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Wie ich unsichtbar wurde

Wann das angefangen hat, ist mir ein Rätsel. Es muss mit der ersten Schwangerschaft gekommen sein, denn kurz vorher hatte ich noch in Lübeck diesen russischen Künstler kennengelernt, mit dem ich mich gelegentlich auf einen Tee traf, obwohl ich schon verlobt war mit dem Vater meiner Kinder.

Der russische Künstler hatte grüne Augen, wie ich es gerne mag. Der Vater meiner Kinder hat braune, aber er versprach mir das blaue vom Himmel herunter, insofern vergaß ich meine Vorbehalte gegen braune Augen, das Heiraten und gleichzeitiges Kinderkriegen.

Mit 33 Jahren war ich also noch so sichtbar, dass fremde Männer versuchten, mich zu umgarnen. Gut, ich sah jünger aus und war offenbar irgendwie niedlich mit meinen Sommersprossen und meiner zierlichen Statur. Und ich kannte es nicht anders – seit meiner Teeniezeit hatte ich immer und überall geflirtet, aus Spaß am Blickkontakt und koketten Wortspielen. Das war ein Spiel, das ich jederzeit abbrechen konnte, und es gab keinen Tag, an dem ich nicht flirtete.

Wenn mir heute noch ein Bauarbeiter hinterherpfeift, überlege ich, ob der eine Brille braucht. Und es ist schockierend, aber wirklich so, dass ich seit 14 Jahren das Gefühl habe, dass mich die Männer nicht mehr sehen. Zuerst lag’s vielleicht am Schwangerschaftsbauch, dann am Baby im Kinderwagen, später hatte ich Familie und auch sehr wenig innere Freiheit, um mir einen Flirt zu erlauben. Der einzige ernsthafte Flirt, den ich mir gestattete, mit einem Kollegen aus der Firma in Norwegen, führte zu bösen innerehelichen Turbulenzen, und danach hatte ich erstmal genug vom Fremdflirten. Das war 2008.

© bevangoldswain - Fotolia.com
© bevangoldswain – Fotolia.com

Nun bin ich schon 4 Jahre getrennt und natürlich nicht mehr knackfrisch, aber ein Mann in meinem Alter hört ja auch nicht auf, zu flirten. Nur flirten die leider nicht mit mir.

Da ich mich für Männer meines Alters nicht interessiere (mein Ehemann war 8 Jahre jünger als ich), würde mir das auch nichts nützen, aber mich wundert, dass nicht einmal ältere Herren versuchen, mal ein wenig keck zu sein.

Die jungen Männer sehen aus nachvollziehbaren Gründen lieber dem knackigen Gemüse Mitte 20 hinterher, das mache ich auch gelegentlich. :)

Fast habe ich den Eindruck, dass ich eher anerkennende Blicke von Frauen bekomme als vom männlichen Geschlecht. Fremde Frauen zwinkern mir zu, Männer sehen durch mich hindurch. Bleibt das jetzt so? Ich hoffe nicht.

Und sagt nicht, es liege daran, dass ich ja gar nicht offen sei und das auch so ausstrahle. Doch, ich habe Lust, zu flirten. Aber keiner spielt mit mir!

Ich habe den ganz bösen Verdacht, dass das ein strukturelles Problem ist. Anders ausgedrückt, dass von Frauen über 40 angenommen wird, sie würden nicht flirten. Und von Müttern sowieso. Dabei gibt man doch seine Lebenslust idealerweise nicht mit dem positiven Schwangerschaftstest ab! Dass ein verheirateter Mann flirtet, ist gesellschaftlich akzeptiert. Aber wehe, eine Frau, die gerade erst Mutter wurde oder schon mehrere Kinder hat, wagt es, den Blick zu lange zu halten oder zu zwinkern – da sind wir ganz schnell bei der alten „Toller Hecht“ versus „Schlampe“ Problematik. Die Erkenntnis ist nicht neu, sondern festigt sich: manchmal wäre ich lieber ein Mann.