Vorgelesen habe ich nicht. Gesehen auch nicht viel. Aber gelesen doch einige Bücher, die ich euch nicht vorenthalten will, frei nach der Buddenbohm’schen Rubrik „Gelesen, vorgelesen, gesehen im [Monat]“. Allerdings müsste bei mir als Überschrift stehen „im Winterhalbjahr 2015/16“ – das wird aber zu lang.
„Und was jetzt? Wie Frauen der Spagat zwischen Unabhängigkeit und Familienglück gelingt“ von Bärbel Kerber
Enttäuschend. Das Buch tut so, als sei es neu. Und dann entdeckt frau beim Lesen des Impressums und des Vorworts, dass es eine überarbeitete und aktualisierte Neuauflage des Titels „Die Babyfalle“ der Autorin ist, das bereits 2003 erschien. Grund für die Neuauflage sei, dass es „nichts an Aktualität eingebüßt“ habe, schreibt Bärbel Kerber.
Davon abgesehen kam mir bereits beim dritten Satz die Galle hoch. Denn dieses Buch beginnt mit den Worten „Frauen stehen heute alle Möglichkeiten offen. Niemand zwingt sie, ein Leben zu führen, das sie nicht wollen. Dafür sind sie sicher auch dankbar.“ Dankbar!? Frauen werden heute immer noch massiv diskriminiert. Und ich bin nicht dankbar, sondern sauer über Vieles.
2003 mag dies ein lesenswertes Buch gewesen sein, und es greift auch viele Aspekte von Vereinbarkeit und Rollenbildern auf, die relevant sind. Aber 2016 finde ich darin nichts, was ich nicht schon andernorts besser formuliert und spannender gelesen habe.
„Fruchtfliegendompteur. Geschichten aus dem Leben und andere Irritationen“ von Christian Pokerbeats Huber
Lustig! Wirklich kurzweilig, gut geschrieben, und schön auch häppchenweise zu lesen. Eins der Kapitel brachte mich sogar während der langen Depri-Phase durch Liebeskummer lauthals zum Lachen. Christian kommt unglaublich sympathisch rüber, und der Eindruck den ich schon bei „Twitterer im Interview“ von ihm hatte, dass man ihn einfach mögen muss, bestätigte sich.
Das Buch besteht aus kurzen Episoden zwischenmenschlicher Missverständnisse, kleiner Abgründe und Holprigkeiten im Alltag, es hat etwas von verschriftetem Slapstick, ohne surreal und übertrieben zu wirken. Nice.
Einzig das Layout hat mich etwas gestört: Warum, zum Teufel, wurde bei jedem Absatz die erste Zeile nach links ausgerückt? Mir tat das richtig in den Augen weh, es stört den Lesefluss.
„Alleinerziehend? Deine große Chance! Endlich voll entspannt als Single Mom“ von Anja Dieckmann und Sabine Strelow
Ohweia. Ein wirklich schlechtes Buch, bei aller Sympathie für das Anliegen und die Autorinnen. Der zweite Untertitel „Entdecke dein neues Leben als E.V.E.“ lässt schon Böses ahnen. Eine EVE, erklären uns die Autorinnen, sei eine EigenVerantwortlich Erziehende Frau.
Dieses Werk ist voll von Banalitäten, grauenhaft schlecht gelayoutet und irgendetwas zwischen naiv und abgedreht. Ich habe es nach einigen Kapiteln nur noch überflogen. Es war unmöglich, das fertig zu lesen. Erspart euch den Kauf.
„… und ganz, ganz viele Doofe!“ von Ninia LaGrande
Mindestens so lustig wie die Fruchtfliegen von Christian Pokerbeats. Aber auf eine ganz andere, tiefgründigere Art: manche der 33 Geschichten in Ninias Buch sind traurig, manche leichtfüßig, es gibt ein Gedicht, lustige Zeichnungen, dieses Buch zeigt die große Vielfalt und Spannbreite der Talente, die Ninia LaGrande besitzt. Und mit 9,90 € ist es richtig günstig, aber das nur nebenbei.
Dass die Autorin kleinwüchsig ist, spielt in den Geschichten gelegentlich eine Rolle, aber Ninias körperliche Besonderheit dominiert das Buch nicht. Es ist kein „Kleine-Menschen-Buch“, was auch immer das sein sollte, sondern wunderbare Lektüre. So wie man bei Ninias Auftritten (ich sah sie neulich, als sie in Konstanz zum Poetry Slam geladen war) die Künstlerin LaGrande sieht, und die ist einfach groß.
„Verwirrte Väter. Oder: Wann ist der Mann ein Mann“ von Robert Habeck
Auch ein bemerkenswert gutes Buch, leider nur noch antiquarisch oder gebraucht erhältlich. Mein Exemplar stand offenbar in der Kantonsbibliothek Baselland, wie ein Aufkleber verrät, und wurde dort wohl nicht viel verliehen, sonst wäre es ja kaum ausgemustert worden. Das ist schade, denn ich habe Robert Habecks Ausführungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Rollenbildern in Familien wirklich gerne gelesen.
Sehr viele wegweisende Gedanken sind darin, es ist gut formuliert, und war offenbar einfach zu früh auf dem Markt, seiner Zeit voraus, als es im Jahr 2008 erschien. Wenn Ihr ein Väterbuch lesen wollt, das klug Vereinbarkeit, politische Aspekte und Liebe reflektiert, dann besorgt euch dieses Buch. Ich plädiere hiermit für eine nachfrageinduzierte Neuauflage.