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Von Gewalt betroffenen Frauen helfen: Dos and Don’ts

Du willst einer Freundin oder einer Bekannten helfen, die von häuslicher Gewalt betroffen ist oder betroffen war? Es ist schwierig. Aber es ist nicht so, dass Du nichts tun könntest.

Hier meine Tipps als ehemals Betroffene, die zudem viele Jahre ehrenamtlich in der Opferberatung tätig war:

Von Gewalt betroffenen Frauen helfen: Dos

Erstens und wichtigstens: Hinterfrage deine Motivation. Warum willst du helfen? Weil du es nicht ertragen kannst, dass sie in dieser Situation ist oder war? Oder weil sie signalisiert hat, dass sie Hilfe wünscht/braucht? Geht es um dich oder um sie?

Falls sie schon getrennt ist

  • Drücke Anerkennung dafür aus, dass sie den Ausstieg geschafft hat
  • Bedanke dich für ihr Vertrauen. Es kostet Überwindung, zu erzählen, dass man Opfer wurde
  • Höre zu, was sie zu erzählen hat, ohne sie zu verurteilen
  • Glaube ihr und zeige ihr das auch
  • Schlage ihr vor, die Nachbarn einweihen, falls sie noch in Gefahr ist. Das kann nach einer Trennung sehr hilfreich sein, wenn noch Stalking- und Gewaltgefahr besteht. Viele Augen sehen besser als nur zwei!
  • Frage sie, ob sie Menschen hat, mit denen sie über das Erlebte reden kann, und verweise auf Therapeuten, Selbsthilfegruppen, anonyme Foren gewaltbetroffener Frauen im Internet, falls sie sagt, sie habe niemanden zum Reden, würde das aber gerne tun
  • Hilf ihr Kontakte zu anderen Betroffenen zu knüpfen, falls du welche kennst – am besten vor Ort. Es entlastet ungemein, sich nicht so alleine zu fühlen

Falls sie noch in der Beziehung ist

  • Signalisiere Unterstützung zum Zeitpunkt ihrer Wahl: „Ich bin für dich da, wenn Du da raus möchtest, auch wenn das jetzt noch nicht geht“
  • Biete konkrete Hilfe an: „Womit kann ich dir helfen?“ (Gut ist, wenn du schon eine Idee hast. Abstrakte Angebote sind nicht so niederschwellig)
  • Gib ihr die Kontaktdaten von Gewaltberatungsstellen oder Frauenberatungsstellen und erwähne, dass diese auch telefonisch und per Mail beraten
  • Erzähle ihr, dass sie zur Polizei gehen kann, auch ohne den Partner gleich anzuzeigen, und dass es dort eine Opferberatung gibt
  • Mache sie auf die Wichtigkeit von Dokumentation der Taten aufmerksam, und auf gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen durch spezialisierte Ärzte
  • Falls sie Kinder hat: Stärke ihr unbedingt den Rücken und sage, dass es nie eine Lösung sein kann, der Kinder wegen mit einem Gewalttäter zusammen zu bleiben
  • Sage ihr deutlich, dass es schlimmer wird, nicht besser, wenn sie bleibt. Und dass ein gewalttätiger Vater Kindern schadet, selbst wenn sie die Gewalt nur indirekt miterleben
  • Warne sie davor, die Trennung unter vier Augen zu verkünden. Das ist einer der gefährlichten Momente im Leben einer gewaltbetroffenen Frau. Fachleute raten zu großer Vorsicht!

Von Gewalt betroffenen Frauen helfen: Don’ts

  • Vorwürfe machen, dass sie nicht sofort geht/gegangen ist: „Ich wäre sofort gegangen, wenn er die Hand gegen mich erhoben hätte!“
  • Behaupten, dass dir das niemals hätte passieren können, selbst wenn du das glaubst (Spoiler: stimmt nicht!)
  • Annehmen, dass sie zur Eskalation beigetragen hat: „Was hast Du denn getan, dass er so ausgerastet ist?“
  • Infrage stellen, was sie erzählt. Wenn er ihr ein Messer an den Hals gehalten hat und sie danach 10 Minuten durch die Wohnung geprügelt hat, dann war das wohl so. Auch wenn du ihren Mann kennst und dir das schwer vorstellen kannst
  • Vorwerfen, dass sie sich den falschen Mann ausgesucht habe: „Aber das merkt man doch vorher!“
  • Platitüden wie „Zum Streiten gehören immer zwei!“ verkünden

Zum Thema #schweigenbrechen und warum das speziell für Mütter so schwierig ist, habe ich schon ausführlich geblogggt. Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang ein aktuelles Interview mit einer Familienrechtlerin im Spiegel Online, in dem knallhart aufgezeigt wird, dass Mütter, die sich von gewalttätigen Männern trennen, vor Gericht oft schlechte Karten haben. Es ist deprimierend, aber wichtig, darüber Bescheid zu wissen.

Und das wäre mein letzter Tipp: Informiert euch über die gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen. Die sind nämlich alles andere als gut für von Gewalt betroffene Frauen. Die Täter werden von unserem Rechtssystem stärker geschützt als die Frauen, die Hilfe benötigen, und bei gemeinsamen Kindern ist es umso schwerer, dem gewalttätigen Partner dauerhaft zu entkommen.

Am Ende, selbst wenn das klappt, üben viele getrennte Gewalttäter dann noch finanzielle Gewalt aus, indem sie keinen Unterhalt für die gemeinsamen Kinder zahlen, obwohl sie das könnten. Finanzielle Gewalt ist auch Gewalt – das hat Teresa Bücker anlässlich der Aktionswoche gegen Gewalt an Frauen diese Woche dankenswerterweise sehr deutlich gesagt:


Fehlende Unterhaltszahlungen betreffen jede zweite Alleinerziehende, und unser Festhalten am gemeinsamen Sorgerecht samt Umgangsrecht des Vaters/Täters, das über dem Gewaltschutz der Frau steht, macht das Leben der einst von Gewalt betroffenen Frau und ihrer Kinder nicht leichter. Leider sind das keine Einzelfälle, sondern traurige Normalität – alleine in meinem engsten Konstanzer Freundeskreis habe ich fünf Frauen, bei denen niemand vermuten würde, was sie durchmachen, und die sich gerade mit dem Jugendamt, Familiengericht und Anwälten herumschlagen und schlaflose Nächte haben, viele Jahre nach der Trennung.

Denn mit der Trennung ist es noch längst nicht vorbei. Wir aber lassen die gewaltbetroffenen Frauen dann alleine. Vor allem aber sollten wir sie nicht für das stigmatisieren, was sie erlebt haben. Das ist etwas, was wir alle tun können. Klingt doch eigentlich machbar, oder?