Es ist ein „Wir tauschen die Zimmer“-Beschluss gefallen. Jüngste (12) will meins, das ist nämlich klein und geht zum Hof hin. Der Sohn (15) will Jüngstes Zimmer, das ist das Größte. Und ich nehme das Sohnzimmer.
Ein kleiner Umzug innerhalb der Wohnung sozusagen. Wir haben das schon zwei oder drei Mal hinter uns, es ist doch mehr Aufwand, als man denkt, und bringt immer Nachfolgearbeiten mit sich wie Wände malern und Fahrten zum Werstoffhof, weil der Keller sich füllt.
Diesmal, das habe mich mir vorgenommen, reiße ich mich zusammen und werde nicht selbst mit Hand anlegen, wenn’s ans Möbeltragen geht. Das ist nämlich die letzten Male nicht gut ausgegangen für meinen Rücken, ich musste zum Einrenken gehen hinterher, und muss mich wirklich daran gewöhnen, dass ich zu alt bin, um selbst noch schwere Dinge zu heben. Ich überlege, wie ich das organisiere – wahrscheinlich professionelle Möbelpacker, mit Rechnung und ganz klar abgesteckten Aufgaben, so ist es mir am liebsten.
Ich bin alleinerziehend und habe drei Kinder, es ist seit vielen Jahren meine Aufgabe, alles alleine zu bedenken, planen, und durchzuführen. Es gibt niemanden, der mir praktisch und unbürokratisch hilft, nur die Haushaltshilfe über die Familienpflege und den Pflegegrad meiner autistischen Tochter, was ein Segen für mich ist, weil diese Hilfe mir eine Last nimmt, sonst ist da keiner.
Bei uns bin seit 11 Jahren ich diejenige, an der alles hängt, denn einen Vater oder andere Familienangehörige die sich ebenfalls um die Kinder kümmern, gibt es nicht. Jahrein, jahraus, und 24/7 trage ich die ganze Verantwortung für meine Familie alleine. Für ihre Mahlzeiten, saubere und passende Klamotten, schulische Belange, ihre Gesundheit, ich begleite ihre Freundschaften, fange emotional auf, ertrage ihre Launen, ich mache ihnen Mut und gebe Sicherheit. Kurz: ich sorge mich um sie und für sie.
Und nun ist schon wieder Muttertag. Ein Tag, der mir aus tiefstem Herzen nichts bedeutet. Ich mag eh keine Pralinen, ich hasse Orchideen, Sekt kann ich mir auch selbst kaufen, und „Mama ist die Beste“ Kaffetassen finde ich albern. Ich will nichts zum Muttertag, jedenfalls nicht so etwas. Und ich bin schon richtig gespannt, mit welchen Social Media Kacheln uns die Parteien und großen Firmen am Sonntag lobpreisen werden, denn ich garantiere euch, es wird diesmal ganz besonders heikel, den richtigen Ton zu treffen.
Millionen von Frauen sind extrem angepisst, weil sie gemerkt haben, welch niedrigen Stellenwert Familien, speziell Mütter und Kinder, in der deutschen Politik haben. Sie sind ausgelaugt und desillusioniert von monatelangem „Homeschooling“ und dem Versuch, dabei weder wahnsinnig zu werden noch den eigenen Job zu gefährden, weil der Chef, so wie die Familienminsterin vor einem Jahr noch, denkt Kinderbetreuung und Home Office ließen sich im Grunde doch ganz passabel miteinander vereinbaren. Dass die Ergebnisse und die Psyche aller unter einer solchen Mehrfachbelastung ganz extrem leiden, haben die Mütter anfangs noch in den Social Media rausgeschrieen, aber mittlerweile sind sie verstummt, die meisten haben nicht einmal mehr Kraft, aufzubegehren.
Jetzt soll es Lockerungen für die Coronabeschränkungen für Geimpfte geben, und den Eltern wird klar, dass sie wieder einmal diejenigen sind, die von nix profitieren. Weder sind sie bisher prioritär geimpft worden, noch gibt es einen Impfplan für die Kinder, die aber bei relativ hohen Inzidenzen trotzdem in die Schule gehen sollen und somit das Virus zu den Eltern nach Hause tragen können. Eltern sind nicht wichtig in Deutschland, allen Lippenbekenntnissen zum Trotz.
