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Tagebuchbloggen vom 31. März 2015

7:50, der Wecker klingelt

Fast 10 Stunden schlafen und sich trotzdem wie gerädert fühlen, das schafft man, wenn sich drei Menschen ein Bett teilen, das 1,60 Meter breit ist und davon einer nachts um sich tritt und sich breit macht, der Zweite schon selbst 140 cm groß ist und sich der Dritte ganz, ganz klein macht, nämlich ich. Wenn ich damals im Nachtzug nach Spanien, als ich im Gepäcknetz schlief, gewusst hätte, dass es noch viel unbequemer geht, hätte ich die nächtliche Zugfahrt vielleicht als weniger strapaziös empfunden. Oben in einem Gepäcknetz tritt einen wenigstens keiner.

9 Uhr

Die Jüngste (6) hat sich ohne Meckern in die Kita bringen lassen, ein Glück. Aufstehen wollte sie zwar noch nicht, aber die neuen lila Klamotten, die uns eine Leserin geschickt hat, bewogen sie dann doch, um 8:30 mein Bett zu verlassen und sich anzuziehen. Sie sieht wirklich süß aus in diesen Sachen, und so sehr ich mich freue, so sehr schäme ich mich, dass mir nun auffällt, wie schäbig meine Kinder oft angezogen sind. Dieser Gedanke macht mich traurig. Obendrein fühle ich mich blöd, weil mich schöne neue Anziehsachen traurig machen. So sollte das doch nicht sein.

Ich hätte auch die Kinder nicht zwischen Aufstehen und Frühstück mit „Ich brauche mal Urlaub. Und zwar ohne euch!“ anbölken sollen. Ich spüre, wie der Sohn (9) zusammenzuckt, der Jüngsten ist es eh egal, was ich sage, und die Große (14) steckt in ihrem Zimmer. Es trifft den Falschen und nützt niemandem, wenn ich so etwas sage. Ich fühle mich grauenhaft und möchte eigentlich gerne losheulen. Was aber auch nicht geht, ich kann doch jetzt vor den Kindern nicht rumheulen, dann bekommen sie noch ein schlechtes Gewissen und wollen mich trösten. Wann habe ich eigentlich das letzte Mal geweint? Ich weiß es nicht. Aber eins weiß ich: es ist auf Dauer nicht gesund, sich das Weinen nicht zu gestatten oder keine Zeit dazu zu haben.

Draußen stürmt es, ich hasse Sturm, der bringt alles durcheinander, die Haare, Dinge, Äste fliegen, und laut ist er auch. Naja, passt immerhin zu meiner Stimmungslage.

olivenbaum sturm

 

11 Uhr

Kaffee getrunken, nasse Wäsche aufgehängt, Wäsche zusammengelegt und gefaltet, gestaubsaugt. Mails habe ich auch gelesen (wow – zum ersten Mal antwortet meine Mutter auf eine Mail, die ich an meinen Vater schrieb. Das ist ja toll!), die twitter Timeline nachgelesen, Facebook und die Lokalzeitung im Internet gecheckt, jetzt bearbeitet ich einen PR-Text, den ich gegen Mittag an den Kunden mailen möchte. Da es sich nur noch um Feinschliff handelt, geht das schnell. Außerdem tut es mir gut: Arbeiten erdet mich immer.

Der Sturm wirft einen meiner beiden Olivenbäume um, obwohl der sonst immer im Windschatten steht, dort wo ich ihn platziert habe. Na toll, nun ist der Tontopf zerbrochen. Ich zwinge mich dazu, den positiven Aspekt zu sehen, nämlich dass ich das Bäumchen nun umtopfen muss, was eh längst fällig war. Und ärgere mich trotzdem. Mein Ex-Mann liebte Sturm. Wieso fällt mir das jetzt auch noch ein!?

12:30 Uhr

Der Kühlschrank ist leer, wir brauchen dringend Milch und allerlei Zeugs, und da ich um 15:15 Uhr ein Interview geplant habe und um 16:30 die Jüngste aus der Kita abholen will, der ich versprochen habe, danach mit ihr ins Schwimmbad zu gehen (das ist auch schon wieder Monate her, ich mache so etwas viel zu selten mit meinen Kindern, schlechtes Gewissen stellt sich automatisch ein), ist das mein Zeitfenster für den Lebensmitteleinkauf.

