Juhu, noch ein Alleinerziehendenbuch – diesmal eines, das die Lebensform „alleinerziehend“ eher auf die leichte Art angeht, das locker erzählend daherkommt, dessen Titel schon ankündigt, dass hier nicht nur Probleme gewälzt werden.
Als ich den Klappentext auf der Rückseite las, dachte ich, es handle sich bei diesem Roman von Katja Zimmermann um leichte Kost, so eine Art Dora Heldt oder Kerstin Gier für Alleinerziehende, aber dem war nicht so. Ich war schon nach wenigen Seiten sehr positiv überrascht, wie viele Fakten die Autorin so nebenbei in dem fröhlich rüberkommenden Werk unterbringt, und wie gut sie es versteht, auf die vorhandenen strukturellen Schwierigkeiten aufmerksam zu machen.
„Esst euer Eis auf, sonst gibt’s keine Pommes. Meine Abenteuer als Alleinerziehende“ ist trotzdem, oder gerade wegen der Mischung aus Hintergrundwissen und nacherzähltem Leben, wunderbar flüssig zu lesen. Ich hab’s auf dem Flug von Zürich nach Berlin und dem dazugehörigen Rückflug verschlungen, und ganz oft genickt.
Die alleinerziehende Protagonistin, die ihre Zwillinge von Geburt an alleine großzieht, ist mir wie eine Freundin ans Herz gewachsen, und dass sie sehr gut begreift, wie privilegiert sie war, weil sie viele Freunde und Hilfe von allen Seiten hatte, macht sie ungemein sympathisch. Katja mangelt es, im Gegensatz zu den meisten Alleinerziehenden, auch nicht an Geld, denn der Vater der Kinder, der im Ausland lebt, zahlt Unterhalt – sogar freiwillig mehr, als er muss.
Dass es trotzdem kein Kinderspiel ist, Zwillinge alleine großzuziehen, versteht wohl jeder Mensch mit Kindern, und so liest sich ihre Zusammenfassung der Zeit bis zur Pubertät, in der die Zwillinge jetzt sind, auch absolut nicht wie eine verklärte weltfremde Erzählung, im Gegenteil. Das ist alles ziemlich down to earth, von den missglückten Urlaubsversuchen (davon kann ich auch reichlich erzählen….) bis hin zu der Feststellung, dass frau als Alleinerziehende ausgegrenzt wird.
Warum ich dieses Buch so mag? Nun, hier meine 10 Lieblingssätze daraus, dann versteht Ihr, was ich meine:
- „Das Wochenende ist die Hölle der Alleinerziehenden“ (S. 159)
- „Den Alleinerziehenden-Status hängen wir nicht an die große Glocke, denn wir fürchten die Nachteile: im Job wird man als Risikokandidatin, bei der Partnersuche als „leicht zu haben“ eingestuft.“ (S. 27)
- „“Mein Mann arbeitet so viel. Ich bin praktisch auch alleinerziehend“… muss ich mich beherrschen, mein Gegenüber nicht zu schütteln und zu rufen: „Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest!““(S. 28)
- „Bevor ich Mutter wurde, hätte ich nie gedacht, wie scheißanstrengend es ist, so ein Menschlein großzukriegen.“ (S. 37)
- „Ich wollte raus. Drinnen war ich oft genug.“ (S. 46)
- „Geld ist eine der wichtigsten Ressourcen, um das Leben als Alleinerziehende erträglich zu gestalten.“ (S. 72)
- „Ich war geradezu entsetzt, als ich feststellte, dass ich als Single mit Kind nahezu gleich besteuert werde wie ein Single ohne Kind.“ (S. 154)
- „Als Alleinerziehende bekomme ich die Entwicklungsphasen meiner Kinder ungefiltert ab.“ (S. 217)
- „Ich musste mir Freiräume zusammen mit meinen Kindern schaffen, um nicht verrückt zu werden.“ (S. 242)
- Als Alleinerziehende müssen wir den Weg alleine meistern. Der Weg ist umso schwerer, weil wir eine Menge überflüssiges Gepäck mit uns herumschleppen. Schuldgefühle und die Angst, es nicht zu schaffen.“ (S. 259 f.)
Und trotzdem – das Fazit von Katja bleibt: „Ich bin alleinerziehende Mutter, und das ist auch gut so.“ (S. 11) Also keine Sorge, das ist kein deprimierendes, bierernstes Buch, ich habe auch gelacht beim Lesen, und ich kann es euch wärmstens ans Herz legen, auch zum Verschenken. Mit einem Preis von knapp 10 € ist es dafür bestens geeignet.
Katja Zimmermann. Esst euer Eis auf, sonst gibt’s keine Pommes. Meine Abenteuer als Alleinerziehende. Ullstein, 2017. 268 Seiten für 9,99 €. ISBN 978-3-548-37670-7