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Tagebuchbloggen vom 9. Juli 2015

7:20 Uhr, Aufwachen vor dem Wecker

Puh, ich fühl mich nicht. Nachts lag ich wach mit Halsschmerzen und Gedanken, jetzt spüre ich jede Haarwurzel und weiß, ich werde mich nicht ausruhen können. Am Abend ist eine Gemeinderatssitzung, der Tag voller Dinge rund um die Kinder, die erledigt werden müssen. Und arbeiten sollte ich auch noch nebenbei. Also auf geht’s: Frühstück für die Kinder machen, Tee für mich. Duschen, anziehen, Waschmaschine anstellen. Der Sohn liest inzwischen der Jüngsten aus einem Star Wars Buch vor, es ist total rührend, die beiden zu sehen, denn eigentlich mag der Sohn lesen nicht. Aber heute hat er offenbar Lust dazu. Um 8:27 verlassen wir das Haus, denn heute müssen wir erst zur zweiten Stunde los. Aber vorher starte ich noch den Rechner und schaue bei twitter vorbei. Wie jeden Morgen.

Im Hausflur spricht mich ein Nachbar an, er habe mich schon wieder in der Lokalzeitung gesehen (gestern, wegen der Lesung und Diskussion zum Thema Vereinbarkeit, an der ich teilnahm), er komme gar nicht mehr hinterher mit dem Lesen. Ich lache und sage, es gehe mir genauso, und das ist die Wahrheit. Mein Nachbar schaut ungläubig drein. Aber der weiß ja auch nicht, was für ein Riesenbohai ich mir mit der Aktion, die Bundesjugendspiele abschaffen zu wollen, angelacht habe.

9 Uhr, Kita

Es ist nicht lustig, eine 6-Jährige zuhause zu haben, die dringend in die Schule möchte, und zwar sofort. Der Kindergarten ist nämlich blöd. Und mein willensstarkes Kind ist weder mit Argumenten noch mit Druck zu überzeugen, dass sie bis Ende Juli noch in den Kindergarten zu gehen hat. Heute ist es wieder mal besonders schlimm, erst will die Jüngste nicht aus dem Haus, dann das Auto nicht verlassen und in die Kita gehen, danach macht sie Riesenrabatz im Flur der Kita. Mich macht das so müde. Andere Kinder gehen über Jahre ohne Stress einfach rein in den Kindergarten und winken noch fröhlich. Nicht meine Jüngste, schon gar nicht heute.

Zum Glück eilt mir eine Erzieherin zur Hilfe, als das Kind anfängt, massiv auf mich einzuschlagen vor Wut. Sie erinnert meine Tochter daran, dass sie im Werkraum noch etwas fertigbasteln wollte. Das Kind kommt zur Besinnung und ist auf einmal total umgänglich. Trotzdem fühle ich mich geschwächt. ich habe immer so viel um die Ohren, warum kann nicht wenigstens so etwas Alltägliches wie der Abschied in der Kita einfach sein!?

Knapp 10 Quadratmeter eigenes Reich.
Knapp 10 Quadratmeter eigenes Reich. Mitohne Kleiderschrank.

10 Uhr, am Schreibtisch

Social Media gecheckt, E-Mails beantwortet, die Lokalzeitung online gelesen. Ich trinke Milchkaffee. Um 10:30 muss ich schon wieder aus dem Haus, denn am Donnerstag hat der Sohn nur bis 10:10 Schule, weil er nicht getauft ist und somit nicht in Reli muss. Alternativ könnte er im Rahmen der „verlässlichen Grundschule“ in einer Nachbarsklasse sitzen und Hausaufgaben machen, aber das findet er nicht so prickelnd, was ich verstehe. Also darf er nach Hause. Was wiederum ich nicht so prickelnd finde. Aber nun ist das Schuljahr ja auch fast rum.

Ich hänge noch schnell die Wäsche auf, dann ist die heute Abend trocken. Beim Wäscheaufhängen fällt mir auf, wie unglaublich schmutzig mein Schlafzimmerfußboden ist (ins staubige Bücherregal gucke ich gar nicht erst!). Da wische ich eben auf Knien mit Küchenkrepp und Wasser drüber und denke wehmütig an die Zeiten, als ich noch eine Putzfrau hatte. Damals. Als ich in der Schweiz viel Geld verdiente und den ganzen Tag außer Haus war.

Stephansplatz, Konstanz. Mit Hotel Graf Zeppelin.
Stephansplatz, Konstanz. Mit Hotel Graf Zeppelin, Stephansschule und meinem Auto (das kleine ganz links).

An der Grundschule sieht es aus wie auf einem Wimmelbild. Die große Pause ist laut und bunt. Der Sohn steigt zu mir ins Auto, wir fahren noch rasch in die Stadt, denn ich muss Geschenke für anstehende Kindergeburtstage kaufen, ein Foto für einen Erzieherinnenabschied ausdrucken (wir haben keinen Farbdrucker) und Sonnencreme für die Kita nachkaufen. Schwupps, ist es

12:20 Uhr, wieder am Schreibtisch

Zu Mittag gibt’s ein Fleischkäsbrötchen für den Sohn und einen Laugenknoten mit Käse für mich. Die Große will heute in der Stadt essen, die Jüngste in der Kita – jetzt habe ich noch gut 1,5 Stunden, bis ich um 14 Uhr das Haus verlassen muss für das Abschlussgespräch mit der Ergotherapeutin des Sohns. Es war nervig, das vergangene Jahr jeden Donnerstag um 14:15 in der Stadt bei der Ergo zu sein, das kostet mich einen Nachmittag, an dem ich arbeiten könnte. Aber ich habe oft Unterlagen für den Gemeinderat mitgenommen, um die Zeit wenigstens auf diese Art zu nutzen. Heute aber gehe ich ohne den Sohn zur Ergotherapeutin, denn wir sprechen ja über ihn.

