Wahrscheinlich, so dachte ich gestern, könnte man meinen, ich hätte ein sehr beschauliches Leben. Die beiden kleinen Kinder sind in der Ganztags-Betreuung (noch! Beim Sohn hört das zum Sommer auf) und ich arbeite so ein bisschen frei vor mich hin. Es ist ja nicht immer so chaotisch wie im vergangenen Sommer, als ich eine eilige Übersetzung abzugeben hatte und alle drei Kinder zuhause saßen. Aber langweilig wird es hier nicht, auch wenn alles ganz normal läuft:
6:30 Uhr
Die Große (13), die immer vor mir aufsteht und den Familienwecker bei sich im Zimmer hat, weckt mich. Ich wundere mich, warum sie mitten in der Nacht „Guten Morgen, Mama!“ sagt, bis mir einfällt, dass wir ja gerade erst Zeitumstellung hatten und es halb 6 ist. Der Sohn (8), der neben mir im Bett liegt, macht auch keine Anstalten, wach zu werden, obwohl er sonst unser Frühaufsteher ist.
7:00 Uhr
Bin geduscht, habe mir Augen gemalt, setze Tee für mich auf und mache Pausenbrot. Der Sohn ist schon angezogen und guckt bedröppelt. Ich frage, was los ist und erfahre, dass er sich Sorgen macht, ob der Besuch beim Vater zu Ostern klappen wird, und wie er da hinkommen soll.
Die Mundwinkel des Sohns zucken, er fängt an bitterlich zu weinen und mir wird das Herz schwer. Ich nehme ihn in den Arm und sage ihm, dass ich für ihn da bin, ihn verstehe, und versuche, das mit den Ämtern und dem Gericht zu regeln. Der Sohn nickt und fängt sich. Bei mir macht sich die Wut auf den Ex-Mann breit, aber die schlucke ich runter. Zwei Sätze auf twitter dazu, das reicht als Ventil.
7:30 Uhr
Sohn und ich verlassen das Haus, er hat zur ersten Stunde Schule. Die Jüngste lasse ich schlafen, sie ist mit 5 Jahren groß genug, 20 MInuten alleine zu sein, falls sie aufwacht. Sicherheitshalber schalte ich den Fernseher im Wohnzimmer an, wo Caillou läuft. Wenn sie wach wird, während ich unterwegs bin, weiß sie, dass ich den Bruder zur Schule fahre, sie ferngucken darf, und ich gleich wiederkomme. Die Badewanne ist unglaublich dreckig, die putze ich noch kurz vor der Abfahrt mit Scheuermilch.
8:30
Die Waschmaschine läuft, das Katzenklo gemacht, die Geschirrspülmaschine ist ausgeräumt, das Internet einmal kurz abgegrast, ich muss nun die Jüngste wecken. Um 9 Uhr ist Ende der Bringzeit in der Kita. Wir sind noch nie zu spät gekommen, was mich an Tagen wie diesen wundert.
Auch heute schaffen wir es, um kurz vor 9 dort zu sein. Normalerweise veröffentliche ich vor 8 Uhr eine News auf der liliput-lounge, aber heute ist Stau bei der Bildredaktion, ich schaue also nach 9 Uhr nochmal, ob etwas bereit für die Veröffentlichung ist.
9:30 Uhr
Nach einem gerade noch abgewendeten Abschiedsdrama in der Kita (Verhandlungen über die Abholzeit, warum wird der Bruder früher geholt, Klammerei, beinahe gekippte Stimmung beim Kind) sitze ich für die wöchentliche Redaktionskonferenz der liliput-lounge am Rechner und warte auf den google+ Hangout Anruf.
Einen Kaffee habe ich bereits intus, die Newsliste der Redaktion gecheckt und interne Mails gelesen, darunter auch die Anfrage eines Print-Magazins, mit dem ich noch nie zusammengearbeitet habe. Ich sage zu, bis Montag einen Text zu liefern und freue mich, auch mal wieder Print zu machen. Aber erstmal der Hangout. Um 10:20 sind wir fertig mit dem gemeinsamen Denken und Planen.
