Als Mutter habe ich gelernt, dass Unordnung der Normalzustand ist und Ordnung eine kurzfristige Ausnahme. Glaubt nicht, dass mir das leicht gefallen wäre. Es war und ist schwierig, denn ich liebe Ordnung. Die Wäsche hänge ich nach Personen geordnet auf den Wäscheständer, meine Handtücher liegen farblich sortiert im Regal und in meiner Wohnung hat jedes Ding seinen Platz.
Es macht mich nervös, wenn Unordnung herrscht, und als denkendes Wesen sage ich mir, das sei nur die Furcht vor Kontrollverlust und davor, im Chaos zu versinken, und dass diese nicht berechtigt sei. Was aber nicht bedeutet, dass ich mich in Unordnung wohlfühlte. Aber ich kann sie eine Weile lang ertragen. So zum Beispiel wenn Schul- und Kitaferien sind, wie seit gut 2 Wochen. Dass ein Haufen Weihnachtsgeschenke, ein Tannenbaum und Besuch alles durcheinanderbringen, gehört dazu. Aber was bin ich froh, wenn die Wohnung wieder aussieht, wie ich es mag!
Meine Freundin Anna nannte das „die Wohnung auf die Werkseinstellungen zurücksetzen“, sobald die Kinder wieder in der Schule und Alltag sei. So ist das hier auch. Bevor die Kinder gestern nacheinander das Haus verließen und ich drei Stunden sturmfreie Bude hatte, sah es aus wie auf Bild 1. Dann bekam ich die Erledigeritis und als mir die Jüngste um 19 Uhr wieder nach Hause gebracht wurde, hatte ich nebst anderen Dingen, die ich tun wollte und musste, das Kinderzimmer in den Zustand von Bild 2 überführt.
Erziehungstechnisch wäre es nach einhelliger Meinung schlau, die Kinder beim Aufräumen zu beteiligen. Ich räume aber am liebsten alleine auf. Das ist fast rauschhaft und sehr effizient. Eigentlich mag ich mich beim Aufräumen gar nicht stören lassen.
Da ich ja bereits Mutter eines Teenies bin, darf ich behaupten, dass diese Art, aufzuräumen, dem Kind nicht schadet, insofern als es nicht selbst lernen würde, Ordnung zu halten. Meine Große hat, bis sie etwa 11 war, das Aufräumen schlichtweg verweigert (weder Druck noch Bitten halfen) und dann von alleine damit angefangen, als ihr Äußerlichkeiten wichtig wurden, weil die Peergroup eingeladen war.
Der Sohn (7) räumt schon immer gerne auf und stellt die Dinge auch, wie mein kleiner Bruder, sorgsam in der von ihm gedachten Ordnung auf. Nicht Ecke auf Kante wie der Bruder, aber genauso ernsthaft. Da muss ich eher darauf hinweisen, das Ordnung nicht so wichtig ist.
Und die Jüngste mit ihren gerade noch 4 Jahren kann mit Ordnung noch nichts anfangen. Für sie ist wichtg, dass die Dinge da sind, also ich sie finde, wenn sie danach verlangt.
Eigenartig, wie verschieden die Kinder sind. Und gut, dass sie über mich und meine Liebe zur Ordnung lachen können. Denn machmal, wenn etwas nicht auffindbar ist, dann sagen sie scherzhaft „Mamaaa? Hast du das etwa aufgeräumt!?“ und kichern. Meistens finde ich dann sofort wieder, was sie suchen. Und manchmal muss ich gestehen, dass etwas meiner Ordnungliebe zum Opfer gefallen ist und im Müll landete. Sie verzeihen mir. Und oft kommt es nicht vor, dass etwas vermisst wird, das ich aussortiert habe. Zum Glück.
Nachtrag: Als ich noch Studentin war, habe ich versucht, gezielt Unordnung in meiner 1-Zimmer-Wohnung zu schaffen, bevor Besuch kam. Denn der zeigte sich oft befremdet ob der Ordnung und ich wollte mich nicht ständig erklären. Aber das Unordnung-Schaffen lag mir nicht. Ich hab’s dann gelassen. Wer mich mochte, mochte mich auch in ordnungliebend. Und die anderen konnten mir eh gestohlen bleiben. Meine beste und Busenfreundin war übrigens extrem unordentlich und ich habe sie dafür geliebt und bewundert.