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Neuordnung von Sorge- und Umgangsrecht – so nicht, liebe Bundesregierung!

Als wäre es nicht schon schwierig genug für Alleinerziehende – nein, jetzt drohen auch noch weitere Verschlechterungen für alleinerziehende Eltern.

Das ganze läuft unter dem Deckmantel „moderne Familienpolitik“, ist aber nichts anderes als das Resultat massiver Lobbyarbeit von Väterverbänden und Politikern, die Gleichstellungsfreundlichkeit nur vorschützen.

Worum geht es? Kinderrechte, Kindeswillen, oder doch die Eltern- bzw. Väterrechte?

Vor ein paar Tagen sickerte durch, dass eine Arbeitsgruppe im Auftrag des Bundesministeriums für Verbraucherschutz und Justiz weitreichende Gesetzesänderungen empfiehlt, die Familien in Trennung und Scheidung betreffen werden. (Hier der Link zum Originaldoc beim BMfSJ)

Eigentlich eine gute Sache, haben wir doch reichlich Reformbedarf. Alleinerziehende sind mit den Pflichten rund ums Kind weitestgehend alleingelassen, Rechte hingegen dürfen die anderen Elternteile (meist Väter) hingegen jetzt schon reichlich einfordern. Den Ansatz, hier Dinge grundlegend neu zu ordnen, ist also erst einmal gut. Was dabei aber herausgekommen ist, ist eine Katastrophe aus feministischer Sicht. Denn weder ist der Gewaltschutz darin berücksichtigt, noch die Kinderrechte.

Das gesamte Papier fokussiert sich auf Elternrechte anstatt auf das Kindeswohl, und unterscheidet auch nicht zwischen Kindeswohl und Kindeswillen. (Das ist ein gewichtiger Unterschied, der in der unten in Auszügen zitierten Stellungnahme des sehr engagierten Vereins Mia e.V. erklärt wird.) Was wir bräuchten, wäre die Umsetzung der Istanbul Konvention, die Deutschland unterschrieben hat, und die Frauen und Kinder vor häuslicher Gewalt schützen soll.

Statt Reformen drohen Verschlechterungen für Alleinerziehende

Was wir bekommen, sind weiter ausgebaute Väterrechte. Das kann es nicht sein. Und deswegen stelle ich auf meinem Blog Platz und Reichweite zur Verfügung, um die eindringliche und sachliche Stellungnahme von Mia e.V. zu verbreiten.

Sie mahnt Verbesserungen bei der Qualifikation von Gutachtern, Verfahrensbeiständen, Mediatoren und FamilienrichterInnen an – dies sind Maßnahmen, die Experten schon lange fordern. Sie erinnert daran, dass steuerrechtliche Reformen nötig sind, gleichstellungsorientierte Folgeabschätzungen der von dieser Expertenkommission ausgesprochenen Empfehlungen, und dass Frauen, die sich bereits in der Schwangerschaft trennen, eventuell lebenslang Macht und Kontrolle durch den Erzeuger des Kinds ausgesetzt sind, wenn diese Änderungen so kommen.

Auch ist noch völlig unklar, wie es gehen soll, dass einerseits zukünftig das Sorgerecht nicht mehr entzogen werden können soll, andererseits aber die Ausübung des Sorgerechts einem der Elternteile zugesprochen werden kann.

Wie genau die Problematik aussieht, erklärt das Paper auf S. 7 (Die Stellungnahme hat 11 Seiten. Ich empfehle allen, die sich für Familienpolitik interessieren, es vollständig zu lesen, denn von einer Scheidung/Trennung sind sehr viele Familien betroffen!).

Auszug der Stellungnahme zu den Umgangs- und Sorgerechtsreformen von Mia e.V.

Der Vorschlag der Kommission zum automatischen gemeinsamen Sorgerecht ab Geburt für beide Eltern, so Mia e.V.,

„… erweckt den irreführenden Eindruck, ein gemeinsames Sorgerecht sei in Deutschland für nicht verheiratete Paare nicht möglich. Der überwiegende Teil unverheirateter Paare entscheidet sich jedoch bereits vor der Geburt für ein gemeinsames Sorgerecht, erhält es durch spätere Eheschließung oder auf Antrag des Vaters. Insofern ist ein rechtlicher Automatismus dahingehend nicht nur eine überflüssige, sondern auch hochproblematische Regelung.

Dieser Ansatz wurde in der letzten Sorgerechtsreform 2013 bewusst abgelehnt:“Der Gesetzgeber muss sich am Leitbild orientieren, dass die gemeinsame Sorgetragung in der Regel dem Kindeswohl entspricht; wohlwissend, dass es davon Ausnahmen gibt.​ Die gemeinsame Sorgetragung setzt den Willen des Vaters, sich gleichwertig beteiligen zu wollen​ und eine Initiative des Vaters, mit der er dies erklärt,​ voraus​. Dies kann niedrigschwellig dokumentiert werden, indem der Vater seinen Willen zur Mitsorge durch einen Antrag bekundet. ​Das Antragserfordernis verhindert, dass Väter mitsorgeberechtigt werden, die kein Interesse an ihrem Kind haben.“

Gravierende Probleme ergeben sich in Konstellationen, in denen die Eltern nie in einer Beziehung zusammengelebt oder sich bereits während der Schwangerschaft getrennt haben und die Väter nicht willens sind, Verantwortung für ein Kind zu tragen. Auch diese Väter würden automatisch das gemeinsame Sorgerecht erhalten. Formal gleiche Rechte dürfen jedoch nicht zu einer Benachteiligung von Kindern und Müttern führen. Es ist auf die tatsächlichen Gleichstellungseffekte infolge von Rechtevergaben zu achten.Ein gemeinsames Sorgerecht, das den Interessen des Vaters entgegensteht, kann nicht dem Kindeswohl dienen.

Bereits 2008 stellte das BVerfG fest, dass ein unwilliger Vater nicht zu regelmäßigem Umgang mitseinem Kind gezwungen werden kann. Väter, die bewusst keinen oder äußerst sporadischen Umgang zu ihren Kindern pflegen, wären nun gezwungen, Entscheidungen wie die richtige Schulwahl oder über die Notwendigkeit einer Psychotherapie mit zu treffen. Diese würden jeglicher Grundlage entbehren. Im Konfliktfall oder bei fehlender Rückmeldung im Entscheidungsprozess müsste jedes Mal das Familiengericht anrufen werden. Die Belastungen für Mütter und Kinder, die daraus entstehen, dürfen nicht bagatellisiert werden.

Die aktuelle Regelung, in der unverheiratete Väter einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht stellen müssen, um ihr Interesse am Kind zu bekunden, soll vor den benannten Missständen schützen. Der Antrag des rechtlichen Vaters kann bereits heute nur in sehr seltenen Fällen abgelehnt werden, nämlich dann, wenn die Mutter beweist, dass die gemeinsame Sorge zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde. Dieses Widerspruchsrecht der Mutter entfiele bei einem Automatismusbezüglich des gemeinsamen Sorgerechts.

Auch ist nicht klar, wie Frauen vor Gewalt und Missbrauch des genetischen und/oder rechtlichen Kindsvaters geschützt werden sollen. Der Antrag zur Sorgerechtsreform, die 2013 in Kraft trat, merkte dazu an:“Der Schutz vor Gewalt muss auch in den Entscheidungen über Sorgerecht (und Umgangsrecht) berücksichtigt werden. Die Unversehrtheit von Frauen und Kindern hat Priorität. Insbesondere für Frauen, die mit ihren Kindern zum Schutz in ein Frauenhaus geflohen sind, ist die Praktizierung eines gemeinsamen Sorge- und Umgangrechts nicht möglich.“

Neben körperlicher Gewalt spielt auch psychische Gewalt eine Rolle, indem Väter über das gemeinsame Sorgerecht Macht und Kontrolle über die Mutter ausüben. Sicherlich ist den veränderten Lebensbedingungen Rechnung zu tragen. Im Vergleich zu früheren Generationen entscheiden sich immer mehr Paare dafür, unverheiratet zu bleiben oder erst später zu heiraten und dennoch eine Familie zu gründen. Im Jahr 2015 lebten beispielsweise 10,54 Prozent aller Kinder unter 18 Jahren im Haushalt ihrer unverheirateten Eltern.

Um die Rechte dieser Väter zu stärken, könnte z.B. ein gemeinsames Sorgerecht begründet werden, wenn die Eltern bei der Anerkennung der Vaterschaft in einem gemeinsamen Haushalt leben. Hier kann ein Interesse des Vaters am Kind angenommen werden. Diese Möglichkeit wurde bereits 2018 auf dem 72. DeutschenJuristentag diskutiert und in Betracht gezogen. Analog zu den aufgestellten Thesen der Arbeitsgruppe würde dies bedeuten, dass der unverheiratete rechtliche Vater, der noch nie mit seinem Kind zusammengelebt hat, Inhaber des Sorgerechts ist, das Recht auf Ausübung aber zunächst bei der Mutter alleine verbleiben müsste, solange kein Antrag gestellt wird.

Unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten für unverheiratete Eltern, die sich bereits vor der Geburt getrennt oder nie eine Beziehung geführt haben und der niedrigschwelligen Möglichkeit für unverheiratete Väter das Sorgerecht zu erlangen, stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der vorgestellten These. Notwendig wäre dagegen in jedem Fall eine Aufklärung werdender Eltern hinsichtlich der rechtlichen Tragweite ihrer jeweiligen Entscheidung, solange man nicht das deutsche Sorgerecht von Grund auf reformiert und die Rechte des Kindes in den Mittelpunkt stellt, anstatt das Recht der Eltern am Kind weiter voranzutreiben.“

Kommt mit dem neuen Sorge- und Umgangsrecht das Wechselmodell als Standard durch die Hintertüre?

Dies ist, wie gesagt, nur ein Punkt in den allesamt mit Fußnoten belegten Ausführungen der Expertinnen von Mia e.V. zu den wenig hilfreichen bis desaströsen Vorschlägen der Kommission, die im Auftrag des Justizminsteriums tätig war.

Was bedeutet das also jetzt? Mia e.V. zieht aus den Vorschlägen der Kommission ein Fazit, das ich teile: „Aus dem Thesenpapier ergibt sich der Eindruck, dass durch einen Automatismus im sehr weitreichenden Sorgerecht und dem zeitgleich geforderten Rückzug der gerichtlichen Entscheidungsbefugnisse das Wechselmodell als Standard durch die Hintertür etabliert werden soll.“ (S. 4)

Und auch der Einschätzung „Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Expertengruppe weder Kinderrechte noch das Kindeswohl umfassend und für alle Kinder in ihrem Thesenpapier berücksichtigt hat“ (S. 10)  von Mia e.V. muss ich leider zustimmen.

Auch der Deutsche Juristinnenbund und der Dachverband der Deutschen Frauenhäuser bff werden das Thema Reform des Sorge- und Umgangsrechts aufmerksam und kritisch begleiten, wie mir auf twitter versichert wurde. Das wird auch nötig sein. Denn sonst wird das ganz großer Korks, der Frauen und Kindern schadet. Und dabei ist die Situation schon jetzt wirklich alles andere als rosig für Fraue in Trennungssituationen.

Zeitaufwand für die Kommunalpolitik – was ist machbar, was muss sein?

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Kommunalpolitik findet größtenteils abends statt. Das ist praktisch für Männer, die das als Hobby neben dem Beruf machen – aber für Eltern gar nicht so einfach. Gerade, wenn sie alleinerziehend sind. Ein paar Gedanken über politische Teilhabe.

Er habe es sich gut überlegt, ob er Politik machen wolle, und deswegen jammere er auch wegen des Zeitaufwands nicht herum, schrieb ein älterer Stadtratskollege kürzlich unter einem FB-Post, den eine Stadtratskollegin von mir geteilt hatte – es war darin um Kinderbetreuung und die Kostenübernahmen dafür durch die Kommune gegangen. Und überhaupt finde er, das müsse eigentlich Privatsache sein, die ehrenamtliche Aufwandsentschädigung decke doch genügend ab.

Aktive Teilhabe an der Politik nur für die Geld- und Zeitelite?

Diese unglaublich privilegierte Sichtweise ist leider gar nicht so selten. Viele Menschen verstehen nicht, dass Kinder neben Geld auch sehr viel Zeit kosten dass es auch Geld kostet, sie betreuen zu lassen, und dass ferner in dem Moment, wo man Politik als Ehrenamt macht, und sei es auch mit Aufwandsentschädigung, keine Erwerbsarbeit möglich ist. Ich versuchte das zu erklären, aber ich glaube, ich bin nicht durchgedrungen, weil die Weltsicht dieses (konservativen) Kommunalpolitikers mit meiner Lebenswelt praktisch keine Berührungspunkte hat.

Dass man Geld haben muss, oder zumindest nicht arm sein sollte, um sich in der Politik einbringen zu können, sollte eigentlich nicht so sein, ist aber am Ende doch eine Tatsache, die viele davon abhält, politisch aktiv zu werden. Denn Geldarmut und Zeitarmut gehen oft miteinander einher, und gerade Alleinerziehende verfügen rein statistisch gesehen von allen Familien am wenigsten über diese beiden Ressourcen.

Dass ich das trotzdem seit über 5 Jahren jetzt mache, und sogar im Mai als Stadträtin wiedergewählt worden bin, obwohl ich praktisch keinen Wahlkampf bis auf ein paar Straßenstände gemacht habe (keine publikumswirksamen Podiumsdiskussionen, keine Auftritte in der Lokalpresse, kein Haustürwahlkampf), ist ein Stück weit meiner Sturheit zu verdanken, die sich aus dem Wunsch speist, unsere Demokratie zu erhalten. Und mich für Gruppen einzusetzen, die sonst nicht gehört werden.

Ohne die Unterstützung durch meine Fraktion ginge das nicht, denn ich kann samstagabends nicht zur Jahreshauptversammlung der Feuerwehr, die sich über viele Stunden zieht, ich kann nicht mit auf Reisen zu den Partnerstädten im Ausland, und ich kann ziemlich viele Termine nicht wahrnehmen, auf denen zwar nicht meine Anwesenheit, aber die einer der vier StadträtInnen erforderlich ist. Das viele Lesen der Vorlagen hingegen ist kein Problem, dafür findet sich immer eine Zeitlücke, und das kann ich ja auch mit Unterbrechungen machen.

Zusätzliche Hürden als Mutter eines Kindes mit Behinderung

Auch zur Klausurtagung des Gemeinderats, die alle zwei Jahre etwas außerhalb von Konstanz stattfindet (jeweils etwa 2 Stunden Anfahrt), kann ich dieses Mal nicht mitkommen, weil ich niemanden habe, der die Verhinderungspflege für meine autistische Jüngste übernimmt – das ist schließlich über Nacht, und am Abend davor wäre ebenfalls Gemeinderatssitzung bis in die Puppen, plus zwei weitere Abendtermine für den Stadtrat in dieser Woche. Und selbst wenn ich jemanden hätte, der von meiner Tochter akzeptiert wird als Betreuung, dann wäre es für diese Woche arg viel an abendlichen Fehlzeiten.

Das ist ein Dilemma, denn Kommunapolitik findet größtenteils am Abend statt, und gerade so etwas wie Klausurtagungen sind eigentlich eine feine und sinnvolle Sache. Drum ist es gut, dass sie alle zwei Jahre auch hier vor Ort abgehalten wird, was für mich als pflegende Angehörige die ganze Logistik viel einfacher macht. Da kann ich dann rasch nach Hause fahren, falls irgendwas ist. Und natürlich könnte ich Kinderbetreuung des Gemeinderats für die Betreuung während der Klausur – jedenfalls tagsüber – in Anspruch nehmen. Aber auch diese müsste von meiner Tochter akzeptiert werden, was speziell bei Autisten eine ziemlich große Hürde ist.

Es gibt nämlich seit dem Auszug meiner ältesten Tochter (19) vor 2 Monaten genau zwei Menschen, die sie in unserer Wohnung als Gesellschaft erträgt, und das sind meine erwachsene Nichte und ein guter Freund der Großen. Wenn die keine Zeit haben, dann kann ich nicht weg. Jedenfalls nicht so weit, wie das für eine Klausurtagung nötig wäre.

Und wer hält mir den Rücken frei!? (Rhetorische Frage.)

Der Jahresabend der Feuerwehr in der Turnhalle des Vororts (und ähnliche Veranstaltungen) wäre dagegen ein Kinderspiel, allerdings zählt der nicht als Sitzung, und ist somit nicht erstattungsfähig, was völlig in Ordnung ist, aber bedeutet, dass meine Fraktionskollegen für mich einspringen müssen.

All dies sind Dinge, die der unbedarfte Beobachter oder der Stadtratskollege mit Frau, die ihm den Rücken freihält, nicht sehen. Das kann und will ich ihnen auch nicht übelnehmen – so ist der Mensch halt. Bevor ich nicht selbst ein schwerbehindertes Kind hatte, habe ich auch wenig über die Schwierigkeiten von Eltern nachgedacht, die pflegende Angehörige sind. Für mich ist es in der Summe aber ein Anreiz, mich vor Ort weiter im Stadtrat einzubringen. Solche Menschen wie ich haben dort eigentlich keinen Platz, und genau deswegen ist es wichtig, dass wir dabei sind. Nur halt nicht immer und überall. Weil es sonst schlichtweg nicht geht. Teilhabe bedeutet, im Rahmen seiner Möglichkeiten teilzunehmen, sage ich mir. Und versuche, mich nicht über das zu grämen, was halt nicht geht. Sondern mich zu freuen über alles, was klappt.

Was, wenn…!?

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Die Blutwerte sehen nicht gut aus, sagt der Arzt und dreht den Bildschirm zu mir hin.