11 Uhr
Müll rausgebracht, Wäsche aufgehängt, zweiten Kaffee getrunken. Ich sitze am finalen Schliff einer Übersetzung für den Friendz Verlag, für den ich gelegentlich Texte für Kinder aus dem und ins Englische übertrage. Deadline ist heute Abend, aber da ich ein volles Nachmittagsprogramm habe, möchte ich gerne bis 13 Uhr abgeben. Kurz nach halb eins bin ich fertig mit den Texten und packe sie in eine Mail.
12:50 Uhr
Auf zur Post, eine Rücksendung von bestellten Schnäppchen-Klamotten, von denen ich nur einen Teil behalten habe. Eine Ecke weiter ist der Bäcker, bei dem ich heute ausnahmsweise eine Schlemmerschnitte (flammkuchenähnlicher Snack) für die Große als Mittagessen kaufe, weil die mir sagte, sie wisse nicht, wann sie nach der Schule heimkomme. Normalerweise koche ich für sie etwas zu 13:30 Uhr. Für mich gibt’s ein Mohnbrötchen, das ich zuhause mit Hähnchenbrust belege.
13:40 Uhr
Mails gelesen und beantwortet, einiges für famPlus erledigt, deren Facebookseite ich seit neuestem (mit)betreue und für die ich Texte schreibe. Ich trage Termine für den Wahlkampf in meinen Küchenkalender ein und schreibe den Mitstreitern bei der überparteilichen Bürgervereinigung Junges Forum Konstanz, mit der ich für den Gemeinderat kandidiere, welche Termine ich wo wahrnehmen kann. Gerade als Alleinerziehende ein höllischer Organisationsakt. Aber wer in den Gemeinderat will, muss auch aus dem Haus gehen.
Der Gedanke, mit einem Infostand auf dem Markt zu stehen, gruselt mich kurz. Ist ja noch ein paar Wochen hin. Ich schiebe das Unwohlsein weg. Und habe auch gar keine Zeit dafür, denn um 14:15 hat der Sohn Ergotherapie, ich muss ihn gleich vom Hort abholen.
14:15 Uhr
Der Sohn verschwindet quietschvergnügt mit der Ergotherapeutin, die ihm hilft, seine etwas krampfige Linkshänderhaltung zu lockern und zu verbessern. Ich nutze die Zeit, um meine neue Brille abzuholen, die mir mein Schwager, der Augenoptikermeister geschenkt hat – eingearbeitet werden musste sie aber hier vor Ort, ich hatte Glasrohlinge und eine Fassung bekommen. Das ist eine enorme Erleichterung für mich, denn eine Brille mit meinen Stärken in Gleitsicht kostet sehr schnell über 1500 €.
Als die Optikerin vor Ort, die ich noch aus den Zeiten kenne, in denen wir Konkurrenz waren und keine 100 Meter voneinander entfernt Ladengeschäfte betrieben (mein Mann war Optiker), mir die Brille abgibt und partout kein Geld von mir will, möchte ich ihr vor Dankbarkeit um den Hals fallen, lasse das aber, weil zwei Kundinnen im Laden sind. Die Welt ist gut und mir warm ums Herz. Nun aber zurück zur Ergotherapie.
15:10 Uhr
Ich setze den Sohn zuhause ab, er muss Hausaufgaben machen und will vorher noch spielen. Um 16:50 soll ich die Jüngste und ihren Freund von der Kita abholen, da kann ich zwischendrin noch kurz zu Edeka einkaufen fahren und sogar zuhause noch auspacken, dann werden die Lebensmittel nicht so warm. Wie immer kaufe ich vorwiegend Sonderangebote oder Dinge, die bald ablaufen, aber noch gut sind. Wir müssen aufs Geld achten.
