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Familienleben in der digitalen Gesellschaft – Workshop fürs BMFSJ

Das zweite Mal innerhalb von 4 Wochen in Berlin – mit dem selben Flieger hin und zurück, ins selbe Hotel, aber wieder etwas ganz Neues. Das Familienministerium hatte mich eingeladen, am Fachworkshop „Gutes Familienleben in der digitalen Gesellschaft“ mitzuwirken, und ich habe keine Sekunde gezögert, ob ich das will.

Hilfe, wie soll ich das organisieren?

Die Veranstaltung war an einem Mittwoch, einem ganz normalen Schultag, und ich wollte diesmal nicht meine weit über 70-jährigen Eltern bitten, ob sie über Nacht auf die Kinder aufpassen, weil sie über den Schwarzwald anreisen und Schnee zu dieser Jahreszeit jederzeit zu erwarten ist. Also habe ich mir mit meinen Kindersitterinnen und den Nachbarinnen beholfen.

Unterlagen Familienministerium

Und das hat gut funktioniert, bis auf den einen Moment, als ich am Dienstag Spätnachmittag angerufen wurde, dass der Sohn im Hof auf den Kopf gestürzt sei und blute. Da sah ich kurz Szenarien mit Gehirnerschütterungen und Klinikaufenthalt vor mir, bei dem sich die behandelnden Ärzte wundern, wo denn die Rabenmutter ist. So war mir das auch schonmal passiert, als ich 2011 eine meiner letzten Geschäftsreisen nach Norwegen hatte, da musste ich mein Au-Pair mit einer meiner Freundinnen und der stark fiebernden Jüngsten zur Kinderärztin schicken, was mich a) enorm beunruhigte aus der Ferne und b) die Kinderärztin zu Recht fragen ließ, wo denn die Eltern seien. Ich hatte eine Woche später ein sehr gutes, ruhiges Vier-Augen-Gespräch mit der Ärztin, in dem ich meine Situation als berufstätige extrem Alleinerziehende schonungslos erklärte, und nach dem sie mir Respekt aussprach und ihre volle Unterstützung zusicherte. Seitdem ist diese Ärztin zu mir und meinen Kindern besonders nett.

rosenthaler platz
Rosenthaler Platz, Berlin

 

Jedenfalls hatte ich zwar eine unruhige Nacht am Dienstag, aber keinen Anruf, dass der Sohn sich übergeben habe, und insofern einfach Glück. Aber es ist schon doof, wenn der Kindsvater am anderen Ende Deutschlands wohnt, zwar voll sorgeberechtigt ist, aber sich weder kümmert noch erreichbar wäre für so einen Notfall. Das soll mich aber nicht davon abhalten, von nun an gelegentlich beruflich zu verreisen. Passieren kann immer etwas, auch wenn ich da bin. Und ich kann die Dinge auch aus der Ferne regeln, wenngleich das für das erkrankte Kind natürlich doof ist. Keiner tröstet so gut wie Mama.

Aber es war trotz dieser Schrecksekunde eine gute Reise, auch weil die Kinder daran wuchsen – der Sohn ist trotz Kälte und Sauwetters zwei Mal alleine den recht weiten Weg von der Schule alleine nach Hause gerollert, und das morgendliche Aufstehen funktionierte auch mit meiner Kindersitterin, die über Nacht geblieben war, ganz ohne mich. Außerdem kommt es ihnen nun gar nicht mehr wie eine große Sache vor, wenn ich das Haus verlasse, das war auch schon durch die Sitzungen für den Stadtrat besser geworden, ist aber nun auf ein neues Level gerückt – Mama kann vielleicht auch mal irgendwann abends alleine ins Kino, wer weiß…?

Es hat alles gut geklappt ohne mich. Nur hinterher und vorher war es echt viel Arbeit: den Kühlschrank füllen, die Wäsche erledigen, Ordnung wiederherstellen, Berge von eintreffenden Stadtratsunterlagen sortieren und lesen, alles gut planen und auch die Dinge rund um meinen Job zu strukturieren, dass meine Kunden weiterhin glücklich mit mir sind.

Rein faktisch ist es so, dass ich für einen Tag Workshop zwei ganze Tage verreist war (Di Mittag bis Do Nachmittag) und der Montag und der Freitag für die Vor- und Nachbereitung draufgingen. Fünf Tage unbezahlte Arbeit sind das. Und ich habe es trotzdem sehr gerne gemacht. Denn was wir da taten, war sinnvoll, und ich fühlte mich auch sehr richtig am Platz mit meinen Kompetenzen als Bloggerin, alleinerziehende Mutter und Stadträtin. Und die Anreise und Unterkunft werden immerhin erstattet. Sonst hätte ich das auch gar nicht machen können.