„Sehen Sie hier, so war der XY-Wert vor einem Jahr, und inzwischen hat sich der Wert noch erhöht“, erklärt er sachlich während er auf zwei rot umkringelte Zahlen zeigt, und dass wir – also ich – da ein Auge drauf haben müssen. Zum MRT soll ich, und dann nochmal Blut abnehmen, und hinterher, wie vor einem Jahr schon, nochmal ein gründlicher Ultraschall der inneren Organe. Okay, ja, kann ich alles machen. Und ja, ich habe die Blutwerte über ein Jahr nicht mehr kontrollieren lassen, weil ich mich eigentlich ganz gut fühlte, also nicht gut-gut, sondern körperlich gesund halt. Bis auf die Halsschmerzen, die immer wieder auftraten, und für die der HNO keine Erklärung fand, außer das sie von Verspannung herrühren könnten. Und die Müdigkeit, naja, die auch, aber mein Leben ist halt anstrengend, wie sollte ich nicht müde sein!?

Nun sitze ich da, in der großen Gemeinschaftspraxis, und denke: Mist. Ich hätte das nicht schleifen lassen sollen. Aber es war immer was, Termine, Runde Tische wegen der Kinder, Sorgen um meine Mutter, dann die ausbleibenden Unterhaltszahlungen, Arzt- und Therapietermine für die Kinder. Meine eigene Gesundheit habe ich, wie viele Alleinerziehende, nicht so im Blick gehabt.

Ich gehe regelmäßig zum Frauenarzt und lasse auch die Schilddrüse checken, ich schlafe gut, mache ein bisschen Sport, ich achte auf gutes Essen, und das war’s. Das ist mehr, als viele andere Alleinerziehende für sich tun können. Immerhin kann ich mir meine Zeit relativ frei einteilen, und meine finanzielle Situation hat sich auch etwas entspannt. Jetzt könnte doch alles gut werden, oder?

Ganz schlechte Idee: Lebenserwartung zur Überweisung googeln

Wird es aber nicht. Vielleicht wird es jetzt erst richtig hart, wird mir auf einmal klar. Was ist, wenn ich ernsthaft krank bin? So ganz unwahrscheinlich ist das nicht. Verdacht auf eine sehr seltene Autoimmunerkrankung, na prima. Sehr seltene Sachen kann ich offenbar besonders gut. Und natürlich habe ich gegoogelt, was das bedeutet. Wie die Lebenserwartung ist, falls es das ist, was auf dem Überweisungsschein für die Untersuchung im Krankenhaus steht, und ob es Therapiemöglichkeiten gibt. Die Antwort ist: Nicht wirklich, man kann damit ziemlich alt werden oder auch nicht, je nachdem, welche Ausprägung ich erwischt haben sollte. Falls es das ist, was der Arzt vermutet, was ich ja noch nicht weiß.

Aber irgendwas ist da, ich spüre es. Ich horche in mich hinein, ich führe Zwiegespräche mit meinem Körper, ich rede ihm gut zu. „Du kannst mich doch jetzt noch nicht im Stich lassen, die Kinder brauchen mich noch!“ Und ich hab Pläne für später, ich will noch so viel von der Welt sehen, ich will noch einen Roman schreiben, mich nochmal verlieben, irgendwann endlich mal wieder Zeit für die schönen Dinge des Lebens haben.

Ich google nochmal, diesmal andere Seiten, aber da steht dasselbe. Das klingt alles nicht gut. Vor einem Jahr immerhin sahen alle Organe im Ultraschall noch völlig normal aus, sage ich mir, und dass ich ja beschwerdenfrei bin, und es eigentlich reiner Zufall ist, dass ich nun überhaupt weiß, dass meine Blutwerte auf eine Autoimmunerkrankung hinweisen, wäre ich nicht zum Arzt gegangen, dann wüsste ich von nix. Vielleicht wäre mir das lieber. Aber nein, natürlich nicht. Noch sei das alles nicht alarmierend, sagt der Arzt noch beruhigend, aber ich bin schon alarmiert, denn wenn ich das schon länger habe, dann ist dieses Was-auch-immer bereits chronifiziert, und google sagt, das bleibt und wird ab jetzt in Schüben nur noch schlimmer. Wenn es das ist. Ich hasse google.

Das Gedankenkarussell und ich, wir drehen uns im Kreis

In meinem Kopf dreht sich ein riesiges Gedankenkarussell. Was würde ich tun, wenn ich wüsste, ich hätte nur noch soundsoviele Jahre durchschnittliche Lebenserwartung? Wäre das ein Grund, hier alle Zelte abzubrechen und zu reisen? Würde ich brav zu Ende leben und weiter meine Pflicht erfüllen? Vielleicht ist der Zeitpunkt, an dem ICH wieder dran bin, doch schon jetzt, obwohl ich dachte, das müsste noch warten?

Noch ist das alles reine Spekulation. Aber eins merke ich, seitdem ich vergangene Woche beim Arzt war und dieses Gespräch geführt habe: Der Gedanke daran, dass mein Körper auf Selbstzerstörung geschaltet haben könnte, radikalisiert mich. Er hat das schonmal getan, kurz nach der Geburt von Jüngster vor 10 Jahren, als ich aus heiterem Himmel drei relativ große Tumoren in der Brust entwickelte, und das, während ich voll stillte. Die waren damals für mich der letzte Hinweis, dass ich mich vom meinem Mann trennen muss, der mir schon lange nicht mehr gut tat. Der Körper quittierte dies freundlich: Die Tumoren entpuppten sich als gutartig und verschwanden nach einigen Monaten wieder. Ob ich nochmal so viel Glück habe? Noch 3 Wochen, dann werde ich genauer wissen, wie heftig der Warnschuss ist, den mir mein Körpfer diesmal sendet. Bis dahin heißt es warten. Und die Finger davon lassen, die Verdachtsdiagnose und den Verlauf noch tiefer zu googeln. Leicht ist das nicht.

Angst habe ich keine. Am Ende des Lebens bin ich tot, das wusste ich vorher schon. Aber wenn zu allem, was ich eh schon schultere, auch noch eine chronische Autoimmunerkrankung kommen sollte, dann wird es nicht einfacher. Weder für mich noch für die Kinder. Und das ist, was mir eigentlich am meisten Sorgen macht. Da ist niemand anders, der irgendwas auffangen könnte.

Schluss jetzt. Noch sind das alles nur Gedanken. Und keine Guten. Ich sage mir, dass mein Körper, mein Leben und ich sowieso immer etwas aus der Reihe tanzen, und dass es vielleicht gar nicht so schlimm kommt. Oder einfach anders schlimm. So war’s ja bisher auch immer. Du kannst das Leben eh nicht planen. Es gibt scheinbar kerngesunde Menschen, die aus dem Stand tot umfallen. Und angenehme Überraschungen gibt’s ja manchmal auch. Schluss jetzt. Wirklich.

Wo geht’s denn hier zur Inklusion!? Autismus und Lagerkoller für die ganze Familie

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Seit Monaten verlassen meine Kinder kaum das Haus. Außer im Urlaub, aber der ist ja nun vorbei. In die Schule geht hier auch niemand. Es ist zum Haareraufen.

„Wissen Sie, wenn man immer aufeinanderhockt“, sagte der Therapeut neulich, „Dann werden die friedlichsten Leute zu Bestien.“ Es gebe da ein psychologisches Experiment, bei dem Menschen eingesperrt wurden und in die Gruppen „Wächter“ und „Insassen“ eingeteilt wurden, und es seien so beunruhigende Verhaltensweisen festgestellt worden, dass das Experiment abgebrochen werden musste. Es war nicht mein Therapeut, sondern der von einem der Kinder, und wir saßen dort, um Wege aus der Misere zu finden, mal wieder.

Die Schlaufe zwischen Abwarten und Handeln

Denn hier gibt es momentan nur Auswege, die uns allen Angst machen, der Jüngsten am wenigsten, weil die alles so autistisch pragmatisch sieht, und mir wahrscheinlich am meisten, weil ich die Verantwortung alleine trage. Verantwortung ist nicht gleich Schuld, aber es geht schnell, dass man Schuld auf sich lädt, das kann allerdings auch passieren, wenn man etwas nicht unternimmt, was man hätte tun sollen, und so hänge ich in der Schlaufe zwischen Abwarten und Handeln.

Das ist untypisch für mich, ich handle sonst immer, meist sogar zu früh. Jetzt aber habe ich das Gefühl, ich kann es nur falsch machen, und das lähmt mich. Deswegen habe ich auch die Kinderzimmer nicht umgeräumt, wie ich es ursprünglich nach dem Auszug der Großen vor einem Monat vorhatte. Wir leben in einem Provisorium mit einem fast leeren Zimmer, und es erscheint mir passend – nicht, weil die Große so fehlt, sondern weil ich nicht weiß, wie es weitergehen soll. Ich kann das jetzt nicht entscheiden. Ich muss warten.

Ich muss warten, bis meine Tochter (10) mit Asperger Diagnose endlich wieder in die Schule geht. Seit Februar ist sie unbeschult Zuhause, und das macht uns alle wahnsinnig. Die Regelschule taugte nicht mehr für sie, das war unaushaltbar für sie, trotz Entgegenkommen der Schule, trotz Schulbegleitung, trotz vieler Runder Tische und sehr engagiertem Autismusbeauftragtem. Gespräche mit dem Jugendamt, den freien Trägern, noch mehr Mails, WhatsApps mit der Schulbegleitung, es half alles nichts. Mein Kind sagte irgendwann: „Das macht keinen Sinn, Mama“, und sie hatte Recht. Die Schulbegleitung war nicht die Richtige gewesen, und ich hätte es eigentlich gleich wissen müssen, als sie nach dem Kennenlernen sagte, sie möge diese Frau nicht. Fortan war sie nicht mehr in der Schule.

