Was für ein durchwachsenes Jahr – 2019 war so beschissen, dass ich entgegen meiner Gewohnheit, an dieser Stelle eine Jahresvorschau zu schreiben, lieber eine Rückschau halte. Denn ich bin zwar fertig mit 2019, will aber nicht nach vorne gehen, ohne mit 2019 abgerechnet zu haben.
Ich bin zuversichtlich in dieses Jahr gestartet, schließlich kam doch im April mein Buch bei der Stiftung Warentest heraus, und es zeichnete sich auch ab, dass ich bald die schriftliche Autismus-Diagnose für meine Jüngste in Händen halten würde. Beides ist auch eingetreten, und hatte einen gewissen positiven Effekt auf mein Leben, aber gleichzeitig hielt 2019 eine Menge an kraftraubenden und schwierigen Dingen für mich bereit.
Meine Mutter erkankte schwer an Krebs, musste im März operiert werden, dann Chemo, Bestrahlung, Immuntherapie. Es sah lange Zeit nicht gut aus für sie, weil die Krebsart, die sie erwischt hatte, eigentlich immer tödlich endet, und zwar sehr schnell. Zu unser aller Überraschung hat sie den Krebs aber überwunden – Entwarnung kann aber trotzdem nicht gegeben werden, denn sie ist sehr schwach und angegriffen von der Erkankung und der Therapie. Kein Wunder, immerhin ist meine Mutter schon 81.
Kaum war der Krebs überstanden, ereilte meinen Vater Anfang Dezember ein Herzinfarkt, von dem er sich gerade erholt. Und auch ich bekomme jetzt die Quittung für die Folgen des jahrelangen Stresses durch meine Lebenssituation: Der Gastroenterologe diagnostizierte bei mir im November eine unheilbare Autoimmunerkankung, die wir hoffen, mit Tabletten in Schach halten und verlangsamen zu können. Im August hatte mich schon ein Hörsturz ereilt, der mir einen gut zwei Monate andauernden, sehr nervigen pulssynchronen Tinnitus bescherte.
Das Thema Kinder und Schule hat mich dieses Jahr weiterhin schwer auf Trab gehalten und ganz sicher auch für einen Schub der Autoimmunerkrankung gesorgt: Meine jüngste, autistische Tochter war 10 Monate unbeschult, es gab etliche Runde Tische mit Fachstellen, dem Jugendamt, Therapeuten, Lehrkräften, Schulen, Institutionen, Schulbegleitung, und Autismusbeauftragten sowie viele Besuche des Familienhelfers. Am Ende sind alle immer noch ziemlich ratlos, der Stress wird also nicht einfach weggehen, was mich für meine Gesundheit nicht wirklich optimistisch stimmt.
Ich habe die Kinder zu 8 Arztterminen begleitet (Impfen, Vorsorge, Zahnarzt, Augenarzt…), war selbst 5 Mal beim Orthopäden wegen diverser stressbedingter Beschwerden (Kreuzbein im Rücken verrenkt, Labrumriss in der Schulter, Rücken verrenkt), war 2 Mal im MRT, 12 Mal bei der Physiotherapie, mit Jüngster beim therapeutischen Reiten, mit ihr 12 Mal bei ihrem Therapeuten, habe selbst 3 Mal den Zahnarzt aufgesucht, es immerhin zur jährlichen Vorsorge bei der Frauenärztin geschafft, und auch die Schilddrüse vorsorglich untersuchen lassen. Vergnügungssteuerpflichtig ist das alles aber trotzdem nicht.
Neben all diesen Dingen war ich auf etwa 40 Fraktionssitzungen, vielen Gemeinderats- und anderen Sitzungen für die Politik, und – jetzt kommt endlich mal was Positives – bin bei den Kommunalwahlen im Mai als Stadträtin wiedergewählt worden. Diese zweite Amtsperiode fühlt sich jetzt schon so viel besser an als die erste, und ich habe inzwischen tatsächlich den Eindruck, dass ich weiß, was ich da tue.
Privat war irgendwie tote Hose, zwar war ich ein paar Mal verreist (mehrfach Berlin, Dortmund, Hanau, und in den Sommerferien 10 Tage mit den Kindern an der Ostsee), aber das einzig nennenswerte Ereignis ist der Auszug der Großen, die zum Studieren nach Freiburg gegangen ist und sich dort sehr wohlfühlt in ihrer ersten eigenen Wohnung. Ich habe dadurch endlich wieder ein eigenes Zimmer bekommen, das ich im Oktober bezogen habe.
