Gestern hatte ich Lust auf Zöpfe. Nein, zuerst hatte die Jüngste Lust auf Zöpfe, und ich zog nach. Es ist sonderbar, wie jung ich mich fühle, wenn ich Zöpfe trage, als sei ich 10 Jahre alt, höchstens – bei einem Pferdeschwanz ist das anders, mit dem bin ich 20 oder 25, und mit einem Dutt brachte ich mich im Alter von 27 gefühlt auf 35, damit man mich an der Humboldt-Uni, wo ich fast gleichalte Studenten unterrichtete, ernstnehmen würde.
Zöpfe sind irgendwas zwischen albern, spießig und keck, je nach Trägerin. Als ich zum letzten Mal welche trug, etwa 2008 im Büro in der Schweiz, guckte mein Chef sehr irritiert, sagte aber kein Sterbenswörtchen. Ich folgerte, ich sei zu alt für Zöpfe, aber ich irrte. Für Zöpfe ist frau nie zu alt.
Vergangene Woche hatte ich mir schonmal, ganz spontan, einer Laune folgend, die wieder wachsenden Haare zu zwei Zöpfen gebunden, und sehr überraschend einen Haufen Komplimente von mir bekannten und unbekannten Menschen bekommen. Jünger war ich definitiv nicht geworden seit 2008, woran konnte das liegen? Ich dachte nach. Und kam zu dem Schluss, dass es Zeiten im Leben gibt, in denen Zöpfe die angemessene Haartracht sind. Zöpfe in meinem Alter sind sowas wie Punkfrisuren mit 16. Eine Mirdochegal-Frisur.
Ganz anders der Zopf, den ich heute bei meinen Eltern aus dem Papier wickelte, in dem er seit 35 Jahren sorgfältig aufbewahrt wird – mein Zopf, der fiel, als ich 13 war.
Meine Güte, was war ich blond! Und was für tolles Haar, wieso wollte ich das loswerden? Naja, ich war halt 13. Und etwas Neues war fällig. Dass ich den Zopf hinterher bitterlich zurückwünschte, ist ein anderes Thema. Aber es war wichtig, ihn abzuschneiden. Ich weiß noch wie heute, wohin wir gingen (Zum Frisör in die Stadt! Nicht im Dorf!), und wie sonderbar es war, plötzlich ohne die lange Haartracht durchs Leben zu gehen. Der Kopf schien mir wegzufliegen vor Leichtigkeit, ich war nicht sicher, ob ich das mochte.
Später, mit 17, hatte ich wieder lange Haare, die mir fast bis zum Po reichten. Aber ich hatte es getan, das mit dem Zöpfe Abschneiden, und es war wichtig – zumal meine Mutter sich dagegen ausgesprochen hatte, mir den Wunsch aber trotzdem erfüllte.
Dieser Zopf, den ich mir heute an die Haare hielt, passt immer noch erstaunlich gut zu mir. Ich nahm ihn mit und wundere mich, wie weich und schön er nach wie vor ist. Denn meine Haarfarbe ist schon lange nicht mehr echt, ich färbe seit Jahren.
Ich wünschte, ich hätte nochmal solche Haare. Als Kind und Heranwachsende weiß man das nicht wirklich zu schätzen. Aber das ist vorbei. Es bleibt der im Papier gewickelte geflochtene Pferdeschwanz, der neben dem meiner Mutter, den sie auch noch aufbewahrt hat, aussieht wie ein Museumsstück.
Ein Museumsstück, hinter dem ich meine Mutter, die in 2 Jahren 80 wird, als junge Frau sehe, sie war wunderschön. Und mich mit all meinen Träumen und Vorstellungen vom Leben, die ich mich gar nicht schön fand. Heute weiß ich, es war alles in Ordnung mit mir. Mit oder ohne Zopf bzw. Zöpfen. Aber lieber mit.