Recht auf Teilhabe, Inklusion, Beschulung? Hahaha!

Seit 7 Monaten also hockt mein Kind mehr oder weniger Zuhause, dabei will es unbedingt in die Schule. Teilhabe, Inklusion, alles schöne Wörter, sie finden nur in der Praxis, zumindest hier, keine Anwendung. Meinem Kind ist langweilig, es hat sich vor lauter Langeweile selbst Lesen und Schreiben auf 5.-Klässlerniveau beigebracht via Unterhaltungen im Chat mit Internet-Spielfreunden, und es versteht nicht, warum es nicht endlich in die Schule darf. Weil alles seine Zeit dauert, Gutachten erstellt werden müssen, Anträge gestellt, Teambesprechungen abgehalten, Hilfepläne bewilligt werden müssen.

Derweil versauert mein Kind, und ob es jemals wieder fest in die Schule integriert wird, steht in den Sternen. Eine neue Schulbegleitung hätten wir am Montag kennenlernen sollen, die meldete sich aber krank, „Da kann man nix machen!“, meinte Jüngste, die trotzdem enttäuscht war, und ich hoffe, dass es nur bei der Krankmeldung bleibt und derjenige dem freien Träger und dem Jugendamt nicht wieder ganz abspringt, weil das ein mittelprächtig bezahlter Job mit reichlich Stress ist, und es schwer ist, jemanden zu finden.

Und so lange nix passiert, gehen sich mein Sohn, der wegen einer chronischen Krankheit auch seit dem Sommer Zuhause ist, und meine Tochter, auf die Nerven. Sie zanken, sie hassen und sie triezen sich, sie pubertieren vor sich hin. Und vor allem: Sie verlassen beide das Haus nicht. Mich macht das wahnsinnig, denn ich kann das Haus nicht verlassen, ohne WhatsApps zu bekommen, in denen sie sich übereinander beschweren oder von Streit berichten. Und wenn ich Zuhause bin, dann zicken sie sich an.

Ich kann hier nicht weg – und das gemeinsame Sorgerecht macht es nicht leichter

Heute früh war ich soweit, dass ich dachte, ich brauche dringend einen Job außerhalb dieser vier Wände. Oder ein neues Leben. Aber wie soll das gehen, mit einem schwerbehinderten  und einem chronisch kranken Kind? Ich muss auf Abruf zur Schule, wenn meine autistische Tochter wegen Überlastung abgeholt werden muss. Sie braucht Pflege und Betreuung, und in ein spezialisiertes Heim/eine Einrichtung möchte sie nicht, ich kann mir das auch nicht vorstellen für sie.

Ich muss da sein, wenn es brennt, und ich muss vor allem folgenschwere Entscheidungen fällen. Das mache ich seit 10 Jahren alles alleine, und ich bin unendlich müde davon. Dass das bei gemeinsamem Sorgerecht auf dem Papier alles noch eine Runde komplizierter ist, kann man sich denken – für jede verweigerte Unterschrift brauche ich einen Gerichtsbeschluss und die Fürsprache des Jugendamts, das zum Glück voll auf meiner Seite steht und wirklich zu helfen versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber die sind halt begrenzt.

Ach, könnte ich doch wenigstens einen Zusammenbruch hinlegen!

Ein neues Leben gibt es nicht für mich, ich kann nicht aussteigen. Das würde sich auch nicht gut anfühlen. Ich bin niemand, der wegläuft, wenn es schwierig wird. Also harre ich der Dinge und werde handeln, wenn es nötig ist. Trotz allem, trotz der Sorgen um meine alten Eltern, trotz der fehlenden Wärme in meinem Leben, denn der letzte Mann, der mich liebte, ist nun auch schon wieder 4 Jahre her, und ich hab wirklich manchmal keine Ahnung, woher ich die Kraft nehme.

Wahrscheinlich bin ich einfach nicht der Typ für einen Zusammenbruch. Ob das jetzt gut oder schlecht ist, weiß ich nichtmal. Denn Zähigkeit kann auch manchmal einfach das Leiden verlängern. Und ich bin halt zäh, so wie schon meine Mutter, meine Oma und die Uroma. Zäh und sensibel, eine unbarmherzige Mischung. Nix für Weicheier. Also muss ich da wohl durch.

Jetzt ist sie weg! Vergebliches Warten auf das Empty Nest Syndrom

10

Das große Kind (18) ist ausgezogen, vor 3 Tagen schon. Und ich habe noch ein paar Tage gewartet, bis ich darüber schreibe, weil ich dachte, vielleicht kommt es ja noch, diese Gefühl der Traurigkeit und der Leere, des Verlassenseins, aber nichts dergleichen hat sich eingestellt. Es ist bei einer Mischung aus Erleichterung, Neid und Freude geblieben, so wie auch in den Tagen zuvor.

„Du wirst weinen auf der Rückfahrt“, meinten einige auf Twitter. Andere wollten mich trösten, in dem sie sagten, man gewöhne sich schon daran, dass ein erwachsenes Kind ausgezogen sei, auch wenn es anfangs hart sei. Eventuell stimmt etwas mit mir nicht, denn ich finde daran überhaupt nichts hart oder traurig. So wie ich auch damals, als ich selbst zum Studieren auszog, es einfach nur großartig fand, meine erste eigene Bude zu haben. Dass meine Eltern traurig gewesen seien, konnte ich auch nicht feststellen.

Ich war in ihrem Haus jederzeit willkommen, so wie meine Tochter es bei mir auch sein wird, aber eigentlich immer froh, wenn ich nach den Besuchen im Elternhaus wieder in mein eigenes Studentenzimmer zurück konnte – genauso, denke ich, wird es meiner ältesten Tochter gehen, wenn sie das erste Mal auf „Heimaturlaub“ war und dann wieder aufbricht in ihr neues Zuhause.

Umzugsvorbereitungen sind das Eine – wie aber fühlt es sich an, wenn das Kind dann wirklich auszieht?

Meine Große hatte das Glück der Tüchtigen – sie hat sehr lange nach einer bezahlbaren Wohnung in Freiburg gesucht, in die sie ihre Seniorenkatze mitnehmen kann (ja, Grumpycat ist auch weg!), und kurz bevor sie verzweifelte ob der vielen Absagen und indiskutablen Wucherwohnungen meldete sich ein Vermieter, der sowas wie das personifizierte Glückslos war. Und dieser Vermieter hat meiner Tochter eine so tolle 1-Zimmer Wohnung in guter Lage angeboten, samt neuer Küche, Holzfußboden und sonnigem Balkon, dass ich eigentlich selbst gerne dort eingezogen wäre. Allerdings bin ich nicht 18 und auch nicht alleinstehend, und so gönne ich meinem Kind dieses Glück von Herzen.

Beim Umzug hab ich geholfen, indem ich bei der Planung (z.B. Strom anmelden, wie geht das?) quasi händchenhaltend zur Seite stand, sprich neben dem Kind, das den Umzug plante, am Rechner saß und mit über die Angebote guckte. Und am Umzugstag selbst auch tatkräftig, durch Fahren des Transporters, den meine Tochter angemietet hatte. Die Möbel vor Ort hatte sie bereits mit Freunden zusammen aufgebaut, und beim Tragen der Umzugskisten half eine langjährige treue Freundin meiner Tochter, was das Ganze zu einem Unternehmen machte, das sowas wie Aufbruchsstimmung und Freude verbreitete, obwohl es am Umzugstag selbst in Strömen regnete, und zwar den ganzen Tag.

Christine Finke
Christine Finke im Umzugswagen – eins der wenigen Selfies, die ich von mir mag

Ich war nicht traurig bei der Rückfahrt, sondern glücklich, dass alles so gut geklappt hatte, und dass meine Große es so gut getroffen hat. Sie hat mir auch nicht gefehlt abends oder die Tage darauf, weil es ja WhatsApp gibt und wir uns vorher auch nicht ständig gesehen haben, denn meine Große hatte sich aufgrund der oft explosiven Lage Zuhause (autistische Schwester, 10, und pubertierender Bruder, 13) ziemlich rausgezogen aus dem Familienalltag, was ich ihr wirklich nicht verübeln konnte.

Jetzt hat sie es gut, das weiß ich. Kein Geschrei streitender Geschwister mehr, was sie fürchterlich nervte, kein Türenknallen, keine Rivalitäten um meine Aufmerksamkeit, und vor allem nicht mehr das Gefühl, wenn ich als Mutter Mal nicht da bin, an meiner Stelle verantwortlich zu sein für die Geschwister. Das war ganz sicher für sie eine schwere Bürde, die sich leider aufgrund der besonderen Familienkonstellation nicht vermeiden ließ.

