Etwa 6 Uhr früh
Es regnet, ich wache vor dem Wecker auf und höre, wie die Große (13) ins Bad geht. Sie steht immer vor mir auf, weil sie morgens gerne Zeit im Bad hat. Um 6:10 und um 6:20 fahren Züge auf der nahe gelegenen Bahnstrecke vorbei, ich freue mich, dass ich noch im Bett liegen kann, und stehe erst um 6:30 auf, als die Große mich weckt.
Dann aber hurtig: Haare waschen, die beiden jüngeren Kinder wecken, einen Pfannkuchen als Pausenbrot für den Sohn mit Zucker bestreuen und in den Ranzen packen, die Große verabschieden. Sie muss heute noch früher als sonst aus dem Haus, weil Wandertag ist.
Wir haben am Vorabend ausgeklügelt, wie die Goße um 7:45 am vereinbarten Treffpunkt draußen vor den Toren der Stadt sein kann, obwohl ich den Sohn zur ersten Stunde zur Schule fahren muss und um 8:15 ein Elterngespräch in der Kita wegen der Jüngsten habe. Mal wieder alles quasi gleichzeitig, eine Lehrstunde in Elternlogistik.
7:10, Zuhause
Aufgeregtes Wummern auf meiner Balkonbrüstung. Ich will mir gerade einen Tee mit viel Milch und Honig machen, die Jüngste sitzt nackt am Tisch und malt im Vorschulbuch, der Sohn hat noch nix im Bauch.
„Mama, der Bus ist mir gerade vor der Nase weggefahren! Der war 5 Minuten zu früh!“, ruft mir mein Teenie aufgelöst entgegen. „Das gibt´s doch nicht!“, fällt mir die Kinnlade runter, und dass der Bus das gar nicht darf, nützt uns jetzt auch nix. „Ich fahre dich. Moment“, beschließe ich und rufe den jüngeren Geschwistern zu, dass wir nicht in 20 Minuten, sondern jetzt gleich das Haus verlassen müssen.
Schnell die Jüngste anziehen, den Pfannkuchen, den sie gerade frühstückt, häppfchenweise nachfüttern, und los geht´s. Ich habe Glück, die Kinder ziehen mit. Dass ich einen auf Bob der Baumeister mache („Jo, wir schaffen das!“), erweist sich als hilfreich.
7:50, beim Bäcker
Die Große ist am Treffpunkt für den Wandertag abgeliefert, den Sohn habe ich um 7:40 an der Grundschule abgesetzt. Bis zum Elterngespräch in der Kita, die um die Ecke von der Grundschule ist, habe ich noch gut 20 Minuten Zeit. Beim Bäcker, der auf dem Weg liegt, halten wir an und ich gönne mir ausnahmsweise einen Latte Macchiato, was ich sonst nie tue, weil mir die 2 €, die das kostet, im Verhältnis zu unserem Haushaltseinkommen als unverhältnismäßige Ausgabe erscheinen. Das ist Luxus. Und obendrein nehme ich noch eine Vanillemilch für 90 Cent aus dem Kühlschrank beim Bäcker, die ich der Jüngsten kaufe. Die strahlt. So etwas kommt nicht alle Tage vor.
Sehe ich so eine Vanillemilch in der Glasflasche (sterile Milch, halber Liter, ziemlich viele künstliche Aromen), denke ich automatisch an Andi G., mit dem ich vor 25 Jahren ein paar aufregende Tage und noch mehr Nächte verbrachte. Werkzeugbauer, später angesagter DJ, und ein ganz harter Kerl. Aber manchmal packte ihn die Lust auf Vanillemilch in der Flasche, und dann fuhren wir nachts um 2 Uhr zur Autobahntankstelle bei Freiburg. Lastwagenfahrer, Szenevolk, Durchreisende, der Geruch seiner Wohnung und seiner Haut taucht in meinem Kopf auf.
Nanu, da läuft ja gerade mein Politikfreund Matthias, mit dem ich im Stadtrat sitze, in die Bäckerei – er wohnt auch um die Ecke und versorgt sich hier auf dem Weg zur Arbeit mit Vesper. Er hatte gestern keine Zeit, zu unserer Fraktionssitzung zu kommen, und bleibt auf ein Schwätzchen an unserem Tisch stehen. Die Jüngste freut sich, ihn zu sehen, denn wir waren schonmal bei ihm zum Grillen, und Matthias kann gut mit Kindern (nicht nur, weil er einen Sohn hat, er ist auch ausgebildeter Tagesvater).
Mir kommt das Leben kurz vor wie eine Rama-Werbung.
8:15, in der Kita
Ich betrete pünktlich den Raum, in dem das Entwicklungsgespräch stattfiindet. Dort sitzen die jetzige und die nächste Bezugserzieherin der Jüngsten. Nicht nur mag ich beide recht gern, sie sind auch echte Hilfen bei der Entwicklung meiner Tochter. Das Gespräch macht Freude, sie haben viel Nettes zu sagen. Und ich schaffe es, diesmal nicht vor Rührung zu weinen. Vor den Kindern war ich nicht so ein schrecklicher Emo!
