Stats

HomePolitikMein Stadtratsmonat: Februar und März

Mein Stadtratsmonat: Februar und März

Konstanz. Im Januar war nicht viel los, und ich war wirklich froh drum. Der Dezember war anstrengend, mit vielen Sitzungen, und in den Weihnachtsferien habe ich durchgearbeitet, weil ich gleich 3 wichtige Deadlines für Anfang Januar hatte, eine für den Kinderbuchverlag, eine für die Brigitte MOM, und eine für die Business Ladys, die zu dem Zeitpunkt Neukunde waren. Als die Schule am 7. Januar wieder losging und zeitgleich auch der Kindergarten die Türen wieder öffnete, war ich heilfroh.

Es gab dann eine Gemeinderatssitzung Ende Januar, die bemerkenswert schnell zuende war, ich glaube, wir waren um 20:30 schon fertig – weil ein Tagesordnungspunkt in einen Ausschuss verschoben wurde, was ein taktisches Manöver der CDU war, um der drohenden Abstimmungsniederlage zu entkommen. Das war lehrreich für mich zu beobachten, es ist alles legitim, aber manchmal ein bisschen dreckig wie im Fußball.

Rhein bei Konstanz Anfang März
Rhein bei Konstanz Anfang März

Anfang Februar war ich zum ersten Mal in der Straßenbenennungskommission, der ich angehöre, wo ich mich unter lauter Herren gleich mal dafür stark machte, endlich den Anteil der Namen von Frauen bei der Straßenbenennung in Konstanz zu erhöhen. Es hatte auch niemand etwas dagegen, da ist halt einfach Nachholbedarf. Aber vielleicht vergisst man als Mann eher, wie groß der Nachholbedarf ist, insofern will ich da gerne so oft wie möglich dran erinnern.

Ich habe an zwei Runden Tischen zur Begleitung von Flüchtlingen teilgenommen, die teilweise sehr bedrückend sind, weil dort Einzelschicksale besprochen werden und allen Teilnehmern am Tisch klar ist, wie langsam die Behördenmühlen mahlen. Und auch, dass einzelne Flüchtlingsgruppen versuchen, rücksichtslos ihre Interessen durchzusetzen und dabei auch die Helfer teilweise angreifen, ist hässlich. Trotzdem hat mich die Hilfsbereitschaft der Leute, die sich dort engagieren, obwohl es ihnen nicht immer gedankt wird, sehr beeindruckt.

Dann war Anfang März die zweite Gemeinderatssitzung dieses Jahres, die sich dann wieder sehr lang zog – von 16 bis 22:30 – wir waren dabei erstmalig zu viert als Räte für das Junge Forum Konstanz, denn eine langjährige Mitstreiterin der Freien Wähler hat „rübergemacht“, also sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, lieber bei uns mitzumachen als bei den Freien Wählern zu bleiben, die in Sachen Sozialpolitik so gar nicht mehr ihre Linie waren. Das hat dazu geführt, dass ich in einigen Bereichen entlastet werde, weil wir uns beide fürs Soziale zuständig fühlen, und das passt mir gerade ganz gut, weil ich beruflich doch recht viel zu tun habe. Nicht wenige Leute fragten mich vorsichtig, ob mir das denn alles Recht so sei („Da wird dir doch etwas weggenommen?“), aber so war es nicht, wir haben Verstärkung bekommen von einer kompetenten, wunderbaren Frau, und ich war von Anfang an dafür, sie mit offenen Armen aufzunehmen. Wer weiß, wie viele noch folgen?

Auch neben den rein offiziellen Terminen gab’s wieder etwas zu feiern: die Verabschiedung des langjährigen Hauptamtsleiters, den ich heimlich „den König von Konstanz“ nannte. Der Hauptamtsleiter ist so etwas wie der Chef im Rathaus neben dem OB, nur dass der OB alle 8 Jahre neu zur Wahl steht und ohne den Amtsleiter rein gar nix geht. Der Mann war seit seiner Jugend im Rathaus angestellt, und es war sehr schön zu sehen, wie ihm eine angemessene Feier bereitet wurde. Ich dachte dabei an meinen Vater, der auch extrem lange in derselben Firma gearbeitet hatte, von der Lehre bis hin zum langjährigen Geschäftsführer, und der auch irgendwann ähnlich geehrt wurde. So etwas ist heute leider sehr selten.

Dann kamen wir mit den Ausschüssen langsam wieder in die Gänge, zuerst mit dem Jugendhilfeausschuss, in dem wir über die Neugestaltung der Kindergartengebühren verhandelten. Der Vorschlag der Stadtverwaltung war eigentlich ganz gut, nämlich die Zahl aller Kinder unter 18 in einer Familie für die Gebührengestaltung zu berücksichtigen, und nicht nur die Zahl der Geschwister in einer Kita. Damit sinken für viele Familien die Kitagebühren. Allerdings wollte die Verwaltung auch die Kosten pro Betreuungsstunde um 10% erhöhen, was meiner Fraktion nicht gefällt (und auch die SPD war dagegen). Leider ergab die Abstimmung, dass es nun so kommen wird. Und noch schlimmer: die Kosten sollen nach und nach weiter erhöht werden – um viel Prozent genau, wird noch geprüft und dann erneut zur Abstimmung vorgelegt.

