Zu schön, um wahr zu sein? Oberflächliches Geschreibsel, das „echte“ Alleinerziehende als Hohn empfinden? Ich habe das neue Buch von Caroline Rosales gelesen:
Sie hat es gut, und sie weiß es. Caroline Rosales ist eine der wenigen Alleinerziehenden, die regelmäßig Unterhalt bekommen. Und obwohl sie das im Buch nicht präzisiert, so nehme ich doch an, dass es sich um Unterhalt in angemessener Höhe handelt, denn ihr Exmann Marius hat einen gut dotierten Job und wir lesen in ihrem Buch „Single Mom. Was es wirklich heißt, alleinerziehend zu sein“, zwar von Wut über die niedrige Rentenerwartung nach der Scheidung, aber nichts von Abzocke und Unterhaltsprellerei, und somit ist die zweifache Mutter Caroline echt gut dran.
Es ist die Rede von einem Au-Pair, von bezahlten Kindersittern, von Großeltern, die einspringen, um zu helfen, und wir erfahren, dass die Kinder regelmäßig beim Vater sind, was für die alleinerziehende Mutter Caroline bedeutet, sich an die Wochenenden ohne Kinder zu gewöhnen (Das ist etwas, was viele getrennte Eltern als sehr schwierig erleben). Die Autorin hat gesunde Kinder, Kitaplätze gefunden, einen festen, ordentlich bezahlten Job, der ihr Spaß macht, mit einer gewissen Flexibilität und netten Kollegen, sie hat einen intakten Freundeskreis und sie ist fest in ihrer Stadt verankert. Das sind fast ideale Voraussetzungen für ein Leben als Alleinerziehende.
Was Caroline Rosales in ihrem gerade erschienenen Buch berichtet, ist also keineswegs die typische Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden, die massiv von Armut bedroht sind, oft prekär und in Teilzeit arbeiten, oder schlichtweg keinen Job finden, weil sie auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Insofern hat die Autorin es schlau angestellt, auch wenn das sicher keine Berechnung war, indem sie zuerst wieder in den Beruf einstieg und sich dann trennte. Sie hatte auch Glück mit dem Exmann, der sich nach der Trennung nicht querstellte und finanziell wie praktisch völlig entzog, was gar nicht so selten vorkommt.
Eine Mogelpackung, aber trotzdem wichtig: Facettenreichtum zeigen
Eigentlich, das muss ich wirklich kritisch anmerken, müsste der Untertitel für dieses Buch lauten „Ein privilegiertes Alleinerziehendenleben“, dann wäre auch das drin, was das Cover verspricht. Und obwohl man nun vielleicht denkt, ich würde es in Grund und Boden schreiben, steht mir danach überhaupt nicht der Sinn. Denn ich finde es gut, dass es dieses Buch gibt, und dass damit auch die Heterogenität der Gruppe der Alleinerziehenden sichtbar wird. Wir brauchen auch positive Beispiele, getrennte Frauen, die einem Mut machen. Das tue ich zwar auch auf meine Weise hier im Blog und in meinem Buch, aber ich habe durch meine Lebensumstände den Fokus mehr auf der Kinderarmut, der Diskriminierung, und der Stigmatisierung.
Aber auch unsere privilegierte Autorin bekommt zu spüren, dass sie bei den „Vorstadt-Müttern“ außen vor ist, und dass manche Ehefrauen spontane Angst bekommen, dass ihnen der Mann ausgespannt wird, sobald eine alleinerziehende Frau auftaucht. Und auch Caroline Rosales, die Frau fast ohne Geldsorgen, mit festem Job und viel Unterstützung aus dem privaten Umfeld, ist schwer am Routieren – und das nicht nur im für alle berufstätigen Mütter schwierigen Feld der Vereinbarkeit von Familie und Beruf:
Irgendwann, relativ früh nach der Trennung, geht sie wegen eines eingeklemmten Nervs zum Arzt, der einen langen Bericht schreibt, den Caroline erst viel später liest. Darin steht, sie leide unter einem akuten Burn-Out. Das erfahren wir eher nebenbei, aber wir erfahren es, und genau das macht für mich dieses Buch noch ein Stückchen wertvoller. Wer es aufmerksam liest, wird feststellen, dass man Caroline Rosales Unrecht tut, wenn man ihr vorwirft, das Alleinerziehendenleben zu glorifizieren. Dass sie davon erzählen will, dass es möglich ist, auch als alleinlebende Frau mit Kindern gut klarzukommen, finde ich einen guten Ansatz. Es ist im Grunde ein Buch, das Mut zur Trennung macht. Und somit zutiefst feministisch.
„Von Tiefgang hat keiner was gesagt“ (S. 57)
Ja, es liest sich über weite Strecken eher oberflächlich. Trotzdem ist auch Systemkritik und Schmerz drin, man spürt immer wieder den Stress zwischen den Zeilen, den die Autorin selbst wohl gar nicht an sich heranlassen kann oder möchte. Denn den eigenen Burn-Out quasi zu verpassen, ist schon krass. Ich möchte tatsächlich nicht mit ihr tauschen. Aber den festen Job und das Leben mit relativ viel Friede, Freude, Eierkuchen hätte ich schon gerne. Ich wünsche mir, dass das, was ich heute realistisch betrachtet „privilegiertes Alleinerziehendenleben“ nennen muss, für alle Einelternfamilien die Normalität wird. Aber ohne Burn-Out, und ohne blöd angeguckt zu werden.
Für knapp 10 Euro ein Buch, das man gut am Strand lesen kann, so wie ich es tat. Und das das Sortiment an Büchern über Alleinerziehende durchaus bereichert.
Caroline Rosales. Single Mom. Was es wirklich heißt, alleinerziehend zu sein. Rowohlt Verlag 2018, 206 Seiten für 9,99 €. ISBN 978-3-49960664-9.
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