Zuhause mache ich schnell noch einen Selfie mit meiner neuen Brille, die ich wegen der stark veränderten Sehwerte erst am nächsten Tag tragen werde. Der Sohn muss erneut getröstet werden, weil beim Wii-Spielen alle Punkte gelöscht wurden und nun „3 Tage Arbeit“ weg sind. Schuld sei die Große, die von der Nachmittagsschule heimkam und ihn aus ihrem Zimmer scheute, wo die Wii steht. Ich vermittle und tröste, dann poste ich den Selfie auf twitter. Die Kinder machen sich über die eingekauften Jogurts her, von denen am Abend keiner mehr da sein wird.
17 Uhr
Jüngste, ihr Freund, deren Mutter heute länger arbeiten muss, der Sohn und meine Große sind bei mir zuhause. Die Große muss/möchte an ihrer GFS über Los Angeles für die 8. Klasse weiterarbeiten, was immer enorm schwierig ist, wenn die jüngeren Geschwister zugegen sind. Außerdem will sie an meinen Rechner. Ich scheuche die jüngeren Kinder ins Kinderzimmer bzw. in den Hof, und versuche mich auf die Fragen meiner ältesten Tochter zu konzentrieren. Ein Glück, dass ich dabei eine echte Hilfe bin, ganz anders als in Mathe/Physik/Chemie.
18 Uhr
Die Nachbarin von oben schaut vorbei, ob ich Zeit für ein Schwätzchen hätte. Habe ich nie, sage ich, und bitte sie rein. Denn sie schaut so traurig. Eigentlich wollte ich tagebuchbloggen, aber manchmal ist es wichtiger, im Real Life zu bleiben. Plan geändert. Die Nachbarin bringt leichten Holundersekt mit und wir setzen uns auf den Balkon zum Erzählen. Schön.
19 Uhr
Der Freund der Jüngsten wird abgeholt, die Nachbarin verabschiedet sich, ich schaue nochmal in die Mails und räume das Kinderzimmer etwas auf.
20:10 Uhr
Der Sohn und die Jüngste kommen aus dem Hof rein, sie haben toll draußen gespielt. Ich mache Abendessen, es gibt Schweinebratenrest mit Feldsalat. Der Jüngsten erlaube ich, den Braten im Bett zu essen, wo sie CD hört, nachdem ich ein von mir getextetes Yakari Minibuch vorlese.
Seit Januar schläft die Kleine gerne in ihrem Bett, vorher wollte sie stets bei mir schlafen – ich freue mich ungemein, dass sie nun so gerne in ihrem Bett kuschelt, und dass ich dazu keinerlei Druck ausüben musste. Es ging von alleine, als sie soweit war. Ich hoffe, dass der Sohn auch bald wieder in sein Bett zurückkehrt. Wir verhandeln das am Abend, und er sagt, einen Tag pro Woche als Einstieg könne er sich vorstellen.
21 Uhr
Der Sohn ist ins Bett gegangen und schläft. Mir fällt ein, dass ich ja noch Texte für die liliput-lounge korrekturlesen muss. Ich schalte eine News mit einem Produktrückruf wegen Glassplittern in Apfelmus sofort frei und korrigiere eine News über das Elterngeld Plus für den nächsten Tag.
21:30 Uhr
Ich gehe mit Max Frischs „Aus dem Berliner Journal“ ins Bett, das mir meine Lieblingskusine anlässlich des Geburtstags des Sohns von meiner Amazon-Wunschliste gekauft und mit ins Geburtstagspaket gepackt hat. Nach 15 MInuten lesen bin ich sehr müde. Licht aus, Feierabend. Wie immer muss ich nicht lange auf den Schlaf warten. Ich habe es wieder nicht geschafft, staubzusaugen zu putzen oder Staub zu wischen. Egal.
Nachts träume ich von alten Tagebüchern, die ich nicht mehr zu verschließen brauche. Unglaublich viele Tagebücher. Ich nehme mir vor, mal über Träume zu bloggen. Aber nicht heute.