Die Herausforderungen wechseln ständig: ein ironischer Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in verschiedenen Stadien des Lebens.
Vereinbarkeit für Kinderlose (Stadium 1)
Setting: 1-2 Erwachsene
Am Wochenende ist ein Musikfestival in der Heimatstadt, da könnte man mal wieder alte Freunde, den Bruder und die Eltern treffen. Andererseits wäre das Grillfest mit den Leuten vom Sportverein auch bestimmt toll. Oder lieber die Einladung der Studienfreundin annehmen, die nun in Berlin wohnt?
Furchtbar, diese Entscheidungen. Da hängt ja einiges dran: man muss überlegen, ob man am Freitag vorarbeitet und ob man am Montag nach dem Ausgehwochenende eventuell zu schlapp ist für den Kinoabend, der ist schließlich fester Bestandteil des Terminkalenders.
Vereinbarkeit für Anfänger (Stadium 2)
Setting: 2 Erwachsene, 1 Baby
Diese Müdigkeit. Diese bleierne Müdigkeit, die sich über alles legt. Aber immerhin seid Ihr zu zweit, da kann man sich die Sachen aufteilen. Der Haushalt ist nicht so das Ding des Mannes, seitdem das Baby da ist. Er muss sich ja abends auch ausruhen und zum Stillen aufzustehen kann er dir nicht abnehmen. Trotzdem: er wickelt das Baby, er füttert es, er schmust und spielt mit ihm – ein toller Vater.
Einen festen Job hast du gerade eh nicht, du bist in Elternzeit. Ist doch eigentlich alles ganz gut vereinbar. Nur blöd, dass du eigentlich abends dem Mann das Baby in die Arme drücken willst, damit du endlich mal etwas essen kannst, und er meint, du hättest dich den ganzen Tag prächtig ausgeruht und genügend Zeit für dich gehabt. Er hat ja keine Ahnung!
Vereinbarkeit für fortgeschrittene Anfänger (Stadium 3)
Setting: 2 Erwachsene, 1 Kleinkind, 1 Baby
War ja eigentlich Pipifax, als nur ein Kind mit im Haushalt lebte. Die Elternzeit hast du verlängert, weil das finanziell schlau ist, und der Mann ist im Beruf nicht abkömmlich. Er verdient mehr, klar, das muss man einsehen.
Es ist gar nicht so einfach, das Kitakind immer rechtzeitig zum Morgenkreis zu bringen, weil das Baby immer zur Unzeit schläft. Und wenn ein Kind krank ist, müsste eigentlich der Mann sich um das andere kümmern, aber der kann ja auch nicht in der Firma fehlen, wenn du mit Magendarm überm Klo hängst, und dich morgens und abends in die Kita schleppst, um das Kind zu holen und zu bringen. Ein Glück, dass das Baby noch viel schläft.
Vereinbarkeit für leicht Fortgeschrittene (Stadium 4)
Setting: 2 Erwachsene, 1 Schulkind, 1 Kitakind, 1 Krippenkind
Du bist wieder in den Beruf eingestiegen, in Teilzeit (oder mit Au-Pair/Kinderfrau und Putzfrau, was das Vollzeit-Gehalt komplett vernichtet). Mehr ist nicht drin, die Kinder haben so viele Termine und unterschiedliche Zeiten und Orte, an denen sie sein wollen bzw. müssen. Einladungen zum Kindergeburtstag unter der Woche bringen deine komplette Planung ins Schleudern und dich ins Schwitzen. Basteln für die Schule und Hausaufgaben wollen auch erledigt werden.
Immerhin ist die elende Windelwechselei vorbei, und alleine essen können die Kinder auch. Die ständigen Ferien nerven: Schulferien alle naselang, und insgesamt 14 Wochen im Jahr. Kitaferien 3-4 Wochen pro Jahr, die Krippe hat andere Schließzeiten als die Kita, und die Anfangszeiten der drei Institutionen sind wenig flexibel. Manchmal überlegst du, wann du zuletzt im Kino warst und kannst dich nicht erinnern.
