Eigentlich war mir nicht zum Lachen. Wir saßen im Aufwachraum, die Jüngste dämmerte noch vor sich hin, es war kein schöner Anblick, weil nach der OP Blut auf die Unterlage getropft war, und ich wäre schon nach der überaus schwierigen Narkotisierung der Jüngsten 2 Stunden zuvor für einen Schnaps bereit gewesen, und das, obwohl ich gar keinen Schnaps mag. Denn diese Operation gestern war kein Spaziergang, so wie ich das geahnt hatte.
In weiser Voraussicht hatte ich das neue Buch von Christian Hanne eingepackt, das er mir vor ein paar Tagen mit der allerallertollsten Widmung zugeschickt hatte. Der letzte Rest an Neutralität bei dieser Buchvorstellung schmolz beim Lesen seiner Widmung dahin, um das gleich klarzustellen. „Lawinenlostreterin“, gnihi. Die Wellenmacherin in mir lächelte geschmeichelt.
Gelächter im Aufwachraum dank Christian Hanne
Trotz der angespannten Situation gestern, als ich noch voller Sorge war, ob mein Kind wohlbehalten aufwachen würde, habe ich im Aufwachraum gelacht. Ich lachte, als ich die Geschichte von der Spinne im Schlafzimmer las, die Christian erlegen sollte, weil seine Freundin sich gruselte. Und wer nicht kichern muss, wenn er liest, wie Christian den Geburtsvorbereitungskurs wiedergibt, dem hilft auch kein Betäubungs-Glücklichmach-Saft, wie ihn die Jüngste zur Vorbereitung der Narkose erhalten hatte.
Herrlich auch zu lesen, wie Christians Umzug vonstatten ging, und plötzlich unglaublich viele Bekannte und Freunde über Hexenschuss und Leistenbrüche klagten und ein senegalesischer Student am Ende des Tages perfekt auf Deutsch fluchen konnte – diese Stelle habe ich meiner Großen (15), die neben mir im Aufwachraum saß, weil man „2 Erwachsene“ (woher nehmen!?) braucht, um ein Kind nach der Narkose im Auto sicher nach Hause zu fahren, sogar vorgelesen. Wir kicherten beide.
Auf Christians Freundin, Partnerin, die Mutter seiner Kinder, bin ich nach der Lektüre sehr gespannt. Sie klingt wie eine kluge, feministisch-intellektuelle Frau mit Augenmaß, obwohl er sie natürlich satirisch verzerrt darstellt. Aber man spürt die Liebe durch die Zeilen, und das ist schön, eine hohe Kunst.
Gab’s auch was zu meckern?
Eines, um auch einen Wermutstropfen zu nennen, hat mich anfangs ziemlich gestört im Lesefluss: die Hanne’sche Art, sich in diesem Buch – im Blog ist mir das zumindest nie aufgefallen – personalpronomenfrei auszudrücken. Etliche Sätze beginnen mit einem Verb, wo ich ein „Ich“ erwartet hätte. Das wirkt teilweise sehr stakkatohaft, und ich habe überlegt, ob (Christian würde schreiben „Überlegte, ob….“) es ein gutes Lektorat gab, weil auch im Impressum nichts davon zu lesen ist, wer lektorierte. Ich habe mich dann daran gewöhnt, und als ich nach 124 Seiten die letzte Seite umblätterte, war ich ein bisschen traurig – zu gerne hätte ich noch mehr gelesen.
Mehr Text wäre schön gewesen, so ist das zwar stark pointiert, aber sehr dünn. Denn ich bin sicher, dass Christian noch mehr zu erzählen hätte. Das nächste Buch darf ruhig 350 Seiten haben!
Fazit: Ideal zum Verschenken für werdende Eltern und Babyeltern, würde ich sagen. Und für alle, die Christians Blog „Familienbetrieb“ mögen. Mit 9,90 € auch recht günstig.
Christian Hanne. Wenn’s ein Junge wird, nennen wir es Judith. Aus den Gründerjahren des Familienbetriebs. seitenstraßen Verlag Berlin, 2016. ISBN 978-3-937088-21-1