Um 9 Uhr ist das Gespräch beendet, ich fahre nach Hause und lechze nach dem zweiten Kaffee. Während die Kaffeemaschine sich aufwärmt, schalte ich den Laptop an, den ich immer noch benutze, obwohl der neue Rechner schon in meiner Bettschublade liegt, weil ich noch keine Zeit hatte, ihn einzurichten bzw. mich davor drücke.
Mein erster Blick gilt wie immer Twitter, wo ich noch vor dem Kaffee einen kurzen Satz poste, der meinen Morgen kommentiert. Außerdem hat die Jüngste wieder etwas Niedliches gesagt-gedacht. Das will ich gerne teilen.
Jüngste im Auto: „Gell Mama, wenn man sich nicht anschnallt, dann muss man nicht ins Gefängnis?“ Sie überlegt. „Sondern Liegestütze machen?“
— Mama arbeitet (@Mama_arbeitet) July 29, 2014
10:30
Mails gecheckt, Facebook, twitter, ein kurzer Blick auf den Blog, ein paar Links angeklickt und gesehen, dass meine liebe Freundin und Kollegin Silke sich mustergültig um die liliput-lounge gekümmert hat, die jeden Morgen eine frische News erhalten soll. Nun muss noch der neue Headertext rein. Das mache ich.
Und dann die Sitzungsunterlagen für heute Nachmittag nochmal anschauen, da geht’s um Themen, die mir wichtig sind: unter anderem die „frühen Hilfen“ für Eltern, die ganz neu in Konstanz aufgestellt sind. Aber vorher werfe ich einen vorsichtigen Blick auf mein Konto.
Der Monat Juli war ganz bitter, ich musste 531 € Nebenkosten nachzahlen, die Stadtwerke forderten 121 € für Strom nach (bei gleich gebliebenem Verbrauch!), ich musste den Laptop kaufen (650 €) und mein Wohngeldantrag ist noch in Bearbeitung (nicht, weil die Behörde so langsam ist, sondern weil ich noch Unterlagen nachreichen muss, auf die ich warte).
Außerdem habe ich, weil die ehrenamtliche Arbeit für den Gemeinderat im Juli zeitlich so umfangreich war, keine neuen Aufträge angenommen und nur ein Minimum gearbeitet. Das wird sich dann im August finanziell bemerkbar machen. Puh.
Umso froher bin ich, dass der Rat letzte Woche erst dafür gestimmt hat, dass die Kinderbetreuungskosten für die Sitzungen gegen Nachweis mit 10 € pro Stunde unterstützt werden. Das ist für mich tatsächlich existenziell, so nahe wie wir immer an der Armutsgrenze herumkrebsen. Auf dem Konto sind noch 180 €. Kann ich eigentlich stolz auf mich sein. Aber die Miete ist noch nicht runter, und der Unterhalt, der ziemlich exakt Miete und Stromkosten deckt, kommt erst am 3. des Monats.
Eins ist jetzt schon klar: Wir müssen kommenden Monat mit den 558 € Kindergeld plus äußerst magere Einkünfte durch den Journalismus hinkommen. Wird schon gehen. Ich räume die Geschirrspülmaschine aus und überlege, was ich der Großen als Mittagessen koche.
Nach 3-4 Stunden Wanderns im Wollmatinger Ried wird sie Hunger haben. Nudeln. Das ist immer gut. Oder Spiegelei mit Kartoffelpüree. Je nachdem, wann sie anruft, um abgeholt zu werden. Nachdem ich das innerlich abgehakt habe, knie ich mich in die Sitzungsunterlagen und maile mit dem Politkkfreunden hin und her.
11:30, müde
Ich könnte spontan auf dem Schreibtisch, der mein Esstisch ist, einschlafen. Meine Güte, bin ich müde. Dabei habe ich es gestern schon um 22 Uhr ins Bett geschafft. Aber die Sommergrippe, die mich am vergangenen Wochenende komplett lahmgelegt hat, steckt mir offenbar noch in den Knochen. Das habe ich auch gestern in der Fraktionssitzung gemerkt.
Hm. Zwei Kaffee hatte ich schon, von mehr wird mir flau. Ich schnappe mir den Hausschlüssel und meine Kamera und verlasse die Wohnung, um etwas frische Luft zu tanken und ein paar Bilder für diesen Blogpost zu machen. Zwei Fliegen mit einer Klappe.
12:15
Die Große steht schon überraschend in der Türe, der Vater einer Klassenkameradin hat sie mit nach Hause genommen vom etwas verkürzten Wandertag. War wohl nicht so lustig bei dem Regenwetter – soll mir recht sein, entfällt eine Tour für mich. Hunger hat sie keinen, stattdessen ist sie müde.
