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Twitterer im Interview: Kalle (Kropunder)

Der Mann kommt viel rum. Zumindest in Hamburg – denn von dort aus twittert er täglich ein oder mehrere Hamburg-Fotos, meist mit Wasser, gerne die Alster, aber auch Gebäude, Boote, Bootsstege und Himmel.

Menschen kommen nur als klitzekleine Dekorationsobjekte in der Landschaft oder auf stimmungsvollen Straßenszenen vor. Die Bildertweets sind samt und sonders live und mit „Hamburg, jetzt“ gekennzeichnet – bis auf die wenigen Fotos, in denen ulkige Fundstücke wie sonderbare Schilder kommentiert werden.

Kalle, dessen Twittername @Kropunder ist, hat seit der Eröffnung seines Accounts im Juni 2010 erst 5.000 Tweets abgesetzt und damit schon fast 4.000 Follower um sich geschart. Von so einem Verhältnis von Tweets zu Followern können andere nur träumen.

Es sind aber nicht nur die Bilder, die ihn anziehend machen. Kalle kann, was viele nicht können: tiefsinnige Texte und Fotos twittern, an denen der Blick hängenbleibt. Über sich selbst erzählt er nichts persönliches, wobei Stimmungstweets natürlich immer persönlich sind, man aber bei ihm nicht weiß, ob er sie gerade erlebt oder fiktiv in die Welt setzt – vielleicht ist es eine Mischung aus beidem, mal so, mal so.

Sein Ava ist eine Grafik, so eine Art „Hamburger Jung“ mit Schiffermütze, in Blautönen gehalten. Er trägt eine Brille, und ich kann mir gut vorstellen, dass der Mensch hinter dem Account tatsächlich ein Mann ist, der eine Brille trägt – es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es eine Frau sein könnte. Bilder können in die Irre führen.

105.000 Favs hat Kalle schon verteilt, das ist eine Menge, und besonders ungewöhnlich im Verhältnis zu seiner geringen Anzahl an Tweets. Wir können also sicher sein, dass er seine Timeline intensiv liest. Bei nur 400 Leuten, denen er folgt, macht das einen sehr aufmerksamen Leser.

Googelt man „Kropunder“, dann fragt google „Meinten Sie Krupunder?“, und der Klick auf den Begriff zeigt einen See im Kreis Pinneberg. Vielleicht ist Kalle dort aufgewachsen und hat sich vom Namen des Gewässers inspirieren lassen?

Kalle stelle ich mir als Freiberufler vor oder als Mensch mit Job, der ihn ständig an schöne Orte führt. Er könnte Fotograf sein oder Journalist, oder ein Kreativer, dessen Weg zur hippen Werbeagentur an der Alster entlang führt.

Sein Profil schmückt der Satz: „Entschuldigen Sie, ich sehe, Sie wollen in den Bus einsteigen. Wollen wir uns verabschieden?“, der mir Rätsel aufgibt. Etwas flüchtiges ist darin, Zufallsbegegnungen, das „Sie“ als distanzierende Anrede darin gesetzt, und das „sehen“ als für den Account typische Einstellung.

Hier wird viel gesehen, mit der Kamera und mit Worten, die Stimmungen und Zwischenmenschliches beschreiben. Obendrein ist irritierend, dass ich Kalle überhaupt nicht als Busfahrer sehe, sondern ihn mir auf dem Fahrrad vorstelle, gemütlich auf einem Radweg an der Alster entlang radelnd, auch bei schlechtem Wetter und Hamburger Nieselregen.

Liebe kommt auch vor, aber nicht als beherrschendes Thema, eher hie und da eingestreut. Ich halte Kalle für kinderfreundlich, sehe ihn als Menschen, der mit eigenen Nichten und Neffen liebevoll umgeht und auch fremde Kinder nicht als Störenfriede sieht. Er wirkt wie ein sehr friedlicher, ausgeglichener Mensch.

Fehlt noch ein Eindruck zum Alter – ich glaube, er ist nicht mehr ganz jung, vielleicht Ende 30. Aber auch noch nicht alt, denn seine Freunde bekommen gerade Kinder, wie kürzlich ein Tweet verriet.