Was ist denn bei diesem Workshop passiert? Und was war das Ziel?

30 geladene Experten aus verschiedenen Bereichen, die aber allesamt mit Digitalem und Familie zu tun hatten (logisch) teilten sich in drei Arbeitsgruppen auf, die Szenarien für 2025 entwickeln sollten und daraufhin Handlungsempfehlungen für die Politik.

Klingt abstrakt, war aber sehr konkret: in meiner Gruppe ging es darum, zu überlegen, was einer Alleinerziehenden ohne Ausbildung mit einem 2-jährigem und einem 11-jährigen Kind im schlimmsten Fall und im besten Fall im Jahr 2025 blüht, nämlich wenn sie die Entwicklung zur digitalen Gesellschaft nutzen kann oder aber wenn sie abgehängt wird von der digitalen Teilhabe (und damit ist nicht der reine Besitz von Hardware gemeint, sondern vor allem der Einsatz von digitalen Medien).

Alleinerziehende worst case
Graphic Recording Worst Case

Und das durchzudenken war sehr aufschlussreich – wir kamen tatsächlich mit ein paar sehr handfesten Handlungsempfehlungen für das BMFSJ aus diesem Workshop, die sich zum Teil mit denen der anderen beiden Gruppen deckten.

So könnte es Familienlotsen geben, die zwischen Institutionen und Familien Brücken bauen, nicht im Sinne von Sozialarbeit, sondern initiativ beratend. Ein Recht auf Home Office, so wie in Holland seit diesem Jahr gesetzlich verankert, würde helfen. Und eine Familienapp als Leuchtturmprojekt könnte gute Dienste leisten – sie würde Familien durch Behörden lotsen, bei Anträgen helfen, Informationen vermitteln, und sie dort abholen wo sie stehen, Stichwort „Von der Hol- zur Bringschuld“, das ist etwas, was ich hier auf lokaler Ebene auch immer zu vermitteln versuche. Dass man die Leute ein bisschen an der Hand nehmen muss, es ihnen leicht machen, sich die ihnen zustehende Hilfe auch zu holen. „Es wurde deutlich, dass bestimmte Sachen auch an den Mann gebracht werden müssen und man nicht sagen kann, bedient euch mal“, fasste das Abteilungsleiterin Petra Mackroth vom Familienministerium sehr treffend zusammen.

Es war beeindruckend zu sehen, so wie ich das auch schon vor 3 Jahren auf einem Barcamp des Fraunhofer Instituts erlebt habe, was herauskommen kann, wenn man das Wissen von klugen Leuten anzapft und zusammenbringt. Und es war anstrengend, ich fühlte mich am Ende des Workshops, um 17 Uhr, wie blutleer, ausgesaugt, erschöpft. Was gut so war, denn ich war gekommen, um ein kleines bisschen zu diesem Expertenwissen beizutragen, für die Alleinerziehenden, und ich war auch die Einzige, die das in diesem Kreis aus eigener Erfahrung mitsamt dem Hintergrund als Bloggerin und Stadträtin tun konnte, diese Kombination war sehr gut für das Thema.

Bloggerinnen
Bloggerinnen und Twittererinnen Aluberlin, Mama arbeitet und das nuf

 

Ach, und ein besonderes Bonbon: Ich lernte nicht nur Teresa Bücker kennen (Fräulein Tessa), sondern traf auch erstmalig Patricia Cammarata (das nuf) und Aluberlin, die alle drei auch teilnahmen. Leider arbeiteten sie in anderen Gruppen, sodass wir nicht viel Zeit miteinander hatten. Aber die Mittagspause, die Einführung und die Abschlussrunde haben wir zusammen gesessen, direkt nebeneinander, wie ein Foto beweist. War prima mit euch, und war ein spannender, inspirierender Workshop!

Und ich erfuhr aus einem Abschluss-Statement von Petra Mackroth aus dem Familienministerium, dass das Ministerium sehr wohl weiß, wie schwer es Alleinerziehende haben: „Wir müssen darauf achten, dass wir nicht Digitalisierungsverlierer produzieren“, sagte sie. Und dass die Situation von Alleinerziehenden schon jetzt sehr schwierig sei. Ich bilde mir ein, sie hat dabei zu mir geschaut.