Knoten. Wenn sich beide Eltern oder das ganze Dorf kümmern, ist die Last, also das Kind, viel leichter zu tragen. Denn unglückliche Mütter lieben ihre Kinder nicht weniger als andere, aber glückliche oder zufriedene Eltern sind garantiert besser für Kinder.

Auslöser des Bogposts: Artikel in der SZ vom 5. April 2014. „Unglückliche Mütter – sie wollen ihr Leben zurück“

 

Linktipps: „Die Erfindung der Mutter wie wir sie kennen“ im Krachbumm Blog vom September 2014

Zusammenfassung der Texte zu #regrettingmotherhood im Vereinbarkeitsblog vom 07.04.2015