Kalle (oder soll ich Herr Kropunder sagen?), wie gut fühlen Sie sich mit meinen Mutmaßungen beschrieben?

Gerne Du und erst einmal vielen Dank für die lieben Worte als Einleitung vor den ersten Mutmaßungen. Und, um dann die Frage direkt zu beantworten, schreibe ich mal: „Ganz gut mit Abstrichen“. Mein Ava ist eine Illustration von Billy Wilder. Ich hatte zu Anfang eine Art abstrakte Zeichnung, die Alfred Hitchcock darstellt, aber da fühlte ich mich nach einiger Zeit nicht mehr ehrlich gespiegelt. Dann doch lieber den jungen Billy Wilder. Eine Brille trage ich nicht und es ist für diejenigen, die meine Tweets verfolgen, doch recht ersichtlich, dass ich ein Mann bin – und so ist es auch.

Dass ich meine Timeline sehr intensiv lese, stimmt. Mir macht das ganze ziemlich viel Spaß, und viele habe ich hier sehr lieb gewonnen, deswegen fave ich auch gerne.

Was meinen Beruf betrifft, will ich es etwas kryptisch halten, da das auch der Grund ist, warum ich anonym bleiben möchte oder muss. Nur soviel: Die hippe Werbeagentur nehme ich Ihnen übel. :) Kreativ bin ich schon tätig, aber in einer ganz anderen Richtung, ich bin geneigt zu schreiben: Alles wesentlich geerdeter.

Durch Hamburg fahre ich meist mit dem Auto, nehme aber tatsächlich auch gern das Rad. Dass die Liebe nicht das vorherrschende Thema ist, müssen andere entscheiden. Ich habe das Gefühl, dass ich dieses Thema sehr oft bediene. Außerdem finde ich, dass ich oft sehr persönliche Dinge twittere. Gefühlt würde ich sagen, gehe ich auf Twitter mit meinen Ängsten zum Beispiel sehr offen um.

Mein Alter ist perfekt erschlossen.

 

Warum nennst Du Dich „Kropunder“?

Ehrliche und knappe Antwort: Ich habe nicht den blassesten Schimmer. Es ist der pure Zufall. Aufgewachsen bin ich jedenfalls an dem See „Krupunder“ nicht. Geboren bin ich in Hamburg, groß geworden nördlicher, aber nur etwas, ich wohne sehr lange schon wieder in meiner Heimatstadt.

Verlässt Du Hamburg auch gelegentlich? Falls ja, wohin fährst Du dann?

Tatsächlich selten. Ich bleibe meist in Deutschland. Alles, was ich mit dem Auto gut erreichen kann, wird bereist. Auf Sylt war ich zuletzt. Das kleine Stück mit dem Zug war okay.

Hast Du anfangs weniger getwittert? Die Accountgründung 2010 ist ja schon eine Weile her, es sind aber erstaunlich wenige Tweets?

Ich habe am Anfang nur gelesen, wahrscheinlich über ein Jahr, genau weiß ich es nicht. Da möchte ich an dieser Stelle doch glatt meine ersten Followings grüßen. Ich habe Euch sehr genau beobachtet! Abends, wenn ich nach Hause kam, waren sie meine „Daily Soap“. Später habe ich, während ich Sendungen im Fernsehen schaute, nebenbei die Tweets über die selbe gelesen. Noch später fing ich dann an, selbst zu twittern. Man schreibt ins Blaue!

Aber das Gefühl eint uns natürlich alle: Die Absurdität, am Anfang für niemanden zu schreiben. Nun ja, für sich selbst. Vielleicht ist das ja das Geheimnis.

Welche Rolle spielt twitter in Deinem Leben?

Eine interessante. Ich lese gerne und schreibe gerne. Und die Suche nach einem gutenTweet kann mich beschäftigen, da habe ich einen Ehrgeiz. Außerdem mischen sich immer mehr die virtuelle und die reale Welt, ich habe schon einige Twitterinnen und Twitterer getroffen, was ich sehr spannend finde. Vielleicht lässt es sich so zusammenfassen: Ich nehme die Tweets ernst, über Twitter aber lege ich eine Ironie.