Es war perfekt geplant gewesen. Damals dachte ich noch, irgendetwas im Leben sei planbar, ja, lachen Sie ruhig. Ich hatte mir alles genau überlegt: Nachdem der Sohn bei der Geburt als Notkaiserschnitt zur Welt geholt wurde, er zwei Tage auf der Intensivstation liegen musste, und ich beim Aufwachen aus der Narkose damals nicht wusste, ob mein Kind noch lebt, wollte ich auf Nummer sicher gehen.
Und ich wollte auch nicht mehr in dem Krankenhaus gebären, in dem die Geburt des Sohnes beinahe mit seinem Tod geendet hätte. Nein, dieses Kind, das dritte, würde ich am 09.01.2009 in der Uniklinik in Freiburg zur Welt bringen, wo meine Eltern wohnen, und wo ich mich sicher und gut betreut fühlte, als ich in der Schwangerschaft die Fühler ausstreckte, um die Entbindung von Kind 3 zu planen.
Die Planung
Meine Frauenärztin hatte gesagt, sie schreibe mir keine Überweisung für einen Kaiserschnitt, ich solle das Kind spontan gebären. Mich empörte das. Medizinisch mochte das richtig sein, aber was war mit meiner Seele!? Ich konnte doch kein Kind austragen, wenn ich panische Angst vor der Geburt (und damit meine ich nicht die Schmerzen) haben würde! Also organisierte ich die Entbindung von Kind 3 im Alleingang. Ich mailte, telefonierte, machte mich schlau, und fand in der Entbindungsstation der Uni Freiburg sehr verständnisvolle Ansprechpartner. Die meinten nämlich, ich sei traumatisiert, und natürlich sei es nachvollziehbar, dass ich einen geplanten Kaiserschnitt wolle.
So viel zur Vorgeschichte und den Gründen, vielleicht auch nur, weil frau sich für den geplanten Kaiserschnitt in Deutschland immer noch verteidigen muss. Es ging mir nicht um ausgeleierte Beckenbodenmuskeln, auch nicht um Angst vor Dammrissen oder -schnitten. Ich hatte Angst, dass mein Kind sterben würde, denn auch die erste Geburt wäre ohne medizinische Hilfe nicht gut ausgegangen, im Mittelalter hätte ich mich überhaupt nicht fortgepflanzt, sage ich manchmal scherzhaft, aber es ist mein ganzer Ernst, denn ich hätte keine der drei Geburten überlebt.
Der Tag vor dem geplanten Kaiserschnitt
Aber das nur am Rande. Jedenfalls checkte ich am Vortag des geplanten Kaiserschnitt-Termins in der Klinik in Freiburg ein, man reichte mir diverse Aufklärungs- und Narkosebögen, untersuchte mich ein letztes Mal, und sagte dann: „Bis morgen früh um 6 Uhr. Und essen Sie bitte ab 22 Uhr nichts mehr.“ Klar, kein Problem. Ich war eh so nervös. Zum Übernachten hatten mein Mann und ich uns bei meinen Eltern eingeladen, die in der Nähe von Freiburg wohnen, wo ich groß geworden bin. Alles super organsiert. Es konnte quasi nix mehr schiefgehen.
Allerdings wurde ich um 2 Uhr früh am 09.01.2009 davon wach, dass warmes Wasser meine Beine herunterlief. Ziemlich viel warmes Wasser. Ich hatte eh schlecht in den Schlaf gefunden, die Vorstellung, dass einem bei lebendigem Leibe der Bauch aufgeschlitzt wird, ist nicht sehr beruhigend, besonders wenn sie direkt bevorsteht. Ich hatte Angst. Noch unwohler wurde mir aber, als ich verstand, dass das viele warme Wasser die geplatzte Fruchtblase war. „Wach auf, wir müssen ins Krankenhaus!“, weckte ich meinen Mann, und bat ihn, mir sein Handy zu geben. Zum Glück erreichte ich sofort jemanden auf der Station, wo ich mich ankündigte. Kein Problem, sagte die freundliche Nachtschwester, sie würden uns erwarten.