Von Empty Nest Syndrom keine Spur

Schade nur, dass ihr Zimmer quasi sofort okkupiert wurde, aber damit war zu rechnen. Wir haben hier ja aufgrund der Wohnungs- und meiner Finanznot nicht für jedes Familienmitglied ein eigenes Zimmer. In den vergangenen 1,5 Jahren teilte ich einen Raum mit der Jüngsten, damit der Sohn endlich seine eigenen vier Wände bekommt. Und Jüngste hatte noch nie ein eigenes Zimmer (außer bis zum Alter von 2, als wir noch in einer Doppelhaushälfte lebten), sodass sie nun sofort das fast leere Zimmer der älteren Schwester in Beschlag nahm, in dem noch ein Bett und ein großer Tisch stehen.

Wenn meine große Tochter also zu Besuch kommt, dann findet sie ihr Zimmer nicht mehr vor. Das ist schon ziemlich hart in der Schnelligkeit, in der es geschieht, finde ich, denn mein Kinderzimmer stand noch ziemlich lange so da, wie ich es verlassen hatte. Und irgendwie fand ich das beruhigend.

Empty Nest Syndrom

Aber ihr Bett steht hier noch, und wenn sie darin schlafen möchte, dann kann sie das jederzeit tun, dann kommt Jüngste wieder in ihr Himmelbett, das nun verwaist in unserem gemeinsamen Zimmer steht. Wie genau ich die Kinder und mich nun in der Wohnung verteile, wird mich in den kommenden Wochen beschäftigen, denn beide Geschwister sind scharf auf das leer gewordene Zimmer der großen Schwester, und da Rivalität hier ein sehr großes Thema ist, kann ich es quasi nur falsch machen oder selbst in das Zimmer ziehen, was ich aber eigentlich gar nicht möchte. Es ist also zwar mehr Platz hier, aber noch immer weit entfernt von entspannt.

Trotzdem merke ich, dass ein Stück weit eine Last von mir abfällt, auch wenn ausgerechnet die Große niemals eine Last war. Es ist schön, ein Kind groß bekommen zu haben, und zu sehen, dass es auf einem guten Weg ist.

Alleinsein ist kein Schreckenszenario

Auch die Seniorenkatze, die mit der Großen ausgezogen ist, fühlt sich nach anfänglicher Irritation in der neuen Wohnung ziemlich wohl – sie genießt den sonnigen Balkon und die Abwesenheit eines nervigen jungen Katers, der ständig nach ihr sprang, weil er so gerne spielen wollte. (Was sie stets nur mit mürrischem Knurren beantwortete.)

Aus 4 Menschen und 2 Katzen sind nun also 3 Menschen und 1 Kater geworden, und das ist für 89 m² eigentlich auch genug, zumal in einer Familie, in der ich die einzige Erwachsene bin. Nein, ich bin weit davon entfernt, einsam zu sein. Geschweige denn alleine. Aber alleinsein war ja noch nie etwas, was mich geängstigt hat. Es ist eher so, dass ich für jemanden, der so gerne alleine ist wie ich, erstaunlich viele Kinder und Katzen habe. Ich habe wirklich keine Angst davor, dass die Kinder irgendwann alle mal aus dem Haus sind – im Gegenteil.

Um ganz sicher zu gehen, dass Grumpycat nun weg ist und alles seins, hat mein Kater übrigens am Tag nach dem Auszug der Großen gleich mal gründlich das Bett markiert. Wenn hier irgendwann mal alle ausgezogen sind, dann spreche ich 1 Woche lang mit niemandem, tue nur, was ich möchte, und atme ganz tief durch. Bis dahin heißt es: durchhalten und auch noch die nächsten 9 Jahre Alleinerziehendenleben möglichst gesund und dank einer Mischung aus schwarzem Humor, Lebensfreude und unangebrachtem Optimismus überleben. Das wird schon alles.

3 Wochen im Schnelldurchlauf – was war los? (Ein Update)

Irgendwann kommt der Punkt, an dem du so lange nicht mehr gebloggt hast, dass du gar nicht recht weißt, wo du anfangen sollst. An dem hänge ich gerade fest. Na gut, knapp 3 Wochen mögen nicht lang sein, aber für mich ist das lang. Es ist so viel passiert!

Ich bin in den Gemeinderat von Konstanz wiedergewählt worden, schon Ende Mai, und kommende Woche gehen die Sitzungen dafür dann auch wieder los. Mein Revier wird weiterhin Soziales, Bildung, Inklusion, Vergänglichkeit (Friedhofsbeirat), Kinder und neu auch Kultur (stellvertretend) sein, und ich find’s ausgesprochen cool, dass meine Fraktion den höchsten Frauenanteil unter den Stadträten hat. Bei uns ist nämlich nur einer der 4 Räte ein Mann.

Es ist soweit: die Große zieht bald aus

Das große Kind (18) bereitet sich auf den Auszug vor, sie durchforstet das Internet nach Stromtarifen, Internetanbietern, guckt nach den Müllgebühren in Freiburg, wo sie zum Studieren hingehen wird, und plant vom Möbeleinkauf beim Ikea bis hin zum Umzugswagen alles, was dazugehört. Es wird bald losgehen, und dann ändert sich hier so einiges – ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn natürlich ist es schön, wenn wir endlich wieder jede/r ein eigenes Zimmer haben, aber das eigene Kind in einer anderen Stadt zu wissen, ist auch irgendwie komisch.

Die Wohnung, die meine Große beziehen wird, ist ein echter Glücksgriff: 1-Zimmer mit 27 m², neuer Küche und Bad mit stattlichem Balkon für einen Schnäppchenpreis, und die Katze darf auch gerne mit. Ja, Ihr habt richtig gelesen. Und das ganze noch in Straßenbahnnähe und schöner Wohnanlage. Daran gekommen ist sie durch eine Online-Anzeige, die sie selbst geschaltet hat, und der Vermieter ist sowas wie ein Geschenk des Himmels, denn nachdem er ihr die mündliche Zusage gemacht hatte, direkt nach der Wohnungsbesichtigung, hat er natürlich den Namen meiner Tochter gegoogelt. Das war der Moment, vor dem ich immer etwas Angst hatte. Was, wenn derjenige ganz viel über Kinderarmut und Alleinerziehende findet, und meine Kinder für mein politisches Engagement bestraft werden?

Es kam dann aber ganz anders. Von dem ursprünglich für die Wohnung veranschlagten Preis ging der Vermieter nochmal deutlich runter., einfach so, weil er ein guter Mensch ist. Und der eigentlich zur Wohnung gehörende Tiefgaragenplatz, den meine Tochter nicht braucht, aber eventuell hätte vermieten können, muss sie nun auch nicht mitmieten. Kaution? Achnee, muss nicht, schrieb er. Und dass er einfach wolle, dass sie es dort gut habe, nichts weiter.

Es ist alles gut so, wie es gekommen ist. Und ich beneide meine Tochter ein wenig darum, dass sie diesen Schritt tun darf, ins Leben ausziehen, mit allen Chancen noch vor sich. Sie wird das schon gut machen, und Freiburg ist zum Glück auch nicht so weit weg.

Beschulung von Jüngster – der Asperger Autistin

Mit der Jüngsten (10) habe ich vor ein paar Tagen endlich die weiterführende Schule besichtigt. Das hat so lange gedauert, weil sie gerade als Autistin nicht überall beschulbar ist, bzw. eigentlich nur eine Schule hier in der Stadt noch infrage kommt, nachdem die Regelschule trotz einer eigens dafür vom Jugendamt angestellten Schulbegleitung keine Option mehr war. Nun also eine spezielle Schule, für die sie aber den sonderpädagogischen Förderbedarf attestiert haben musste. Dafür aber braucht es die Unterschrift des zweiten Sorgeberechtigten, also des Vaters. Und der unterschrieb nicht, auch nicht, als das Jugendamt ihm mailte. Also musste ich die Unterschriftenersetzung vor Gericht per Eilbeschluss einklagen, was trotzdem noch 8 Wochen dauerte, aber dann immerhin klappte. Zu dem Termin erschien mein Exmann übrigens, obwohl er vorgeladen war, nicht. Und anwaltlich vertreten lassen hat er sich auch nicht. Immerhin quittierte die Familienrichterin dies damit, dass sie ihm die Gerichtskosten auferlegte – alles andere hätte ich aber auch empörend ungerecht gefunden. Und viel ist das auch nicht, was er zahlen muss.

Die Schulbesichtigung selbst lief gut, war aber auch von langer Hand und mit einem Runden Tisch in voller Besetzung (neben mir 3 Fachleute aus der Schule, Jugendamt und Autismusbeauftragter) vorbereitet worden. Es gab einen extra Termin, an dem niemand sonst im Haus war, und ich hatte alle Räume und auch den Hof vorher für meine Tochter fotografiert, damit sie sich schon mit dem Szenario anfreunden kann. Außerdem zeigte ihr ein Kind, das sie schon länger kennt, die Räume. Ob das ganze unter echten Bedingungen dann auch noch klappt, wird sich weisen. Ich bin jedenfalls mittlerweile ziemlich gelassen, was meine Erwartungen betrifft. Viele Dinge kann man nicht wirklich steuern, sondern nur begleiten.