Wir besprechen noch kurz, wann sie die Jüngste wo abholen soll, falls sie nachher noch schläft, wenn ich das Haus verlasse, um den Sohn zur Ergotherapie zu bringen.
Mir fällt ein, dass ich gestern das Abendessen zugunsten von mehr Schlaf ausgelassen habe. Kein Wunder, dass ich jetzt sehr hungrig bin. Ich bereite mir Spiegeleier mit Speck zu, klassisch mit Ketchup, Gurken und fettigem Brot. Meine Lebensgeister kehren wieder.
Ich esse am Bildschirm, während ich einen Text von Matthias für unseren Blog vom „Junges Forum Konstanz“ über die vergangene Gemeinderatssitzung redaktionell bearbeite.
13:45, auf dem Sprung
Um 14 Uhr muss ich den Sohn beim Hort abholen, damit wir um 14:15 bei seiner Ergotherapie sind. Der Hort ist im gleichen Gebäude wie die Kita der Jüngsten, und ich versuche mich bis zum Hortzimmer zu schleichen, ohne dass mich die Jüngste sieht. Denn wenn das passiert, dann will sie mitkommen.
Und das wiederum will ich vermeiden, zum einen, weil heute von 16-16:50 Musikschule in der Kita ist, die sie gerne besucht, und zum anderen, weil ich nicht mit der Jüngsten zusammen 45 Minuten Wartezeit bei den Ergotherapeuten verbringen will. Die Zeit nutze ich lieber, um weitere Unterlagen für den Gemeinderat mit Leuchtstift und Kuli durchzuarbeiten.
15:15, erneut auf dem Sprung
Der Sohn ist glücklich und ausgeglichen nach der Ergotherapie, in der heute auf einer Schaumrutsche in Badehose getobt wurde. Ein Kindertraum. Die Große schläft noch, ich habe ein bisschen Sorge, dass sie die Abholung der Jüngsten aus der Kita verpennt und stelle ihr deswegen den Wecker.
Ich muss gleich schon wieder los, denn um 16 Uhr ist meine erste Sitzung als Mitglied des Verwaltungsrats der Wessenberg´schen Vermögensstiftung. Da es nicht regnet, fahre ich mit dem Rad. Die Sitzung findet zwar nur 15 Minuten von meiner Wohnung entfernt statt, aber ich kenne die Räumlichkeiten nicht. Deswegen verlasse ich das Haus schon um 15:30. Sicher ist sicher.
17:10 Uhr, im Sitzungssaal
Mir fällt auf, dass mein Handy kein Netz hat. Das ist auch kein Wunder, denn der Sitzungssaal befindet sich keine 20 Meter neben der Grenze zur Schweiz, in einem ehemaligen Mädchenheim, das nun eine integrative Kinderbetreuung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen bietet. Ein riesiger grüner, parkähnlicher und verwilderter Garten umgibt das Haus. Fast wähnt man sich gar nicht mitten in einer Stadt. Aber Netz sollte ich schon haben.
Zähneknirschend buche ich mich in das Schweizer Handynetz ein, denn ich muss ja erreichbar sein, falls die Kinder mich brauchen. Als ich sehe, dass ich keine Anrufe verpasst habe, atme ich auf. Sitzungen inklusive Kinderbetreuung sind schon wesentlich entspannter als solche, in denen das ältere Geschwisterkind aufpasst.
Um 17:30 ist die Sitzung zuende (in der es unter anderem um frühe Hilfen für Eltern und Elternberatung geht, ich fühle mich pudelwohl!), wir erhalten noch eine kurze Führung durchs Haus, und um 18 Uhr bin ich wieder daheim. Wo sich sehr viele Kinder eingefunden habe. Huch. Gut, dass ich da bin, da muss ich der Großen noch sagen, dass das nicht geht, wenn ich nicht da bin. Aber es ist normal, dass hier immer viele Kinder sind, das kann sie nicht wissen.
Aktueller Kinderbestand: 8, davon 3 eigene. Das kommt nun sogar mir etwas überfüllt vor. Aber sie sind friedlich. — Mama arbeitet (@Mama_arbeitet) July 29, 2014
19 Uhr
Ruhe kehrt ein. Das ist mir sehr angenehm, denn das war ein anstrengender, wenn auch erlebnisreicher und toller Monat. Im August und bis Mitte September sind Sitzungsferien, morgen gibt’s Zeugnisse.
Auch wenn ich nie richtig frei habe als alleinerziehende Mutter von 3en, so freue ich mich nun doch darauf, weniger Termine zu haben. Und aufs Ausschlafen. Das machen meine Kinder auch gerne, zum Glück.
Disclaimer: Es ist meinen Kindern nicht peinlich, dass ich hier öffentlich darüber schreibe, wie wenig Geld wir haben. Sie wissen, dass der Wert eines Menschen nichts damit zu tun hat, wie arm oder reich er ist. Und sie sind stolz auf ihre Mutter, die arbeitet. Dass ich mich für unsere Stadt engagiere, finden sie gut.