Blasensprung – schnell in die Klinik!
Der Mann und ich gingen zum Auto, das wir in der Nähe geparkt hatten, ohne meine Eltern oder die beiden Kinder zu wecken. Wir würden einfach anrufen, dachten wir uns. Und dann brachte ich den Vordersitz des riesigen Mercedes Benz Oldtimers, den wir fuhren (Bj. 1971) in Liegeposition, weil ich wusste, dass das besser ist, wenn die Frau eine große Menge Fruchtwassser verloren hat.
Es waren, jedenfalls nachts um halb 3, nur 20 Minuten Fahrt bis zur Klinik, aber die kamen mir vor wie eine Stunde. Ich hatte recht bald starke Wehen. Und als wir vor der Klinik eintrafen, konnte ich mich gerade noch so aus dem Auto schleppen. Wir müssen wohl unter leichtem Schock gestanden haben, denn aus irgeneinem Grund sagte ich dem Mann, er könne ruhig den Wagen parken, ich würde auf die Station vorgehen.
Also trat ich über menschenleere Klinikflure den Gang zur Entbindungsstation an, ganz alleine. Auf halbem Weg dachte ich, ich würde das Kind spontan im Flur gebären, ohne dass es irgendjemand merken würde. Trotzdem kam ich irgendwann auf der Station an, wo man mich ziemlich erschrocken aufnahm. Die Hebamme horchte den Bauch ab und verkündete, der Gebärmutterhals sei schon recht weit geöffnet, aber mit einem Wehenhemmer bekomme man das bestimmt in den Griff. Und dann würde ich meinen geplanten Kaiserschnitt haben, das klappe schon alles.
Huch, schon im OP-Raum? Und das Kind ist schon fast da!?
Nun, es klappte alles, aber ganz anders, als ich gedacht hatte. Denn ich lag, weil die Wehen unaufhaltsam waren, um 4 Uhr früh nackt bis auf das OP-Hemd auf dem OP-Tisch, den Rücken bereits mit orangefarbener Tinktur eingeschmiert, umrundet von einem 8-köpfigen Team, bestehend aus Anästhesisten, Ärzten und Assistenten, die alle aus dem Schlaf geklingelt worden waren, sich mir freundlich und keinesfalls entnervt vorgestellt hatten, und bereit waren für die OP.
Es gab da nur ein Problem: das Kind war schon fast draußen. „Nun machen Sie schon, ich will jetzt den Kaiserschnitt!“, rief ich und hoffte auf Erlösung. „Das geht nicht, Frau Finke, der Kopf ist schon da“, sagte die Hebamme zu mir, und ich war so sauer darüber, dass mein schöner Plan nicht aufging, dass ich dieses Kind unter derbsten Flüchen gebar. „So eine Scheiße! Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, und Schlimmeres schrie ich erbost. Und zack, das Kind war da. Nach gefühlten 5 Presswehen. 2 Stunden 10 Minuten nach dem Blasensprung. Heiliger Bimbam, die hatte es aber eilig!
Ende gut, alles gut
Für das Ablösen der Nachgeburt musste ich dann doch noch unter Vollnarkose gesetzt werden, aber das störte mich nicht. Es war ja alles gut. Und meine Jüngste war als Stationsgespräch zur Welt gekommen: alle, wirklich alle Schwestern, Arzthelfer und Ärzte wollten sie sehen in den Tagen darauf. „Ach, Sie sind der geplatzte Kaiserschnitt?“ wurde zur Standardbegrüßung, wenn Fremde in unser Zimmer traten. Und die behandelnde Ärztin sagte mir am Tag darauf, sie hätte „so eine Ahnung“ gehabt. Warum, das habe ich nicht gefragt. Aber geglaubt habe ich ihr das aufs Wort. Mein Mann rief dann gegen 7 Uhr früh meine Eltern an, die sich schon gewundert hatten, dass sie uns gar nicht hatten aufstehen hören.
Jüngste, übrigens, ist auf die genau für sie richtige und passende Art auf die Welt gekommen. Sie hat ihren eigenen Kopf. Und das ist gut so.