Geld – endlich mal gute Nachrichten

Als ich vor einer Woche einen Brief der VG Wort aus dem Briefkasten fischte, und ihn öffnete, fiel ich fast rückwärts von der Holzbank, auf der ich immer im Wohnzimmer sitze. Denn da wurde eine stattliche Nachzahlung für mich angekündigt, eine vierstellige Summe, die fast für einen kleinen Gebrauchtwagen reichen würde, aber die ich in neue Möbel für die Kinder investieren werde. Und natürlich werde ich etwas zurücklegen, denn solch ein Geldsegen bringt immer eine wahrscheinliche Steuernachzahlung mit sich. Und nächsten März muss mein 16 Jahre alter Kia zum TÜV, dem ich sowieso schon etwas bange entgegensehe.

Aber es ist ein unglaublich schönes Gefühl, endlich mal keine Angst vor dem Blick auf den Kontostand zu haben. Auch, wenn ich das Geld, das mir die VG Wort überwies, früher in einem Monat verdiente, als ich noch fest in der Schweiz angestellt war. Und auch, wenn dieses Gefühl der Sicherheit natürlich nicht anhalten wird. Aber für den Moment genieße ich es. Jetzt freue ich mich auch auf den bevorstehenden Umzug innerhalb der Wohnung, wenn das Zimmer der Großen frei wird.

Urlaub – aus traurigem Anlass

Weil meine Mutter schwer an Krebs erkrankt ist, können meine Eltern ihren alljährlichen Sommerurlaub an der Ostsee nicht antreten. Aber beide meine Eltern meinten, ich solle doch mit den Kindern einfach einspringen, und das werden wir gerne annehmen. Wahrscheinlich wird sogar mein Bruder auch dort sein, mit einer seiner erwachsenen Töchter, und dann können wir trotz der bedrückenden Umstände vielleicht das Beste daraus machen. Meine Kinder freuen sich jedenfalls sehr auf die geplanten 10 Tage am Meer. Wir fahren an den Ort, an dem ich geheiratet habe, und mit dem ich viele schöne Erinnerungen verbinde. Die Kinder kennen ihn als Sommerresidenz der Großeltern aus beiden Familien, und wenn alles gut geht, treffen wir ganz viele Verwandte und Freunde.

Die eigenen Eltern alt werden zu sehen, ist übrigens nichts für Weicheier, aber das wusste ich auch schon, bevor es soweit war. Ich werde in nächster Zeit wahrscheinlich nicht nur meine drei Kinder im Auge behalten, sondern mich auch etwas um meine Eltern kümmern, soweit ich das leisten kann. Da mein Bruder auch nicht mehr in Freiburg wohnt, aber immerhin geografisch etwas näher an meinen Eltern dran ist, kann auch er sicherlich helfen, aber inwiefern er sich mit den hässlichen Seiten des Lebens beschäftigen will, kann ich nicht wirklich abschätzen. Kann sein, dass das an mir hängengleibt. Vielleicht haben wir beim gemeinsamen Urlaub an der Ostsee Zeit, das mal vorsichtig abzutasten.

Pflegeberatung, eine Matratze, und Männer

Die Pflegeberatung war vor ein paar Tagen hier, das ist bei der Pflegestufe meiner autistischen Tochter halbjährlich so von der Krankenkasse vorgesehen, und ich war überrascht über die gute Qualität der Beratung. Ich habe einen kleinen Stapel Infobroschüren und einige Tipps erhalten, und eventuell kommt sogar auf Kosten der Pflegekasse jemand mit einem Hund vorbei, um mit der Jüngsten spazierenzugehen, was ein echter Eisbrecher sein könnte. Sie liebt Hunde, besonders große, und wir haben zwei Katzen – mehr muss ich ja wohl nicht sagen.

Und ich habe eine neue Matratze, jawohl! Die haben mir meine Eltern zum Geburstag geschenkt, und ich freue mich seit 3 Nächten total darüber. Wenn ich dann wieder ein eigenes Zimmer habe, und Jüngste im Zimmer des Sohns wohnen wird, und der Sohn im Zimmer der Großen, dann kann ich endlich mal die Tür zu machen. Und vielleicht sogar jemanden heimlich abends reinlassen. Wir wohnen ja im Erdgeschoss. Aber vorher sollte ich mich wohl endlich mal wieder daran machen, mit offenen Augen durch die Welt zu laufen, was Männer betrifft. Ich hab da echt überhaupt keinen Kopf dafür! Naja, gut schlafen und abends im Bett noch lesen ist auch schön. Vielleicht belasse ich es lieber dabei. Never change a running system.

Ist Autismus ansteckend? Eine verstimmte Momentaufnahme

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Waren fremde Kinder schon immer so laut? Und muss der Mitarbeiter im Supermarkt mit dem scheppernden, vollbeladenen Rollwagen aus dem Lager unbedingt direkt auf mich zuhalten? Spielende Kinder vor meinem Küchenfenster probieren die Klingeln sämtlicher dort abgestellten Fahrräder aus, und ich schließe das Fenster, weil ich den Krach nicht ertrage.

Was ist mit mir los? Wieso bin ich so leicht reizbar, so empfindlich? Ich frage den Sohn, der mit mir im Supermarkt zum Einkaufen ist, ob ihn die herumtollenden, kichernden Kinder in den Gängen auch so stören, oder ob die heute besonders nervig sind. „Nein, Mama, die sind nicht lauter als sonst. Das liegt an dir“, gibt er mir zurück, und ich denke nach.

Das Leben mit autistischem Kind verändert mich. Ich bin nicht sicher, ob ich diese Veränderung mag, oder ob es überhaupt in meiner Hand liegt, sie zu steuern, denn ich habe das Gefühl, dass ich viel weniger filtere als vor der Diagnose, die meine Jüngste (10) Anfang des Jahres erhalten hat. Vorher war sie überempfindlich und verhaltensauffällig, jetzt ist sie Asperger Autistin mit relativ hohem Pflegegrad, und ich weiß eine Menge Dinge über diese „Entwicklungsstörung“, die unter anderem aus der Abwesenheit von Filtern besteht, und die eine neurologische Besonderheit ist.

Seitdem ich mir vorzustellen versuche, wie die Welt für mein autistisches Kind ist, tut sie mir ein bisschen mehr weh als vorher. Ich bin, in Ermangelung eines Autismus-Begleithundes, so etwas wie ihr Begleit-Mensch, sie ist auf mich angewiesen, und ich versuche, ihr Situationen, die sie besonders belasten, zu ersparen. Denn diese führen dann am Ende in einen sogenannten Overload, einen Überreizungszustand, und schlimmstenfalls zu einem Meltdown, was ein Zusammenbruch ist.

(Und nein, man muss autistische Kinder nicht abhärten, das führt nur zu hoffnungsloser Überforderung und Verzweiflung!)

Alles erscheint mir lauter seitdem, ich höre, sehe, fühle und rieche mehr Sachen gleichzeitig, meine Sinne sind geschärft. Das ist anstrengend, und ich bin nicht einmal mit einem autistischen Gehirn ausgestattet, ich bin nur empathisch. Es gefällt mir nicht, aber abstellen kann ich es auch nicht.

Kürzlich, als ich die weiterführende Schule für die Jüngste besichtigte, ertappte ich mich dabei, wie eine Mischung aus Spürhund und Security durch das Gebäude zu laufen. Wo sind die Fallstricke, gibt es Bilder, die ihr Angst machen würden, Gerüche, die sie überwältigen, verkraftet sie den Kontakt mit krakeelenden Kindergartenkindern, die denselben Eingang benutzen?

Ich habe gelernt, was alles nicht geht. Und gelernt, was stört, sie ängstigt, und in den Ohren wehtut. Ich fühle mit. Die Welt ist kein schönerer Ort, wenn man sie so erlebt. Ich spüre den Schmerz meiner autistischen Tochter, wenn ihr Bruder (13) mit ihr Streit anfängt, weil er nicht wahrhaben will, dass ihr Autismus für immer bleiben wird, und ihr Verhalten kein Schreien nach Aufmerksamkeit und Extrawürsten ist. Ihre Fassungslosigkeit über das, was er ihr an den Kopf wirft, tut mir körperlich weh. Gleichzeitig weiß ich, dass auch er Schmerzen hat. Niemand hat Schuld, aber das zu wissen ändert auch nichts.

Autismus ist nicht ansteckend, aber Gefühle schon. Als Mutter, zumal noch alleinerziehend, von mehreren Kindern, ist das ein echter Spagat. Ich fühle mit dem autistischen Kind, ich fühle auch mit den Geschwisterkindern, die sich benachteiligt fühlen, ich reiße mir ein Bein aus, damit alle halbwegs klarkommen, und trotzdem reicht es an manchen Tagen nicht. Vielleicht ist es wirklich zu viel für einen einzigen Menschen? „Möglicherweise nicht zu leisten“, wie die Frau aus dem Jugendamt ganz am Anfang des Hilfeprozesses fragend in den Raum stellte? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es so übermenschlich viel Kraft kostet. Und dass es keine einfachen Lösungen gibt.

