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„Auf High Heels in den Kreißsaal“ von Lucie Marshall

Ja, es ist lustig, so wie der Titel es verspricht. Denn dass frau eher in den Kreißsaal robbt als stöckelt, dürfte sogar die ahnungslose Schwangere mit dem ersten Kind im Bauch wissen. Aber das Buch „Auf High Heels in den Kreißsaal“ von Lucie Marshall, die im echten Leben Tanya Neufeldt heißt und Schauspielerin und Moderatorin ist, hat mich an mehreren Stellen schlucken lassen. Und mehr als ein Mal habe ich gedacht, wie sonderbar, die Frau erzählt aus meinem Leben!

Beispiele gefällig? Die Geburt von Sam, der per Notkaiserschnitt zur Welt kommt, und stakkatohaft mit Gedankenstrichen als rasantes Minikapitel über eine Seite erzählt ist. Das ist nicht lustig, kann nicht lustig sein, es geht um Leben und Tod, und wer selbst erlebt hat, wie sich das anfühlt, kommt nicht umhin, tief durchzuatmen und sich den Erinnerungen zu stellen, so wie es Lucie Marshall ergeht, die sich 11 Wochen nach der traumatischen Geburt tränenüberströmt in einer Flugzeugtoilette einschließt, weil sie von einem Artikel über schwierige Geburten in der Zeitung getriggert wird. Und auch die Illusion, man könne nach so einer Kaiserschnittgeburt einfach weitermachen, als sei das Kind komplikationslos auf die Welt gekommen, kam mir beim Lesen sehr bekannt vor.

Lucie Marshall ist eine typische moderne Frau, die von Kindern und dem Kinderkriegen keine Ahnung hat, und die voll ins kalte Wasser geschmissen wird von den Ereignissen. So witzig das Buch über weite Strecken ist, so knallhart hält es unserer Gesellschaft den Spiegel vor – zum Beispiel in dem Kapitel über die Bemühungen, einen Kitaplatz zu finden. Bewerben muss man sich da, und die Kinder sollen vorspielen, als handle es sich um einen Job. Ob das überspitzt ist oder die Wahrheit, kann sich die Leserin selbst überlegen; ich bin ziemlich sicher, dass es genau SO stattfindet. Ich kenne tropfende Brüste und Milchüberschuss, das Gefühl, die Kaiserschnittnarbe trenne den Körper in zwei Teile, die nicht miteinander verbunden sind, ich weiß, wie es ist, wenn einem zuhause die Decke auf den Kopf fällt, und hege auch eine tiefe Abneigung gegen PeKiP-Gruppen bzw. deren Besucherinnen. Auch als Mutter möchte ich manchmal noch rauchen und ein Glas Wein trinken, ich liebe schöne Schuhe und frage mich, wie ich das alles wuppen soll. Ach, Lucie Marshall, wärst du nicht Schauspielerin und lebtest in Berlin, ich wäre gerne mit dir befreundet! Nee, halt. Tanya Neufeldt, und wir sind immerhin Facebookfreunde. :)

Aber keine Sorge, das ist kein Problembuch, auch wenn Probleme nicht ausgeblendet werden. Es ist unterhaltsam, wie zu erwarten war, voller Situationskomik, es bringt ein bisschen Glamour ins Leben, weil die Erzählerin eben nicht „nur“ versucht, nach der Elternzeit den Wiedereinstieg ins normale Berufsleben hinzubekommen, sondern ein bisschen jetsettet. Aber auch hier ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Thema, und insofern kratzt Lucie Marshall nicht nur an der Oberfläche, sondern bringt die Dinge für ihre Lebenswelt auf den Punkt.

Fazit: Ein Buch, das die „Mama-Literatur“ bereichert. Es ist witzig, spitz, auch knallhart und vor allem, zu meiner großen Überraschung, sehr realistisch. Ein Zeitdokument eigentlich. Auf den 280 Seiten wird es nie langweilig und nie platt. Gut gemacht, Frau Marshall – ich warte auf die Fortsetzung!

Lucie Marshall: Auf High Heels in den Kreißsaal. Goldmann Verlag, 2014. 280 Seiten für 8,99 €. ISBN 978-3-442-17462-1

P.S.: Buchbesprechungen in diesem Blog erfolgen ohne Bezahlung und ohne Beeinflussung. Nur damit das gesagt ist. :)