Zum Glück sind die Kinder nicht mehr ständig krank wie in den ersten Monaten von Krippe und Kita. Aber dafür wollen sie nun in den Fußballverein, zur Musikschule oder zum Ballett gefahren werden. Die ersten Termine beim Kieferorthopäden für eine Zahnspange und Ergotherapie stehen an.
Die Kinder haben sich daran gewöhnt, dass du dich um alles kümmerst und dein Mann verwirklicht sich beruflich. Du selbst bist heilfroh, wenn du mal in Ruhe im Büro sitzt und arbeiten kannst. Unter Erwachsenen. Herrlich!
Vereinbarkeit für Fortgeschrittene (Stadium 5)
Setting: 1-2 Erwachsene, 2-3 Kinder diversen Alters, 2 feste Jobs
Mittels Küchenkalender, Post-Its am Kühlschrank und Online-Kalendern habt Ihr den Familienalltag im Griff. Gut, machmal rutscht ein Termin durch, aber das ist dann auch halb so wild. Solange die wichtigen Dinge wie Schule, Arbeit und Arzttermine eingehalten werden, fühlt Ihr euch gut organisiert. Ihr habt erst ein Mal vergessen, ein Kind von der Kita abzuholen, das passiert schließlich jedem Mal. Oder?
Außerdem habt Ihr euch mittlerweile ein Netzwerk an Retterchen aufgebaut, die einspringen, wenn wirklich mal keiner Zeit hat, Kind 3 von der Kita abzuholen oder Kind 2 noch dringend ein Schulheft bis morgen braucht, Ihr aber an keinem Laden vorbeikommt.
In den Ferien sind die Kinder im Hort, Ferienlager, bei Oma & Opa oder einfach zuhause, die Zeit geht schon irgendwie rum. Immerhin habt Ihr genug Geld, um euch gelegentlich einen Babysitter zu leisten. Aber dann geht Ihr nicht ins Kino, sondern romantisch essen. Und redet über die Kinder. :)
Im Märchen und in manchem Familien ist dies das Endstadium. Alternativ kann aber auch Stadium 6 einsetzen.
Vereinbarkeit für Profis (Stadium 6)
Setting: 1 Erwachsener, Selbstständigkeit/Schichtarbeit/Sonstiges, 2-3 Kinder.
Das mit der Ehe war doch nix – dumm gelaufen. Nun darfst du dich um alles alleine kümmern, aber eigentlich hattest du das in den Jahren vorher auch schon getan und nur nicht so bemerkt, weil dein Partner dir gerne suggerierte, er würde sich doch so gut einbringen. Eine Pflicht, sich um die eigenen Kinder zu kümmern, gibt’s nicht, und insofern wirst du – wenn überhaupt – nur nach Lust und Laune vom Ex entlastet.
Leider hast du deinen festen Job betriebsbedingt verloren und keinen neuen mehr gefunden, und drum schlägst du dich nun als Selbstständige durch. Oder du arbeitest Vollzeit im Schichtbetrieb als Krankenschwester, hast eine vom Staat bezahlte Tagesmutter, einen Hortplatz, einen Ex-Mann, mit dem es halbwegs klappt, und trotzdem nie Zeit für dich. Oder es ist noch anders, auf keinen Fall aber einfacher. Ins Kino zu gehen hast du fest vor – wenn die Kinder aus dem gröbsten raus sind, so in 5 Jahren.
Du bist Meisterin im Improvisieren, Umplanen und tief Durchatmen. Denn zaubern kannst du nicht, nur tun, was möglich ist.
„Dann ist das halt so“ wird zu deinem Mantra. Und es geht dir gut damit.
P.S.: Ähnlichkeiten mit meinem Leben sind rein zufällig. Ich habe 3 Monate nach der Geburt des ersten Kindes Vollzeit gearbeitet, abends, nachts und morgens das Kind betreut, und hatte einen Selbstständigen als „Hausmann“. Elternzeit hatte ich nie.