Das Honorar ist da – und schon wieder weg: Investitionsstau

Vor drei Tagen kam mein Geld an, das Honorar fürs neue Buch bei der Stiftung Warentest. Kurz, ganz kurz, war ich reich.

Für alle, die nicht im Buchbusiness sind: Es ist üblich, dass die Autorin bei Vetragsabschluss einen Vorschuss erhält (etwa ein Drittel der gesamten Summe), und dann bei Abgabe des Manuskripts und bei Veröffentlichung den Rest des Geldes. Ich hatte also im Januar 2018 einen Teil erhalten, und nun, nach Rechnungsstellung, den großen Batzen.

Wobei groß, und das wissen alle AutorInnen, relativ ist – vom Bücherschreiben wird kaum jemand reich, es sei denn, es gelingt das Kunststück, einen Bestseller zu schreiben. Aber für den Moment fühle ich mich reich, denn ich kann endlich Dinge kaufen, auf die ich lange verzichtet habe, und die anzuschaffen eigentlich längst überfällig gewesen wäre. In der Politik nennt man das Investitionsstau, und da ich schon seit 5 Jahren Lokalpolitik mache, gehen mir die dazugehörigen Begrifflichkeiten doch irgendwie in Fleisch und Blut über, das lässt sich kaum vermeiden.

Eine Autorin mit altem Laptop auf der Holzbank – kein Klischee, sondern Realität

Vorgestern also habe ich, sofort nachdem ich meinen Kontostand gecheckt habe, ein neues Laptop bestellt. Das war eine große Sache für mich, und ich fiebere der Lieferung entgegen wie früher als Kind dem Weihnachtsabend. Mit mir fiebert die Jüngste, der ich schon vor Monaten versprochen habe, dass auch sie bald einen eigenen Computer bekommt – natürlich keinen neuen, sondern entweder meinen jetzigen, oder einen, den eventuell jemand aus dem Bekanntenkreis übrig hat. Sie will darauf nämlich Minecraft mit Mods spielen, und mit ihren Freunden auf Discord reden, was für sie als Autistin über weite Strecken angenehmer ist als der Kontakt mit Kindern im Real Life, die man nicht einfach auf „bin abwesend“ schalten kann, die man auch nicht sehen und riechen muss, und die sich leiser stellen lassen, das nur nebenbei.

In etwa einer Woche kommt mein neues Laptop, das dann hoffentlich auch wieder 4 Jahre gut seinen Dienst tut. Im 5. Jahr seines Betriebs ließ sich mein jetziger Rechner nur noch im Notmodus hochfahren, durch 30-sekündiges Drücken des Einschaltknopfes ohne Verbindung zum Netz, und darauffolgenden kurzen Druck auf „An“ mit Stromanschluss. Jeden Tag hatte ich Sorge, dass das nicht mehr geht, und jeden Tag klappte es trotzdem. Meine wichtigen Docs sind in der Cloud gespeichert, ich hatte vorgesorgt. Aber gutes, einer Autorin würdiges Arbeiten war das natürlich nicht. Zumal ich aufgrund unserer Wohnsituation (ich habe kein eigenes Zimmer, geschweige denn ein Büro hier im Home Office) auf einer Holzbank am großen Wohnzimmertisch aus Massivholz sitze.

Steuerklasse 2 sucks sobald das große Kind 18 ist und jobbt

Ein guter Teil also schon weg von dem schönen Geld, weitere 1000 € bereits bezogenes Kindergeld werde ich ans Finanzamt zurückzahlen müssen, weil die Große nach ihrem 18. Geburtstag und nach dem Abi nun jobbt, damit sie sich den Auszug leisten kann. Damit falle ich überdies aus Steuerklasse 2, obwohl hier noch 2 Kinder unter 18 leben, für die ich nicht einmal Unterhalt vom Vater der Kinder bekomme. Das ist absurd, aber so ist unser Steuersystem gegenüber Alleinerziehenden. Der Staat geht davon aus, dass sie als erwachsenes Kind einer Alleinerziehenden die Familie mit ernährt, dabei braucht sie das Geld selbst dringend, um Kaution, Umzug und erste Möbel anzuschaffen. Wie ungerecht das ist, wissen insbesondere alle Kinder, die in Familien mit Hartz IV Bezug aufwachsen. Ich würde meiner Großen gerne finanziell unter die Arme greifen für den Auszug, kann das aber nicht.

Außerdem werde ich 1000 € ans Jugendamt zahlen müssen, weil Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bei der Internatsunterbringung vom Sohn, die wir 2 Monate lang in Anspruch genommen haben, als mein Anteil an der Finanzierung eingefordert werden. Das ist okay, aber doch finanziell schmerzlich für mich – trotzdem war es einen Versuch wert, ich wollte das dem Sohn gerne ermöglichen. Dass er sich entschieden hat, lieber wieder Zuhause wohnen zu wollen, ist also einerseits schade, andererseits finanziell eine Erleichterung.

Das erste neue Fahrrad des Lebens, und Möbel müssen auch her

Ohne jetzt verraten zu wollen, wie hoch mein Honorar war, was ich ja auch rein vertraglich gar nicht dürfte, kann ich aber sagen, dass von dem „vielen Geld“ schon gar nicht mehr so viel übrig ist. Für ein neues Sofa wird es nicht reichen (unseres ist 7 Jahre alt und durch die intensive Nutzung mit 3 Kindern ziemlich verwohnt), wohl aber für ein neues Fahrrad für die Jüngste. Sie hat noch nie ein neues Fahrrad gehabt, immer nur gebrauchte, was eigentlich völlig in Ordnung ist, sich für sie aber ungerecht anfühlt. Jüngste Geschwister werden das nachfühlen können. Ich werde also ein nagelneues Kinderfahrrad kaufen, ihre große Schwester (18, damals 16) hat letztes Jahr bei Vertragsabschluss fürs Buch auch ein neues Rad von mir bekommen, dann soll die Jüngste (10) auch eines haben.

In den Europapark werden wir nicht fahren, das ist zu weit (3 h pro Fahrt), und viel zu teuer, da lassen wir als Familie nur für den Eintritt schon 200 €, das ist unfassbar viel Geld. Und mit Jüngster und dem Asperger Autismus weiß ich auch nie, wie lange es ihr irgendwo gefällt. Jeder Ausflug kann nach 5 Minuten vorbei sein, wenn ein Überlastungszustand eintritt, was in einem Freizeitpark ziemlich wahrscheinlich ist, selbst wenn es ihr ausdrücklicher Wunsch ist, dort hinzugehen. Stattdessen ist ein Ausflug in die benachbarte Schweiz geplant, wo wir ins „Connyland“ gehen werden, das kostet deutlich weniger und es ist nur 30 Minuten entfernt. Soviel Luxus darf ausnahmsweise mal sein.

Außerdem muss ich auf Möbel sparen, denn wenn die Große wie geplant im Sommer zum Studieren auszieht, dann werden wir hier die Zimmer neu sortieren. Bisher hat weder der Sohn noch die Tochter einen richtigen Kleiderschrank, und die Jüngste braucht einen Schreibtischstuhl, ein Bücherregal und ein kleines Sofa zum Höhlebauen. Ich selbst hätte nach 10 Jahren gerne eine neue ordentliche Federkernmatratze für mein großes Bett, die ist nämlich schon längst reif für den Sperrmüll. Dass sie lange als Familienbett und teils auch als Trampolin für Kleinkinder gedient hat, sieht man ihr deutlich an.

Damit ist mein Honorar schon mehr als ausgegeben. Das macht mich zwar ein bisschen traurig. Aber es ist auch schön, sich für ein paar Tage „reich“ zu fühlen. Alles ist vergänglich, der beruhigende Kontostand auch. War schön, dass Du da warst, Geld!

Finanzplaner Alleinerziehende Christine FinkeP.S.: Wer arm ist, sollte sich gut über Zuschüsse, staatliche Förderung, Steuern und seine Rechte informieren. Von daher kann ich euch meinen Finanzplaner (der eigentlich ein umfassendes Nachschlagewerk ist) sehr ans Herz legen.

Und alle, die nicht alleinerziehend sind und etwas Geld übrig haben, können den Ratgeber auch verschenken oder an Beratungsstellen spenden. Ich stelle gerne Kontakt her!

#12von12 im Mai 2019

Es ist Muttertag, das nur nebenbei. Und das erste Mal seit April 2018, dass ich wieder Zeit für die #12von12 finde.

Nach dem Ausschlafen springt der Kater auf meine Brust, das macht er immer – sehr lieb von ihm. Ich bin quasi gezwungen, noch etwas liegenzubleiben.

Der Sohn und die Jüngste haben gemeinsam Brötchen geholt. Fürs Muttertagsfrühstück. Dass ich den Muttertag abschaffen will, hält sie davon auch nicht ab, und gegen frische Brötchen habe ich wirklich nix.

Ich hole die #FAS aus dem Briefkasten und ziehe erstaunt die Augenbrauen hoch: Ausgerechnet dieses konservative Blatt titelt mit der Abschaffung des Muttertags? Drinnen ist, wie ich später lese, tatsächlich reichlich muttertagskritischer Content. Und der Artikel auf S. 4 hält den Tenor auch.