Wichtig sind wir nur als ArbeitnehmerInnen, die Wirtschaft muss laufen. Dass eine Wirtschaft ohne Sorgearbeit kollabiert und Kinder unsere Zukunft sind, scheint ein zu abstrakter Gedanke, als dass ihn die großen Regierungsparteien fassen bzw. gar in politische Handlungen umsetzen könnten. Ich verstehe das nicht. Oder vielleicht doch – es ist einfach nicht gewollt. Das Ehegattensplitting abzuschaffen ist zu kompliziert, Steuerklasse 2 beizubehalten einfacher, als Alleineinerziehende steuerlich mit klassischen Familien gleichzustellen, und das mit den Familienleistungen so unheilvoll verworren, dass sie neu zu ordnen dem Zerschlagen eines gordischen Knotens gleichkommt.
Es ist kein Geheimnis, dass ich auf eine neue Regierung unter der Führung von Annalena Baerbock ab Herbst hoffe (bin kein Grünen-Mitglied, aber Unterstützerin), und das wäre dann auch mein einziger Wunsch zum Muttertag: Lasst mich bloß mit dämlichen Sprüchen auf Social Media Kacheln in Ruhe. Ich will eine neue Regierung. Und zwar eine, die schon davon gehört hat, dass es Sorgearbeit gibt, die explizit feministische Politik macht, und ja, ich will eine Mutter von Schulkindern als Bundeskanzlerin. Etwas Besseres kann uns gar nicht passieren.
Und ansonsten bin ich genauso müde wie die anderen Mütter auch. Nur dass ich dieses Jahr nicht so alleine damit bin, was es insgesamt aber auch nicht besser macht. Denn viele müde Mütter machen die Welt irgendwie grauer, und das ist nicht gut. Für niemanden.
Mein Dienstag. K2 will gar keine Aufgaben mehr machen und ich möchte in irgendein Mauseloch. Alles zuviel gerade.
— Lari Fari (@MaraKolumna) May 4, 2021
Endlich wieder eine Schulmail, die das einigermaßen eingegroovte Familien-Arbeitssystem erneut komplett auf den Kopf stellt. Die komplette Terminplanung der nächsten Wochen – obsolet. Ich will nicht mehr und ich kann das nicht mehr. #coronaeltern
— Franziska Bluhm (@franziskript) May 4, 2021
…eine gute Kinderbetreuung (Hallooooo, #Kitas und #Grundschulen immer noch im Notbetrieb und nicht sicher), faire Aufstiegschancen und vor allem: DASS UNS NIEMAND DEN KOPF TÄTSCHELT. #Himmelherrgottnochmal, ich bin schon vor dem #Muttertag auf 180.
— Caroline Turzer (@cturzer) May 4, 2021
ich möchte nicht verantwortlich sein für die schulische Performance meiner Kinder. Ich habe das aus gutem Grund nicht studiert. Ich kann einfach nicht mehr.
— Titus W (@inkanina) May 4, 2021
Aber immerhin haben in diesem Jahr auch Mütter außerhalb der feministischen Blase das Gefühl, dass der Muttertag eine einzige Farce ist und wir sind nicht wieder die gemeinen Spielverderberinnen.
— Anna Berg (@bergdame) May 4, 2021
Ach du Scheiße, Muttertagswoche.
— Mareice Kaiser (@Mareicares) May 3, 2021
Ich will auch keine Blumen. Ich hätte als alleinerziehende „sysremrelevante“ gerne eine gehaltserhöhung oder auch nur eine Prämie. Die war eigentlich schon beschlossen, gibt’s jetzt aber doch nicht. Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist nix mehr übrig, das Steuergeld brauchen ja die grosskonzerne viel dringender. Dabei haben im medizinischen Bereich viele Mütter Überstunden gemacht, nix Home Office. Und unsere Kinder interessieren keine sau. Freu mich aber trotzdem, wenn ich was von meinen Kindern bekomme, die wissen nämlich sehr wohl zu schätzen, dass ich trotz allem versuche, für sie da zu sein. Allen Müttern trotz allem einen schönen muttertag mit… Weiterlesen »
Treffend auf den Punkt gebracht, Danke!
Mal wieder auf den Punkt gebracht. Danke dafür :-). Und Pralinen mag ich auch nicht. Mein Muttertagsgeschenk an mir selber: Ein Wochenende ohne Schulaufgaben (in der Woche schaffe ich das nicht, arbeite Vollzeit mit 2 Pubertiere). Ob ich es genießen kann…?