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Jetzt ist sie weg! Vergebliches Warten auf das Empty Nest Syndrom

Das große Kind (18) ist ausgezogen, vor 3 Tagen schon. Und ich habe noch ein paar Tage gewartet, bis ich darüber schreibe, weil ich dachte, vielleicht kommt es ja noch, diese Gefühl der Traurigkeit und der Leere, des Verlassenseins, aber nichts dergleichen hat sich eingestellt. Es ist bei einer Mischung aus Erleichterung, Neid und Freude geblieben, so wie auch in den Tagen zuvor.

„Du wirst weinen auf der Rückfahrt“, meinten einige auf Twitter. Andere wollten mich trösten, in dem sie sagten, man gewöhne sich schon daran, dass ein erwachsenes Kind ausgezogen sei, auch wenn es anfangs hart sei. Eventuell stimmt etwas mit mir nicht, denn ich finde daran überhaupt nichts hart oder traurig. So wie ich auch damals, als ich selbst zum Studieren auszog, es einfach nur großartig fand, meine erste eigene Bude zu haben. Dass meine Eltern traurig gewesen seien, konnte ich auch nicht feststellen.

Ich war in ihrem Haus jederzeit willkommen, so wie meine Tochter es bei mir auch sein wird, aber eigentlich immer froh, wenn ich nach den Besuchen im Elternhaus wieder in mein eigenes Studentenzimmer zurück konnte – genauso, denke ich, wird es meiner ältesten Tochter gehen, wenn sie das erste Mal auf „Heimaturlaub“ war und dann wieder aufbricht in ihr neues Zuhause.

Umzugsvorbereitungen sind das Eine – wie aber fühlt es sich an, wenn das Kind dann wirklich auszieht?

Meine Große hatte das Glück der Tüchtigen – sie hat sehr lange nach einer bezahlbaren Wohnung in Freiburg gesucht, in die sie ihre Seniorenkatze mitnehmen kann (ja, Grumpycat ist auch weg!), und kurz bevor sie verzweifelte ob der vielen Absagen und indiskutablen Wucherwohnungen meldete sich ein Vermieter, der sowas wie das personifizierte Glückslos war. Und dieser Vermieter hat meiner Tochter eine so tolle 1-Zimmer Wohnung in guter Lage angeboten, samt neuer Küche, Holzfußboden und sonnigem Balkon, dass ich eigentlich selbst gerne dort eingezogen wäre. Allerdings bin ich nicht 18 und auch nicht alleinstehend, und so gönne ich meinem Kind dieses Glück von Herzen.

Beim Umzug hab ich geholfen, indem ich bei der Planung (z.B. Strom anmelden, wie geht das?) quasi händchenhaltend zur Seite stand, sprich neben dem Kind, das den Umzug plante, am Rechner saß und mit über die Angebote guckte. Und am Umzugstag selbst auch tatkräftig, durch Fahren des Transporters, den meine Tochter angemietet hatte. Die Möbel vor Ort hatte sie bereits mit Freunden zusammen aufgebaut, und beim Tragen der Umzugskisten half eine langjährige treue Freundin meiner Tochter, was das Ganze zu einem Unternehmen machte, das sowas wie Aufbruchsstimmung und Freude verbreitete, obwohl es am Umzugstag selbst in Strömen regnete, und zwar den ganzen Tag.

Christine Finke
Christine Finke im Umzugswagen – eins der wenigen Selfies, die ich von mir mag

Ich war nicht traurig bei der Rückfahrt, sondern glücklich, dass alles so gut geklappt hatte, und dass meine Große es so gut getroffen hat. Sie hat mir auch nicht gefehlt abends oder die Tage darauf, weil es ja WhatsApp gibt und wir uns vorher auch nicht ständig gesehen haben, denn meine Große hatte sich aufgrund der oft explosiven Lage Zuhause (autistische Schwester, 10, und pubertierender Bruder, 13) ziemlich rausgezogen aus dem Familienalltag, was ich ihr wirklich nicht verübeln konnte.

