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Alleinerziehend: „Solo, selbst und ständig“ von Anne Dittmann

Als Anne Dittmann sich im August 2016 trennte, nein für sie völlig überraschend erfuhr, dass ihr Partner und Vater des gemeinsamen Kindes sich von ihr trennen wollte, brach erstmal eine Welt zusammen.

Ihr Kind war etwas über ein Jahr alt, und eine der ersten Erfahrungen als nun plötzlich Alleinerziehende war, dass sie, anders als die Welt, nicht auf der Stelle zusammenbrechen konnte, sondern noch mit dem Kind den normalen Alltag bis zur Schlafenzeit durchstehen musste. Geweint hat Anne dann später. Das war so etwas wie der Kaltstart ins Leben als Alleinerziehende, und wäre Annes Leben ein Film, dann würde ich ihn auch genau so anfangen lassen, wie dieses Buch beginnt.

Alleinerziehend: Manche Dinge ändern sich – manche bleiben gleich

Die frisch getrennte Anne muss feststellen, dass weder ihre persönliche Umgebung, noch Staat und Gesellschaft in der Lage oder willens sind, sie in dieser schwierigen Situation gut aufzufangen, und offenbar hat sie mein damals frisch erschienenes Buch „Allein, alleiner, alleinerziehend“ gelesen, denn dieser Satz von mir ist ihr haften geblieben, und taucht gleich auf S. 26 als Zitat in Anne Dittmanns Buch auf: „Der einzig akzeptable Grund dafür, eine alleinerziehende Frau zu sein, ist durch einen tragischen Schicksalsschlag zur Witwe geworden zu sein.“ Ich fürchte übrigens, der Satz stimmt immer noch, und dass das auch noch eine Weile so bleiben wird.

Inzwischen sind fast 7 Jahre vergangen, Anne Dittmann hat sich eine erfolgreiche Selbstständigkeit als Journalistin aufgebaut und pflegt eine gute Beziehung zum Vater des gemeinsamen Kinds und dessen neuer Partnerin. Aber ihren kritischen Blick auf die Strukturen hat sie sich nicht nur bewahrt, sondern geschärft, und so schafft sie es in diesem Buch, sowohl ihre persönliche Geschichte als auch jede Menge Fakten unterzubringen.

Es ist ein sehr persönliches und ein sehr politisches Buch, und ich bin froh, dass sie es geschrieben hat. Wieviel Arbeit für die Recherche und wieviel Herzblut und auch Mut in so ein Buch hineinfließt, kann ich bestens nachvollziehen, und deswegen hoffe ich, dass es eine breite Leserschaft und auch viel Resonanz in der Presse finden wird. Mein Buch (Link zum Lübbe Verlag) hatte damals ein sehr großes Medienecho, womit ich niemals gerechnet hätte – und ich glaube auch, dass es einiges bewegt hat.

Mit Anne Dittmann spricht eine neue Generation Alleinerziehender

Annes Buch ist mehr als ein würdiger Nachfolger, es ist auf seine Art ganz anders, aber doch ähnlich vom Ansatz her, und natürlich ist Anne Dittman auch eine ganz andere Generation, sie ist fast 25 Jahre jünger als ich. Und so würde ich im Zusammenhang mit dem Thema „Gewalt gegen Frauen“ niemals von „Gewalt gegen weiblich gelesene und nichtbinäre Personen“ schreiben, und ich hätte auch kein „Sensitivity Reading“ übers Buch gehen lassen. Aber das ist Geschmackssache, und ich bin mir im Klaren, dass ich mit meinen 56 Jahren anders ticke als die junge Generation.

Es ist ein hervorragend lesbares, mit Informationen und allen wichtigen Fakten gespicktes Werk, das die Dinge auf den Punkt bringt und dabei nie langweilig wird. Sämtliche wichtigen Facetten des Alleinerziehendseins werden gründlich behandelt, bis hin zum Thema Liebe, dem das letzte Kapitel gewidmet ist.

Anne ist nun seit 7 Jahren Single, ich bin es seit 13 – und die Liebe und das Dating sind tatsächlich das letzte, woran wir meistens denken, wofür wir Zeit haben, und das Platz im Leben findet. Das scheint generationenübergreifend zumindest für einen großen Teil der Frauen zu gelten, die alleinerziehend sind, und ich finde das ebenso bezeichnend wie den Anfang, den Anne Dittmann für ihr Buch gewählt hat, denn auch mein Buch aus 2016 endete mit einigen Seiten zum Thema Liebe und Ausgehen.

Da scheint also doch einiges Verbindendes zu sein, selbst wenn ich mich aus dem Themenbereich „Alleinerziehend“ schon vor 2 Jahren mehr oder weniger rausgezogen habe (Siehe dazu diese Ankündigung bei Insta, die ich im Juni 2021 machte. Ich habe zu diesem Zeitpunkt verkündet, dass ich mich nun zu alt fühle, um noch aktivistisch tätig zu sein).

Und natürlich habe ich noch Sympathien für die Anliegen Alleinerziehender, und setze mich politisch für eine gerechtere Behandlung ein. Dabei kann dieses Buch helfen, denn es ist solide, packend und Anne Dittmann eine echte Sympathieträgerin. Ich hoffe, sie wird in zahlreiche Talkshows eingeladen, und dass dieses Buch, anders als meins damals, ein Bestseller wird! Das Zeug dazu hat es auf jeden Fall. Es liegt an euch.

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