Meine Halsschmerzen werden besser, jetzt habe ich so eine Art Frosch im Hals und Watte im Kopf. Aber ich denke, das ist morgen vorbei, ist nix Wildes. Ich nehme eine Aspirin. Davon brauche ich keine 5 Stück im Jahr, heute darf das mal sein. Ich versuche, den ausgefallenen Milchzahn mit Blutresten, der auf meinem Schreibtisch liegt, zu ignorieren und konzentriere mich auf den Text, den ich noch überarbeiten muss. Allerdings kommen per Mail zwei Anfragen rein, die ich lieber gleich beantworte. Und dann klingelt auch noch das Telefon, eine Kollegin will mit mir plauschen. Ich wimmele sie freundlich ab. Jetzt aber, arbeiten!

Oh. Die Große kommt überraschend doch vorbei, sie möchte lieber mit einer Freundin zuhause Spiegeleier braten. Ich habe nix dagegen, aber da unsere Küche offen ist und direkt neben dem Wohnzimmer, fehlt mir nun die Ruhe zum Schreiben. Dann vertage ich das also auf morgen, heute wird das eh nix mehr.

Stadträtin
Stadträtin

15:00, Zwischenstopp Zuhause

Zurück aus der Ergopraxis, ich stehe vor der Rollgarderobe und überlege, was ich anziehe, denn gleich ist Gemeinderatssitzung. Um 15:40 muss ich spätestens los, ich werde mit dem Rad fahren, drum schaue ich misstrauisch zum Himmel. Auf alle Fälle muss ich die Schuhe putzen, die Pumps trage ich so selten, dass sie fast einstauben. Wird es heute noch regnen? Und wie kalt ist es um 21 Uhr, wenn ich von der (heute nur kurzen, weil Sonder-)Sitzung nach Hause radle? Ich fahre etwas früher los, damit ich noch zur Post kann, ein paar Briefe aufgeben.

Auf dem Weg zum Gemeinderat halte ich auf der Fahrradbrücke an, um ein Foto zu machen. Ein Herr bleibt freundlicherweise zurück, um nicht ins Bild zu geraten. Als ich mich bei ihm bedanke, sehe ich, dass es ein ehemaliger Lehrer der Großen (14) ist. Er spricht mir ungefragt seine Unterstützung für meine Aktion zur Abschaffung der Bundesjugendspiele zu. Ich mochte den Mann schon immer, ein künstlerischer Freigeist (nicht dick, nein! Sportlich!). Nach wie vor bin ich bass erstaunt, dass scheinbar niemand nicht mitbekommen hat, dass darüber in den vergangenen 14 Tagen diskutiert wurde. Wahnsinn.

Historisches Rathaus Konstanz
Historisches Rathaus Konstanz, Ort der Gemeinderatssitzungen

16 Uhr, Gemeinderat

Wir wählen heute zwei neue Amtsleiter: den/diejenige fürs Sozial- und Jugendamt und einen fürs Rechnungsprüfungsamt. Insgesamt vier Kandidaten stellen sich vor in dieser letzten Runde (vorher gab’s schon Findungskommissionen und reichlich Sitzungen), es wird geheim gewählt, aber in öffentlicher Sitzung. Das ist immer sehr spannend. Aber es dauert, und obwohl die Tagesordnung kurz ist, währt die öffentliche Sitzung bis kurz vor 21 Uhr. Auch die Information der Feuerwehr über unser am Wochenende komplett und spektakulär abgebranntes Hallenbad nimmt einige Zeit in Anspruch. Danach informiert die Bädergesellschaft über Wiederaufbau und Versicherungsfragen.

In einer Sitzungspause spricht mich eine Amtsleiterin wohlwollend auf die Abschaffung der Bundesjugendspiele an. Ein Ratskollege attestiert mir das Talent, mich mit Themen in Szene zu setzen (das war nicht nett gemeint).

Den nicht-öffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung lasse ich ausfallen, denn ich habe meiner Babysitterin versprochen, sie um 21 Uhr abzulösen. Es steht auch nichts wirklich brenzliges auf der Tagesordnung, sodass ich ruhigen Gewissens gehen kann. Die anderen Ratsmitglieder tagen weiter. Es ist das erste Mal, dass ich früher gehe, es fühlt sich komisch an. Aber so ist das halt, ich habe auch zuhause Verpflichtungen.

sonnenuntergang rheinbrücke
Fast 21 Uhr, Fahrradbrücke über den Rhein, Konstanz

21:30 Uhr, Feierabend

Pünktlich um 21:02 habe ich die Kindersitterin abgelöst. Die Kinder sind noch wach, meine Kindersitterin hat sich bestens gekümmert, und ich schenke mir nun eine Weißweinschorle ein. Kochen oder essen muss ich nicht mehr, in der Gemeinderatssitzung gab’s belegte Brote, Frikadellen und Obst. Das reicht für heute. Ich gucke noch ins Internet, schreibe diesen Beitrag fertig und arbeite die Fotos ein. Um 23:30 Uhr schalte ich den Rechner aus und gehe sehr müde ins Bett. Es war ein guter Tag.