Stats

HomeBerufstätigkeitVom Stolz, endlich wieder Steuern zu zahlen

Vom Stolz, endlich wieder Steuern zu zahlen

Man kann mich bekloppt finden, weil ich mich freue, endlich wieder Steuerzahlerin zu sein. Ich weiß. Aber für mich ist das ein richtig schönes Gefühl.

Jahrelang bezogen wir Wohngeld. Ich glaube, es waren ziemlich genau drei Jahre, und wir bekamen es bis zum Juni 2015. Anfangs erhielten wir 360 € im Monat, später 336 €, und das war Geld, das ich als Alleinerziehende dringend brauchte. Verbunden damit war die Übernahme der Kita- und Hortkosten durch das Jugendamt, und der Anspruch auf Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaktes, das uns weitere finanzielle Entlastungen wie kostenloses Mittagessen in der Kita, Zuschüsse zu Schulmaterialien, Ausflügen und dem Schwimmkurs bescherte.

Es war gut, all diese Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Denn Hartz IV wollte ich nicht beziehen, um keinen Preis. Und so kämpfte ich mich durch. Ich arbeitete jeden Tag, hatte keinen Urlaub, nie frei, konnte nicht krank sein, drehte jeden Cent um. Den Kindern sagte ich, sie müssten sich nicht schämen, dass wir den Sozialpass der Stadt hatten, der uns Vergünstigungen bei Bus und Bädern bescherte, denn schließlich hatte ich jahrelang selbst Steuern gezahlt, und das nicht knapp. Im letzten Job als Grenzgängerin in die Schweiz zahlte ich mehr Steuern ans deutsche Finanzamt, als ein Erzieher in Deutschland brutto verdient – mein Gehalt als leitende Angestellte dort war sehr ansehnlich gewesen.

Raus aus dem Wohngeldbezug – würde ich finanziell klarkommen?

Im Sommer 2015 war es dann soweit: ich traute mich aus dem Wohngeldbezug raus, indem ich es nicht neu beantragte. Das hatte auch damit zu tun, dass ich durch das Schreiben meines Buchs Einkünfte in Aussicht hatte, die mir diesen Sprung ermöglichten. Aber ob ich nach 3 Monaten wieder auf dem Amt stehen würde, weil das Geld halt doch nicht reicht und meine Aufträge als freie Journalistin ausbleiben würden, das wusste ich nicht. Das war ein bisschen ein blödes Gefühl, so als würde man ein geschütztes Gehege verlassen. Aber ich wollte es, und es war an der Zeit.

Es ging gut. Ich erhielt weitere Aufträge als Texterin und Autorin, meine Aufwandsentschädigung als Stadträtin ist ebenfalls eine feste Größe auf der Haben-Seite (wird nur zu Teilen versteuert), der Mindestunterhalt vom Vater für die Kinder fließt jeden Monat (der wird nicht versteuert), und das Kindergeld für die drei Kinder ist ja auch noch da. Im Jahr 2015 habe ich so viel Geld selbst verdient, dass ich zum ersten Mal seit 2011 wieder Steuern zahle. Nicht viel, nur ein niedriger dreistelliger Betrag. Aber ich freue mich so darüber, wie andere Leute das wahrscheinlich tun, wenn sie Steuern zurückerstattet bekommen.

Gigantisches Armutsrisiko als Alleinerziehende mit 3 Kindern

Ich bin nämlich stolz. Als Alleinerziehende mit 3 Kindern bin ich die armutsgefährdetste Familienform weit und breit. Alleinerziehende mit 1 Kind sind schon vier Mal so armutsgefährdet wie Paareltern mit 1 Kind (Armutsrisiko laut paritätischem Wohlfahrtsverband 9,6%), Alleinerziehende mit 2 Kindern noch deutlicher. Aber mit 3 Kindern und alleinerziehend ist die Wahrscheinlichkeit, von Sozialleistungen abhängig zu sein, enorm hoch: zwei Drittel der Alleinerziehenden mit 3 oder mehr Kindern kommen ohne Sozialleistungen vom Staat nicht über die Runden (Bertelsmannstudie „Alleinerziehende unter Druck“).

Das liegt daran, dass die Besteuerung der Alleinerziehenden fast so ist wie die von Singles, und dass fehlende Kinderbetreuung und Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt es wahnsinnig schwierig machen, genügend Geld für eine 4-köpfige Familie zu verdienen – das ist ja auch schon bei verheirateten Paaren, die sogar vom Ehegattensplitting profitieren, fast unmöglich. Denn ein einzelnes Einkommen ernährt heute keine Familie mehr. Dass ich als Alleinerziehende nebenbei noch den Haushalt schmeiße und die Kindererziehung auf meinen Schultern lastet, macht mich quasi statt zum Doppelverdiener zum Doppelarbeiter. Ich vereinbare das Unvereinbare.

Und obwohl das unheimlich schlaucht und mich oft an meine Grenzen bringt, bin ich froh. Ich hab’s geschafft: Ich verdiene wieder genügend Geld, um Steuern zu zahlen. Meine Freundin, die  mir bei der Steuererklärung half, erklärte mich zwar für verrückt, als ich Jubelschreie angesichts der Vorausberechnung ausstieß und mich über den Bescheid freute, der vorgestern hier eintraf. Aber das macht nichts. Ich freu mich, juhu – ich zahle wieder Steuern!