Während die Kinder eine Überraschung vorbereiten, muss ich in meinem – also Jüngstes und meinem Zimmer – warten. (Ich habe ja kein eigenes Zimmer.) Dabei bewundere ich die ersten aufgehängten „Malen nach Zahlen“ Bilder, die Jüngste über ihrem Bett aufgehängt hat. Huskies und Einhörner stehen hier gerade hoch im Kurs.

Und meine Muttertagsüberraschung ist: Eine rote Wachstischdecke für den Balkontisch, mit den von mir so geliebten Polkadots! Darüber bin ich so gerührt, dass ich tatsächlich ein Tränchen verdrücke. Das ist ja ein tolles Geschenk, auch wenn ich ausdrücklich keins wollte! Wir weihen die Tischdecke gleich mit einem Balkonfrühstück ein.

Nach dem Frühstück ist mir kalt – es ist sehr, sehr frisch heute in Konstanz gewesen. Statt Wonnemonat Mai ist es Wärmflaschenmonat Mai.

Der zweite Teil des Muttertagsgeschenks ist Johannisbeerlikör – das ist süß, weil ich den Kindern gelegentlich scherzhaft sage: „Ich brauche Schnaps!“, wenn es stressig oder nervig wird. Und weil ich weder Schnaps Zuhause habe noch jemals welchen trinke, ich finde Schnaps eklig.

Aber dass ich Johannisbeerlikör als junge Frau gerne mochte, habe ich mal erzählt. In Ermangelung von Likörgläsern trinke ich ein Gläschen aus einem der vielen auf irgendeine Art bei mir gelandeten kleinen Gläsern.

Im Bad schaut mich mein Schmuckständer vorwurfsvoll an. Ich habe ihn sehr lange nicht mehr entstaubt, und das mache ich jetzt.

Kein Wunder, dass er so staubig ist, denke ich, während ich meine Hände ansehe – ich trage keinen Schmuck mehr, bis auf meine kleinen Ohrringe, die ich dauerhaft im Ohr habe. Früher war das anders.

Draußen ist es so kalt, dass die Menschen, die am Balkon vorbei gehen, Winterjacken und Wintermützen tragen. Mich fröstelt.

Dem Kater geht’s wohl ganz ähnlich, er hat sich ins Schuhregal zurückgezogen. Das macht er nur, wenn er nicht so gut drauf ist.

Zum Abendessen gibt’s Spare Ribs, die ich gestern beim Wahlkampf auf dem Wochenmarkt gekauft habe. Und dann müssen wir auch bald ins Bett, denn morgen früh um 5:30 klingelt wieder der Wecker. Deswegen sind das auch nur 11 Bilder. (Hättet Ihr’s gemerkt!?)

Alleinsorgend: Die Sorgen mache ich mir ganz allein

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Liebes Büro, ich vermisse dich! (Ein Text über Sorgen. Und Sorgerecht.)

Ich wäre so gerne im Büro. Es fehlt mir, einen Arbeitsplatz zu haben, Kollegen und Freunde dort im Job, ein gemeinsames Ziel und Projekte, und natürlich fehlt mir auch das feste Gehalt. Ich bin nicht gerne selbstständig, wollte das auch nie sein, und schon gar nicht wollte ich am Wohnzimmertisch arbeiten, zum Drucken in den Keller gehen, und keine klare Grenze zwischen Zuhause und meiner Arbeit haben.

Aber ohne Arbeit kann und mag ich nicht sein, also arbeite ich von Zuhause aus. Zuhause warten die Sorgen, ich stehe mit Sorgen auf und gehe mit Sorgen ins Bett. Sie begleiten mich an meinen Schreibtisch und melden sich mal in Form von Bauchschmerzen, mal als Rückenschmerzen, mal als tiefer Seufzer, den ich nur bemerke, weil die Jüngste fragt: „Mama, was ist?“

Die Sorgen werden nicht kleiner, wenn die Kinder größer werden, das haben meine Eltern schon gesagt. Dass sie größer werden, erdrückender, das haben sie nicht gesagt, weil es auch nicht so war bei meinem Bruder und mir. Geldsorgen hatten meine Eltern auch nicht, und sie hatten einander. Sie hatten es gut, das sagen sie selbst.

Ich hingegen hadere. Ich hadere damit, dass ich sehr wahrscheinlich nie wieder in einem Büro arbeiten werde, weil es unwahrscheinlich ist aufgrund meines Alters (50+), und weil die Jüngste mich braucht. Ich muss abrufbar sein, jederzeit, wenn die Schule anruft, ich muss für sie da sein im Alltag, sie braucht mich als Autistin mehr als die anderen Kinder mich gebraucht haben. Und welche Schule überhaupt, wie soll das weitergehen? Niemand weiß, was zu tun ist, wohin mein Kind passt, welche Institution sie überhaupt aufnimmt. Zu allem Überfluss bin ich durch das gemeinsame Sorgerecht an die Unterschriften des Exmannes für alles mögliche gebunden, und der zahlt weder Unterhalt, noch unterschreibt er nötige Dinge für die Beschulung und andere Maßnahmen, sodass mein Eilantrag auf Unterschriftenersetzung seit knapp 3 Wochen beim Familiengericht liegt. Eine Vorladung wird folgen, und weitere Unterschriftenersetzungen sehe ich jetzt schon am Horizont, denn überall braucht es seine Unterschrift.

Eine Betriebsprüfung ist angekündigt, das ist Routine für Betriebe, die Minijobber beschäftig(t)en, aber nervig. Und albern, denn ich habe keine Firma, sondern bin Kleinunternehmerin. Die Steuer 2018 muss ich machen, und Kindergeld zurückzahlen, weil die Große anstatt sofort ein Studium aufzunehmen erstmal jobbt. Das muss sie auch, denn sonst kriegt sie nie das Geld für den Auszug (Miete, Kaution, Möbel) zusammen. Steuerklasse 2 ist futsch, weil sie noch hier wohnt – obwohl zwei weitere Kinder unter 18 Jahren bei mir leben. Dem Staat ist das egal, der sieht uns nun als Wirtschaftsgemeinschaft, die Große und mich. Natürlich will ich ihr nicht anteilig Miete und Lebenshaltungskosten abziehen von ihrem hart erarbeiteten Geld. Viel lieber würde ich ihr etwas dazugeben, aber das ist nicht drin.

Wie soll hier endlich mal Ruhe einkehren? Muss ich demnächst auch noch das alleinige Sorgerecht einklagen, damit ich umziehen kann, falls es hier in Konstanz für mich nicht weitergeht? Denn einfach so umziehen, zum Beispiel nach Freiburg, wo es ein Autismuszentrum gibt, eine größere Auswahl an Schulen, und ich Verwandte habe, darf ich auch nicht beim gemeinsamen Sorgerecht. Dass der andere Elternteil sich seit 10 Jahren nicht kümmert, spielt dabei keine Rolle. Isso, Gesetzeslage, Pech gehabt.

Das Internat vom Sohn, bei dem er die Schule liebt, aber das Vonzuhausefortsein hasst, wie soll es damit weitergehen? Finden wir eine andere Lösung, die ihm die nötige Ruhe und Sicherheit gibt, und bei der auch die Schule zu ihm passt? Und wie soll ich das Finanzloch stopfen, das trotz Förderung vom Jugendamt durch seine auswärtige Unterbringung bei mir entsteht? Sein Zimmer hier muss ja trotzdem weiterhin gezahlt werden, die laufenden Kosten bleiben. Schaffen wir es, dass Jüngste und er wieder zusammen hier wohnen, obwohl Fachleute sagen, das würde nicht gutgehen?

Und die Große: Wird sie eine Wohnung finden, und wie wird es ihr in der neuen Stadt ergehen, in der sie zum Studieren geht? Wie wird sie das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater verarbeiten und ihr Aufwachsen im Elternhaus bei mir, in dem ihr die autistische Schwester so oft den letzten Nerv geraubt hat, und in dem es an Leichtigkeit fehlte?

Meine Eltern sind alt, ich sorge mich auch um sie. Krankheit, Krankenhaus, Krebs, ich würde mich gerne mehr kümmern, aber wann und wie!?

Sorgen über Sorgen. Wie ich dabei für mich selbst sorgen soll, das ist die große Frage. Und wie lange meine Gesundheit das noch mitmacht, denn dass so eine Dauerbelastung nicht förderlich ist, kann ich mir ausrechnen. Ich hab keine Lust mehr, mit Sorgen aufzuwachen und mit Sorgen einzuschlafen. Sie sitzen auf meiner Schulter wie schwarze Raben, sie drücken aufs Gemüt, und das ist mir zu kostbar, um es den Sorgen zum Fraß hinzuwerfen.

Ich trage Sorge. Eigentlich müsste es nicht „Alleinerziehende“ heißen, sondern „Alleinsorgende“. Denn das bin ich. Die Sorgen mache ich mir ganz allein. Aber ironischerweise habe ich die alleinige Sorge nicht. Das ist doch alles bekloppt.