Einigermaßen positiv war auch, dass ich durch die vorliegende Autismusdiagnose nun seit Januar einen Pflegegrad für meine jüngste Tochter habe, was mit Pflegegeld und einer Haushaltshilfe einhergeht, die 2 Mal im Monat für 2 Stunden zu uns kommt – das ist eine ganz enorme Erleichterung, die ich auch vorher hätte schon gut brauchen können. Außerdem habe ich nun Anspruch auf Verhinderungspflege, was mir hilft, auf Tagungen zu gehen, wenn ich das möchte – das ist eine Art von der Krankenkasse bezahler Kindersitter in unserem Fall, und darf jemand aus der erweiterten Familie oder dem Freundeskreis sein, den die Jüngste gut kennt.
Was war noch? Ich habe beschlossen, dass ich mir die Haare nicht mehr färben werde, weil das potentiell verschlimmernd für meine Autoimmunerkrankung ist, und bin nur so mittel glücklich darüber. Ich will nicht gerne jetzt schon grau sein. Aber wenn es der Gesundheit dient, tja dann….
Außerdem hatte ich noch ein paar nervige Schriftwechsel mit dem Exmann, weil ich dank des gemeinsamen Sorgerechts für alles Mögliche Unterschriften brauche, wenn es nicht die Alltagssorge für Kinder betrifft (Schule z.B.), und damit einhergehend auch einen Termin vor dem Familiengericht, zu dem er nicht erschien, und der zu meinen Gunsten entschieden wurde. All das ist auch nicht wirklich schön, und 10 Jahre nach der Trennung einfach nur anstrengend.
Unterhalt für die Kinder erhalte ich seit Januar auch nicht mehr, also beziehen wir Unterhaltsvorschuss, was wegen des voll abgezogenen Kindergelds deutlich unter dem Mindestunterhalt liegt, und ja, es hat mich sehr geärgert, dass mein Exmann damit durchkommt, seine Firma, die ich mit ihm gegründet habe, und in der ich lange unentgeltlich mitgearbeitet habe, einfach seiner neuen Frau überschreiben kann. Er selbst arbeitet jetzt mit einem Arbeitsvertrag, der im deutlich unter 1000 € netto einbringt, in eben dieser Firma, und auch das großzügige Haus, das er gekauft hat, gehört nun seiner Frau. Die wiederum als Verkäuferin in Vollzeit angestellt ist und überhaupt, aber lassen wir das, das ist nicht gut für meine Gesundheit.
2020 wird für mich ein herausforderndes Jahr werden, denn ich sehe noch nicht wirklich, wie ich es schaffen soll, gut für meine Kinder zu sorgen und gleichzeitig meine Autoimmunerkrankung in Schach zu halten. Am liebsten würde ich mal eine Reha machen, aber auch das ist schwierig mit einem autistischen Kind und einem bald 14-Jährigen, der weder alleine Zuhause bleiben kann noch sinnvoll mit zur Reha reisen. Und wahrscheinlich muss die Reha für mich erst noch erfunden werden.
Für 2020 stelle ich mir einfach nix vor. Es kommt sowieso anders als gedacht. Schmerzfrei wäre schön, wenn meine Eltern noch leben wäre schön, und der Rest wird sich finden. 2019, Du kannst jetzt weg.
P.S.: Noch 3 Dinge, die wirklich, wirklich schön waren in 2019 – ich hab den Edition F Award gewonnen, und war für eine große Party in Berlin. Und ich redete im Bundestag, bei der Fraktion die Linke, zum Thema Alleinerziehende. Außerdem war ich Trauzeugin bei der höchst romantischen Hochzeit einer sehr guten Freundin. Es war nicht alles schlecht.
Und nicht unerwähnt bleiben soll auch, dass ich im März den Mann, den ich nicht haben kann, für 2 Stunden traf, und es tat nicht mehr weh. Bleibt aber trotzdem scheiße, wie das gelaufen ist und dass es nicht ging. Daran gibt es einfach nix zu beschönigen. Ich habe gelernt, damit zu leben, wie ich auch lernen werde, mit der Autoimmunerkrankung zu leben. Hilft ja nix.