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13 Sätze, die ich als Alleinerziehende nicht hören will

Die Idee ist nicht von mir, aber zu gut, um sie nicht auf Deutsch umzusetzen – und damit meine ich nicht „zu übersetzen“, sondern mit eigenen Inhalten zu füllen.

Gestern teilte ich auf Facebook den Text „I’m Single Parenting Tonight, Too’ and 7 Other Things That Aren’t Helpful to Say to Actual Single Parents.“ Und so zutreffend die Dinge sind, die die Autorin auflistet, es fielen mir doch noch weitere Sätze ein, die mir wahrlich zu den Ohren herauskommen nach 6 Jahren des Alleinerziehendendaseins. Hier also meine Liste, frei nach dem Vorbild auf „everyday feminism“:

1) Sei froh, dass dir keiner in die Erziehung reinredet

Nein, bin ich nicht. Gut, gelegentlich ist es ganz praktisch, wenn man niemanden fragen muss, ob ein Besuchskind übernachten darf, oder wenn’s um die kleinen Sünden geht, wie Nutella direkt aus dem Glas zu essen. Aber ansonsten ist es eine riesige Bürde, alles rund ums Kind alleine mit sich ausmachen zu müssen.

2) Bring doch die Kinder mal zu deinen Eltern!

Super Idee, wäre ich nie drauf gekommen! Aber meine Eltern wohnen a) nicht in dieser Stadt, sind b) weit über 70 und gesundheitlich eingeschränkt, haben c) überhaupt keine Lust, sich um drei Kinder zu kümmern, das ist nämlich anstrengend, und d) möchten meine Kinder das gar nicht. Im Notfall reisen meine Eltern an, keine Frage. Und ich rechne ihnen das hoch an. Aber dass sie sich nun drum reißen würden, meine Kinder zu betreuen, ist wirklich nicht der Fall. Und das ist in Ordnung.

3) Die Nachbarn können doch mal einspringen!

Mensch, da würden sich meine Nachbarn aber freuen! Als ob die nicht alle selbst Kinder und ein Leben hätten. Natürlich stehen wir in Krisensituationen füreinander ein, wir trösten weinende Nachbarskinder, reichen Pflaster und bieten auch stundenweise Aufsicht an, wenn wir gebeten werden. Aber nicht regelmäßig, und schon gar nicht ohne Not. Jede Familie hier hat genug um die Ohren.

4) Ich bin unter der Woche auch alleinerziehend

Das ist DER Irrtum überhaupt, was Alleinerziehende betrifft. Strohwitwentum oder Auslandsaufenthalte von Ehemännern sind etwas völlig anderes, als wenn frau rund um die Uhr, rund ums Jahr, die Verantwortung für ein oder mehrere Kinder komplett alleine trägt. Es gibt kein Durchschlafen, ohne mit einem kotzenden Kind zu rechnen, keine Auszeiten, in denen das Handy unerreichbar sein kann, niemals eine Pause. Ständige Bereitschaft ist das. Und obendrein fehlt die Ansprache durch einen Partner, mit dem man Sorgen um die Kinder oder Gedanken teilen kann, und sei es nur auf Skype, WhatsApp oder am Telefon.

5) Meine Oma hat das nach dem Krieg auch alleine geschafft, die hatte sogar 7 Kinder

Das war auch sicher eine Leistung. Aber zum Glück ist nun kein Krieg mehr, und ich bin nicht deine Oma. Dieser Satz hat ein bisschen etwas davon, den Leuten, die sich gegen die Bekämpfung von Armut einsetzen, zu sagen, dass in Afrika alles viel schlimmer sei. Damit wird mir als Alleinerziehender das Recht abgesprochen, Missstände anzuprangern und meine Situation schwierig finden zu dürfen. Und überhaupt, was soll man darauf antworten? „Tolle Frau, deine Oma. Ich stelle mich sicher nur etwas dusselig an“!?

6) Toll, wie du immer alles alleine schaffst!

Muss ich ja! Und abgesehen davon schaffe ich nicht alles. Ganz viel bleibt liegen, meist der Haushalt. Die Fenster sind elendig dreckig, neulich habe ich vergessen, ein Geburtstagsgeschenk für die Party des Freundes des Sohns einzukaufen, das Gejammer war groß, völlig zu Recht, und meine Steuererklärung sollte auch schon seit 7 Tagen abgegeben sein. Sport mache ich schon lange nicht mehr, oder viel zu selten. Und oft genug habe ich das Gefühl, dass das, was ich stemmen muss, viel zu viel ist.

