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Buchtipp: Die Alles ist möglich-Lüge von Garsoffky/Sembach

Zuerst las ich es mit etwas Widerwillen. Ist doch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf etwas, wofür ich mich einsetze, und das ich für erstrebenswert halte. Da musste der Titel mich ein wenig anpieksen.

Aber je länger ich las, desto besser fand ich das Buch. Denn im Grunde beschreiben die Autorinnen das Dilemma sehr akkurat, und gut recherchiert ist das Buch obendrein. Das ist kein Wunder, sind Susanne Garsoffky und Britta Sembach doch Journalistinnen mit Berufserfahrung in renommierten Medien, gestandene Frauen, und wie es sich für das Thema gehört, jeweils zweifache Mutter.

Die Autorinnen sind gut ausgebildete Frauen, die nachdem sie jahrelang versuchten, es dem Arbeitsmarkt und der Familie gerecht zu machen, bemerkten, dass sie Illusionen hinterhergerannt waren, an die sie kritiklos geglaubt hatten: „Alles nur eine Frage der Organisation“ und „Ich arbeite, also bin ich“, sind nur zwei davon (und auch gleichzeitig die Überschriften der ersten beiden Kapitel). Am Anfang ihres Berufsweges stand: „Alles ist möglich“, schreiben sie in der Einleitung. „Und immer“, so die beiden Frauen, „hatten wir das Gefühl, wir machen alles richtig.“ Kommt euch das irgendwie bekannt vor? Und seid Ihr auch hart auf der Nase gelandet, als Ihr mit und trotz Kindern versucht habt, weiter im Beruf zu bleiben, und eventuell sogar Karriere zu machen?

Die Geburtenrate in Deutschland ist auf einem historischen Tiefstand, immer mehr Eltern erleiden einen Burn-Out, 58% unter stressbedingten gesundheitlichen Beschwerden, fast alle Familien klagen über Zeitnot und Terminhetze. Sind also unsere Ansprüche zu hoch oder stellen wir uns einfach dumm an? Der Grund ist ein anderer, folgern Garsoffky und Sembach am Ende des Buchs: „Dass wir […] so tun, als seien das individuelle und nicht zutiefst strukturelle Probleme, macht die Alles ist möglich-Lüge erst möglich.“ Und es stimmt, von Gleichstellung und echter Diversity in den Firmen sind wir in Deutschland weit entfernt. Mich freute beim Lesen besonders, dass die Autorinnen bei ihrer Analyse auch die stets wachsende Gruppe der Alleinerziehenden im Blick haben, sind wir doch so etwas wie die Spitze des Eisberges, an der sich die Schwierigkeiten besonders drastisch zeigen.

Woran es liegt, dass sich Familien, und insbesondere Frauen, die immer noch für die Hauptlast der Familienarbeit zuständig sind, aufreiben und immer weniger Lust darauf haben, sich weitere Kinder anzuschaffen, dröseln die Autorinnen in den 6 Kapiteln sehr anschaulich auf. Die Rolle der Väter wird beleuchtet (Kapitel 3), das Dilemma von Frauen auf dem Arbeitsmarkt inklusive Altersarmut (Kapitel 4), und auch der Vergleich mit anderen europäischen Staaten zeigt uns (Kapitel 5), wo wir stehen, und dass anderswo auch nicht alles Gold ist. Das letzte Kapitel entwirft das Szenario „Wie wir leben wollen“ und stellt ganz trocken fest: „Wenn alles so bleibt, wie es ist, haben Frauen in Zukunft entweder keine Kinder oder keine Karriere. Das ist eine fatale Entwicklung für eine Gesellschaft.“

Dem kann ich mich nur anschließen. Und euch empfehlen, dieses Buch zu lesen.

 

Susanne Garsoffky und Britta Sembach. Die Alles ist möglich-Lüge. Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind. Pantheon Verlag im September 2014, ISBN 978-3-570-55252-0. 256 Seiten für 17,99 €, gebunden.