Jetzt hat sie es gut, das weiß ich. Kein Geschrei streitender Geschwister mehr, was sie fürchterlich nervte, kein Türenknallen, keine Rivalitäten um meine Aufmerksamkeit, und vor allem nicht mehr das Gefühl, wenn ich als Mutter Mal nicht da bin, an meiner Stelle verantwortlich zu sein für die Geschwister. Das war ganz sicher für sie eine schwere Bürde, die sich leider aufgrund der besonderen Familienkonstellation nicht vermeiden ließ.

Von Empty Nest Syndrom keine Spur

Schade nur, dass ihr Zimmer quasi sofort okkupiert wurde, aber damit war zu rechnen. Wir haben hier ja aufgrund der Wohnungs- und meiner Finanznot nicht für jedes Familienmitglied ein eigenes Zimmer. In den vergangenen 1,5 Jahren teilte ich einen Raum mit der Jüngsten, damit der Sohn endlich seine eigenen vier Wände bekommt. Und Jüngste hatte noch nie ein eigenes Zimmer (außer bis zum Alter von 2, als wir noch in einer Doppelhaushälfte lebten), sodass sie nun sofort das fast leere Zimmer der älteren Schwester in Beschlag nahm, in dem noch ein Bett und ein großer Tisch stehen.

Wenn meine große Tochter also zu Besuch kommt, dann findet sie ihr Zimmer nicht mehr vor. Das ist schon ziemlich hart in der Schnelligkeit, in der es geschieht, finde ich, denn mein Kinderzimmer stand noch ziemlich lange so da, wie ich es verlassen hatte. Und irgendwie fand ich das beruhigend.

Empty Nest Syndrom

Aber ihr Bett steht hier noch, und wenn sie darin schlafen möchte, dann kann sie das jederzeit tun, dann kommt Jüngste wieder in ihr Himmelbett, das nun verwaist in unserem gemeinsamen Zimmer steht. Wie genau ich die Kinder und mich nun in der Wohnung verteile, wird mich in den kommenden Wochen beschäftigen, denn beide Geschwister sind scharf auf das leer gewordene Zimmer der großen Schwester, und da Rivalität hier ein sehr großes Thema ist, kann ich es quasi nur falsch machen oder selbst in das Zimmer ziehen, was ich aber eigentlich gar nicht möchte. Es ist also zwar mehr Platz hier, aber noch immer weit entfernt von entspannt.

Trotzdem merke ich, dass ein Stück weit eine Last von mir abfällt, auch wenn ausgerechnet die Große niemals eine Last war. Es ist schön, ein Kind groß bekommen zu haben, und zu sehen, dass es auf einem guten Weg ist.

Alleinsein ist kein Schreckenszenario

Auch die Seniorenkatze, die mit der Großen ausgezogen ist, fühlt sich nach anfänglicher Irritation in der neuen Wohnung ziemlich wohl – sie genießt den sonnigen Balkon und die Abwesenheit eines nervigen jungen Katers, der ständig nach ihr sprang, weil er so gerne spielen wollte. (Was sie stets nur mit mürrischem Knurren beantwortete.)

Aus 4 Menschen und 2 Katzen sind nun also 3 Menschen und 1 Kater geworden, und das ist für 89 m² eigentlich auch genug, zumal in einer Familie, in der ich die einzige Erwachsene bin. Nein, ich bin weit davon entfernt, einsam zu sein. Geschweige denn alleine. Aber alleinsein war ja noch nie etwas, was mich geängstigt hat. Es ist eher so, dass ich für jemanden, der so gerne alleine ist wie ich, erstaunlich viele Kinder und Katzen habe. Ich habe wirklich keine Angst davor, dass die Kinder irgendwann alle mal aus dem Haus sind – im Gegenteil.

Um ganz sicher zu gehen, dass Grumpycat nun weg ist und alles seins, hat mein Kater übrigens am Tag nach dem Auszug der Großen gleich mal gründlich das Bett markiert. Wenn hier irgendwann mal alle ausgezogen sind, dann spreche ich 1 Woche lang mit niemandem, tue nur, was ich möchte, und atme ganz tief durch. Bis dahin heißt es: durchhalten und auch noch die nächsten 9 Jahre Alleinerziehendenleben möglichst gesund und dank einer Mischung aus schwarzem Humor, Lebensfreude und unangebrachtem Optimismus überleben. Das wird schon alles.