7) Mach doch mal eine Mutter-Kind Kur! Die steht dir zu!

Weiß ich, und habe ich schon gemacht. Es war grauenhaft, das willst du gar nicht im Detail wissen. Denn so eine Kur ist, selbst wenn die zu kurende Person die Mutter ist, dafür da, die Bindung zum Kind zu stärken, und dient der Prävention. Da hat man feste Aufstehzeiten, Drängelei am Buffet, Abendessen um 17 Uhr und auch ansonsten recht wenig Spaß. Klar, soll ja auch kein Spaß sein, sondern ein Klinikaufenthalt. Mit Urlaub und Erholung hat das wenig zu tun. Es ist eine Mutter-Instandhaltungs-Maßnahme. Und bei mir hat sie, wie gesagt, nicht funktioniert, sondern mich zusätzlich gestresst. Nein danke.

8) Ich würde ja wahnsinnig werden, wenn ich nicht abends mal raus könnte

Sag bloß. Siehste, so geht es mir auch, besonders am Wochenende. Alle Welt postet Bilder von schönen Ausgeh-Abenden auf Facebook, aber ich sitze mangels Babysitter immer zuhause. Da kann man wirklich einen Rappel kriegen.

9) Genieß die Zeit mit den Kindern, sie geht so schnell vorbei!

Endlich mal ein Satz, den alle Mütter hören. Davon wird er aber nicht besser. Denn wenn einem die Zeit mit Kindern zäh und anstrengend vorkommt, weil man zu wenig Entlastung hat, dann ist diese Äußerung die letzte, die man hören möchte. Ich genieße die Zeit ohne Kinder. Denn ich habe sie oft genug um mich. Aber das darf ich ja nicht sagen, dann bekomme ich diesen „Rabenmutter!“-Blick ab. Und vielleicht noch die Nachfrage, warum ich denn überhaupt Kinder bekommen habe, wenn ich sie nicht sehen will.

10) Braucht das Kind nicht auch ein männliches Vorbild?

Sicher. Aber woher nehmen? Sämtliche Verwandten sind weit weg, der Vater sowieso, der ist am weitesten entfernt von allen. Männliche Erzieher gibt es kaum, männliche Grundschullehrer sind ebenso Mangelware, und Leihopas fallen auch nicht vom Himmel. Mir einen Partner anzulachen, nur damit der Sohn/die Tochter auch männliche Bezugspersonen hat, das ginge mir etwas weit.

11) Und wo ist der Vater? Der muss sich doch auch kümmern!

Rein geographisch, oder wie? So oder so lautet die Antwort: zu weit weg. Er hat es sich so ausgesucht, und keine Alleinerziehende, kein Jugendamtsmitarbeiter, kein Anwalt oder Familienrichter dieser Welt wird einen Vater zwingen, sich um sein Kind zu kümmern. Das ist auch ein Stück weit logisch, denn erzwungener Umgang kann wohl kaum dem Kindeswohl dienen. In anderen Fällen ist der Vater vielleicht verstorben, hat eine neue Familie, wohnt ein Dorf weiter und sieht das Kind alle 14 Tage, so oder so ist er meist keine Entlastung für die Alleinerziehende, im Gegenteil.

12) Du hast es ja so gewollt!

Ein echter Satz zum Nackenhaare-Aufstellen. DAS habe ich so nicht bestellt. Die meisten Alleinerziehenden haben ein Kind bekommen, das sie gemeinsam mit ihrem Partner großziehen wollten. Was dann aus unterschiedlichen Gründen nicht durchführbar war. Aber keine, wirklich keine einzige Alleinerziehende, die ich kenne, hat sich ausgesucht, immer alles alleine zu machen. Dieser Satz ist wie eine Ohrfeige.

13) Sind alle drei Kinder von einem Mann?

„Nein, die habe ich von unterschiedlichen Freiern bekommen!“ wäre hier eigentlich die angemessene Antwort. Und selbst wenn ich zwei Kinder von unterschiedlichen Männern hätte, wäre das auch meine Sache, und hätte nichts damit zu tun, ob ich alleinerziehend bin oder nicht. Solange feste Partnerschaften bestehen, fragt da meist auch keiner nach. Aber wenn die Frau erstmal alleinerziehend ist, wollen die Leute schon wissen, ob sie eine „Schlampe“ ist. Es muss ja Gründe dafür geben, dass die Frau alleine ist – und zwar welche, die in ihr selbst liegen. Denn Schuld haben immer die Alleinerziehenden.

Habt Ihr noch mehr? Immer her damit!