Aber eigentlich will ich mich wieder ins Bett legen und schlafen, endlich erholsam schlafen, dann geht vielleicht auch das flaue Gefühl im Bauch weg. Ich kenne dieses Gefühl, ich hab’s oft in den Ferien und ganz massiv damals, nach der missglückten Kur. Es ist ein Warnzeichen, ich muss aufpassen, denn zusammenbrechen ist keine Option. Bisher habe ich immer noch die Kurve gekriegt. Ein Restrisiko, dass ich meine Kräfte irgendwann falsch einschätze, bleibt. Aber ich weiß, dass es ganz vielen Alleinerziehenden nicht besser geht. Nicht umsonst sind wir die Bevölkerungsgruppe mit nicht nur dem höchsten Armutsrisiko, sondern auch einer besonders hohen Burn-Out Gefährdung.

Der Text an den Kunden ist raus, ich mache dem Sohn schnell Dampfnudeln mit Vanillesoße warm, damit er nicht verhungert, und fahre los zum Einkaufen.

Einkauf

 

14:30, wieder zuhause

Ich schleppe die Einkäufe, nämlich schwere Tontöpfe, 20 Liter Blumenerde, die Lebensmittel und das obligate Klopapier, vom Auto nach Hause. Das sind zwar nur 100 Meter vom Tiefgaragenplatz, aber mit zwei feuerfesten Stahlüren dazwischen. Weil ich mich heute mies fühle, kommt mir der Weg noch viel länger und beschwerlicher vor als sonst. Ich hab’s so satt, immer alles alleine zu tragen. Leise vor mich hin fluchend stelle ich die Einkäufe in der Küche ab und merke, dass ich furchtbaren Hunger habe.

Unter Stress vergesse ich das Essen, und das ist gar nicht gut. Heute hatte ich erst Tee und Milchkaffee, zwar mit reichlich Milch und Zucker, aber das ist ja kein Essen. Also mache ich mir nun ein Körnerbrötchen mit Käse. Und zwar liebevoll, mit Kresse, Tomaten, französischer Meersalzbutter. Das tut gut. Und schmeckt.

mittagessen

 

Ich frage mich ernsthaft, wer sich für meine getippten Belanglosigkeiten interessieren wird und warum, aber eigentlich ist das egal, denn es ist ja Tagebuchbloggen. Meins.

Bevor ich das für 15:15 verabredete Interview führe, topfe ich noch die beiden Oliven um. Hübsch sieht das aus, in fertig.

16:15 Uhr

Das Interview war gut. Erstaunlich, wie man quasi auf Knopfdruck präsent, gut gelaunt und interessiert sein kann, wenn’s um Berufliches geht.

Ich packe die Schwimmtasche und hole die Jüngste von der Kita ab. Und weil ich mir heute dringend etwas Gutes tun muss, beschließe ich, dass wir in die Therme gehen und nicht in das wesentlich günstigere Sportbad. Das bedeutet 24 € Eintrittsgeld für eine Familienkarte anstatt nur 4,50 € für Jüngste, den Sohn und mich mit dem Sozialpass in die Schwimmhalle. Aber wir machen das so selten, vielleicht 2 Mal im Jahr, es muss jetzt mal drin sein. Ich schmiere uns Brote, dann müssen wir dort wenigstens nicht zu essen kaufen. 3 € fürs Parken kommen ja auch noch obendrauf.

Therme Konstanz

 

Umkleide im Schwimmbad

 

19:30 Uhr

Sauber, müde, entspannt. Wir haben zwei Regenbogen gesehen, einen vom Außenbecken aus, und einen auf der Heimfahrt. Die Kinder waren beschämend glücklich, mal wieder in die Therme zu dürfen, das ist für sie etwas ganz besonderes, der Sohn war zuletzt mit seinem Papa dort, das ist also über 15 Monate her.

Nun noch diesen Text publizieren und dann ist auch dieser Tag geschafft. Ging ja dann doch noch. Aber eins will ich allen noch deutlich sagen, die denken, ich wuppte unser Leben einfach so:

Ich schramme oft haarscharf an der Erschöpfung vorbei. Weder habe ich besonders viel Kraft noch bin ich tapferer als andere. Ich bin nur sichtbarer durch mein Schreiben.

Therme Aussenbecken