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S.O.S.! Alleinerziehend, krank, selbstständig

Am Samstagabend ging ich gegen 23 Uhr ins Bett. Als ich wieder zu mir kam, war Dienstag früh. Ich konnte nicht mehr aufstehen, alles tat weh, Kopfschmerzen aus der Hölle (die habe ich jetzt noch), Gliederschmerzen, Halsweh, das ganze Programm.

Obendrein Übelkeit, vielleicht der Kreislauf, egal, es ging mir so beschissen, dass ich einfach liegen blieb. Ich konnte niemanden anrufen, mich um nichts kümmern, der Weg zum Klo erschien wie eine Reise, ich habe vergessen zu essen, 2 Tage die Zähne nicht geputzt und das nicht einmal gemerkt, meine Brille nicht getragen, ich war nicht in der Lage, mich um die Kinder zu kümmern.

Zum Glück sind sie schon so groß, ich war auch schon krank, als die Kinder noch im Kleinkind- und Kindergartenalter waren, das war eine andere Hausnummer, da musste ich auch noch Angst haben, dass ihnen etwas passiert, oder den Po abputzen, wickeln, Essen machen. All das habe ich diesmal einfach ausgelassen, sie haben sich selbst darum gekümmert. Meine 15-Jährige, die das gleiche hat wie ich, hat getan, was sie konnte, sie hat diesen Infekt mit 2 Tagen Vorsprung bekommen und konnte also zumindest ein bisschen helfen. Aber die beiden Kleinen haben mit ihren 7 und 9 Jahren wirklich gut reagiert. Sie ließen mich schlafen. Kein Stress, kein Streit, ab und zu nachgucken, ob Mama noch lebt, das war alles.

Trotzdem mussten die beiden jüngeren Kinder natürlich zur Schule – Autofahren konnte ich aber nicht, das war ausgeschlossen. Als eine meiner lieben Nachbarinnen bemerkte, wie es mir geht, bot sie Hilfe an, und ich habe dankend angenommen. Röchelnd, um genau zu sein. Um Hilfe bitten hätte ich nicht können, dafür ging es mir zu dreckig. Immerhin stirbt man hier in diesem Wohnhaus nicht unbemerkt, die Nachbarn hören über die Kinder, dass Mama im Bett liegt, und fragen, ob sie etwas tun können.

Was am Montag klappte, ging aber am Dienstag schon nicht mehr, da wollte die Jüngste auf keinen Fall mit dem Nachbarn zur Schule fahren, obwohl dessen Sohn ihr Freund ist. Und ich hatte keine Kraft, mit ihr zu streiten. Was sollte ich denn tun? In der Schule anrufen und sagen, ich bin krank, das Kind will nicht mit dem Nachbarn gehen? Die lachen mich doch aus!

Also setzte ich mich im Bademantel, ungeduscht, kaputt und hässlich hinters Steuer und fuhr das Kind zur Schule. Es war mir so egal, ob mich jemand dabei sieht, ich bin sogar an der Schule ausgestiegen und habe dem Kind den Schulranzen aufgesetzt, damit es die letzten 100 Meter alleine gehen konnte. Beinahe wäre ich ohne Brille losgefahren, das habe ich zum Glück aber noch in der Tiefgarage gemerkt.

Das letzte Mal so krank war ich 1995 in Berlin, als ich alleine in einem Hinterhaus wohnte, in dem es noch keinen Telefonanschluss gab (ja, so was das damals in Mitte!), und ich schaffte es mit Müh und Not zum Arzt um die Ecke. Damals legte ich mir dann eins der ersten großen D2-Handys zu, mit denen man für 2 DM die Minute telefonieren konnte. Das war meine persönliche Notrufsäule. Heute sind die Kinder mein Notrufsystem, die alarmieren die Nachbarn, wenn etwas ist. Insofern habe ich meine Lage verbessert. Aber die Verantwortung, die ich heute trage, wiegt schwer. Ich kann nicht einfach krank sein und eine Woche ausruhen. Geht nicht, fertig, aus.

Und so sorge ich für Essen, Wäsche, Pausenbrot, spreche Mut zu bei Hausaufgaben, und halte rudimentäre Ordnung. Messerstechendes Kopfweh hin oder her. Ich lese meine Mails, das muss ich als Selbstständige, dafür bin ich am Dienstag extra aufgestanden, ich bin nur heilfroh, dass ich diese Woche keine wichtige Deadline habe. Und ich beneide alle, die in einem Angestelltenverhältnis mit Lohnfortzahlung krank sein können, ohne auch noch für drei Kinder da sein zu müssen. Das muss herrlich erholsam sein!

Mein Kopf tut weh. Genug geschrieben. Sonntag, das habe ich den Kindern angekündigt, bin ich wieder gesund. So wird es sein. Muss ja. Und anderen Alleinerziehenden geht es auch nicht viel besser, das weiß ich von einer Umfrage, die ich neulich bei Facebook zu Recherchezwecken gestartet habe. Ich bin eine von Vielen, die ganz alleine sind, wenn sie krank werden. Großer Mist ist das.