Ich finde es eine Schande, dass Kinderbetreuungskosten immer nur als Kosten gesehen werden und nicht als Investition. Wir haben gerade erst ein großes Gebäude am Rhein gekauft, das wir zum Veranstaltungshaus umbauen, und ich bin überhaupt nicht dagegen. Aber DAS wird und von der CDU und dem OB immer als Investition verkauft, wohingegen Kita-Kosten nur lästige Kostenfaktoren sind. Das liegt natürlich weniger am OB als an den Rahmenbedingungen, denn für die Kinderbetreuung kommt die Kommune selbst auf. Und da ist es klar, dass sie versucht, die Kosten auf das Land abzuwälzen, die für Leute wie mich und übrigens auch für 24% der Konstanzer (eine enorme Zahl!) die Kitakosten bezuschusst, weil sie sich das nicht leisten können, für die Kosten aufkommt.

Aber richtig ist es trotzdem nicht, nun die Gebühren zu erhöhen. Denn das trocknet langsam, aber sicher die Mittelstandsfamilien aus, die vielleicht nicht so schwellenangstfrei wie ich zum Amt gehen und Zuschüsse beantragen. Und das richtige Zeichen finden wir das auch nicht. Andere Städte, wie Heilbronn, bieten Kindergartenplätze sogar kostenlos an, und in Hamburg ist wenigstens das letzte Jahr vor der Schule gebührenfrei. Im Endeffekt rechnet sich die Kitabetreuung für den Staat, auch wenn sie zuerst teuer scheint wegen der hohen Zuschüsse, das sagen Studien. Nur funktioniert das halt leider auf kommunaler Ebene mit dem jeweiligen Haushalt als Rechenexempel nicht.

Es folgte gestern ein Sozialausschuss, in dem es vor allem um nachbarschaftliches Engagement und die Integration von Flüchtlingen ging, alles relativ unstrittig, weil alle den Handlungsbedarf sehen. Aber ich war voll im Stress, weil ich nämlich zum allerersten Mal große Teile der Unterlagen nicht in Papierform dabei hatte, sondern mich auf mein Tablet verlassen habe (das mir für die Ausübung des Amts von der Stadt ausgeliehen wird), und ich damit trotz funktionierenden W-lans keinen Zugriff auf die Sitzungsunterlagen im Ratssystem hatte. Meinem Sitznachbarn ging’s genauso, immerhin war ich nicht alleine damit, aber das fühlte sich überhaupt nicht gut an. Ich habe mir geschworen, nie wieder auf die Papierunterlagen in einer Sitzung zu verzichten.

Ratssaal in Konstanz, vor einer Sitzung
Ratssaal in Konstanz, vor einer Sitzung

Außerdem hatten wir jeden Montag Fraktionssitzung, was für mich eine ziemliche Quälerei ist, weil ich es im Winter hasse, im Dunkeln noch das Haus zu verlassen, zumal, wenn ich friere. Und dann ist Montag traditionell nicht gerade mein energiereichster Tag, weil ich als Alleinerziehende das Wochenende quasi durcharbeite, nicht nur beruflich, sondern auch als Kinderbetreuung. Eigentlich bin ich montags platt und will erstmal nur schlafen, aber das geht seit der Wahl nicht mehr, weil ich Unterlagen lesen und vorbereiten muss, und am Montag auch nicht um 17 Uhr aufs Sofa kann und die Rolläden herunterlassen. Das erfordert also ein völlig neues Kraft-Management für mich, und es ist nicht ganz einfach. Hätte ich gewusst, dass ich montags fortan fit sein muss, hätte ich mich nicht wählen lassen. Aber nun ist das so und es klappt auch.

Kommende Woche findet dann eine weitere, die zweite, Gemeinderatssitzung im März statt, weil es im Februar keine gab. Die wird auch sicher wieder bis nach 22 Uhr dauern. Aber danach gehe ich mit, Einen trinken. Bis 10 Minuten vor Mitternacht, denn zuhause wartet meine Kindersitterin. Und eine gute Kindersitterin lässt man nicht warten.

Ach, und dann habe ich noch erstmalig eine richtig schöne „Pflicht“ erledigt (die in Wahrheit freiwillig ist, denn gezwungen wird niemand): Ich wurde mit einer Glückwunsch-Urkunde vom Ministerpräsidenten Kretschmann und einem Brief des OB zu einer Jubliarin geschickt, die ihren 90. Geburstag feierte. Da wurde mir, wie ich es fast erwartet hatte, am hellichten Tag um 11 Uhr Sekt angeboten, an dem ich kurz nippte, und es war wirklich sehr, sehr nett. Ich habe die Frau, die noch richtig fit im Kopf war, viele Sachen gefragt, denn sie war eine alte Konstanzerin, und mich auch wunderbar mit den Angehörigen unterhalten. Das mache ich gerne wieder. Und wenn ich 90 werde, will ich auch besucht werden und Sekt trinken. Das ist noch 42 Jahre hin, nee, 41 Jahre und 3 Monate. Und wenn es mir so gut geht, wenn ich 90 bin, dann habe ich mächtig Glück gehabt!

 

Linktipp: Kinderbetreuung finanziert sich selbst, Süddeutsche Zeitung vom 15. April 2013