Vor drei Tagen kam mein Geld an, das Honorar fürs neue Buch bei der Stiftung Warentest. Kurz, ganz kurz, war ich reich.
Für alle, die nicht im Buchbusiness sind: Es ist üblich, dass die Autorin bei Vetragsabschluss einen Vorschuss erhält (etwa ein Drittel der gesamten Summe), und dann bei Abgabe des Manuskripts und bei Veröffentlichung den Rest des Geldes. Ich hatte also im Januar 2018 einen Teil erhalten, und nun, nach Rechnungsstellung, den großen Batzen.
Wobei groß, und das wissen alle AutorInnen, relativ ist – vom Bücherschreiben wird kaum jemand reich, es sei denn, es gelingt das Kunststück, einen Bestseller zu schreiben. Aber für den Moment fühle ich mich reich, denn ich kann endlich Dinge kaufen, auf die ich lange verzichtet habe, und die anzuschaffen eigentlich längst überfällig gewesen wäre. In der Politik nennt man das Investitionsstau, und da ich schon seit 5 Jahren Lokalpolitik mache, gehen mir die dazugehörigen Begrifflichkeiten doch irgendwie in Fleisch und Blut über, das lässt sich kaum vermeiden.
Eine Autorin mit altem Laptop auf der Holzbank – kein Klischee, sondern Realität
Vorgestern also habe ich, sofort nachdem ich meinen Kontostand gecheckt habe, ein neues Laptop bestellt. Das war eine große Sache für mich, und ich fiebere der Lieferung entgegen wie früher als Kind dem Weihnachtsabend. Mit mir fiebert die Jüngste, der ich schon vor Monaten versprochen habe, dass auch sie bald einen eigenen Computer bekommt – natürlich keinen neuen, sondern entweder meinen jetzigen, oder einen, den eventuell jemand aus dem Bekanntenkreis übrig hat. Sie will darauf nämlich Minecraft mit Mods spielen, und mit ihren Freunden auf Discord reden, was für sie als Autistin über weite Strecken angenehmer ist als der Kontakt mit Kindern im Real Life, die man nicht einfach auf „bin abwesend“ schalten kann, die man auch nicht sehen und riechen muss, und die sich leiser stellen lassen, das nur nebenbei.
In etwa einer Woche kommt mein neues Laptop, das dann hoffentlich auch wieder 4 Jahre gut seinen Dienst tut. Im 5. Jahr seines Betriebs ließ sich mein jetziger Rechner nur noch im Notmodus hochfahren, durch 30-sekündiges Drücken des Einschaltknopfes ohne Verbindung zum Netz, und darauffolgenden kurzen Druck auf „An“ mit Stromanschluss. Jeden Tag hatte ich Sorge, dass das nicht mehr geht, und jeden Tag klappte es trotzdem. Meine wichtigen Docs sind in der Cloud gespeichert, ich hatte vorgesorgt. Aber gutes, einer Autorin würdiges Arbeiten war das natürlich nicht. Zumal ich aufgrund unserer Wohnsituation (ich habe kein eigenes Zimmer, geschweige denn ein Büro hier im Home Office) auf einer Holzbank am großen Wohnzimmertisch aus Massivholz sitze.
Steuerklasse 2 sucks sobald das große Kind 18 ist und jobbt
Ein guter Teil also schon weg von dem schönen Geld, weitere 1000 € bereits bezogenes Kindergeld werde ich ans Finanzamt zurückzahlen müssen, weil die Große nach ihrem 18. Geburtstag und nach dem Abi nun jobbt, damit sie sich den Auszug leisten kann. Damit falle ich überdies aus Steuerklasse 2, obwohl hier noch 2 Kinder unter 18 leben, für die ich nicht einmal Unterhalt vom Vater der Kinder bekomme. Das ist absurd, aber so ist unser Steuersystem gegenüber Alleinerziehenden. Der Staat geht davon aus, dass sie als erwachsenes Kind einer Alleinerziehenden die Familie mit ernährt, dabei braucht sie das Geld selbst dringend, um Kaution, Umzug und erste Möbel anzuschaffen. Wie ungerecht das ist, wissen insbesondere alle Kinder, die in Familien mit Hartz IV Bezug aufwachsen. Ich würde meiner Großen gerne finanziell unter die Arme greifen für den Auszug, kann das aber nicht.
Außerdem werde ich 1000 € ans Jugendamt zahlen müssen, weil Kindergeld und Unterhaltsvorschuss bei der Internatsunterbringung vom Sohn, die wir 2 Monate lang in Anspruch genommen haben, als mein Anteil an der Finanzierung eingefordert werden. Das ist okay, aber doch finanziell schmerzlich für mich – trotzdem war es einen Versuch wert, ich wollte das dem Sohn gerne ermöglichen. Dass er sich entschieden hat, lieber wieder Zuhause wohnen zu wollen, ist also einerseits schade, andererseits finanziell eine Erleichterung.
Das erste neue Fahrrad des Lebens, und Möbel müssen auch her
Ohne jetzt verraten zu wollen, wie hoch mein Honorar war, was ich ja auch rein vertraglich gar nicht dürfte, kann ich aber sagen, dass von dem „vielen Geld“ schon gar nicht mehr so viel übrig ist. Für ein neues Sofa wird es nicht reichen (unseres ist 7 Jahre alt und durch die intensive Nutzung mit 3 Kindern ziemlich verwohnt), wohl aber für ein neues Fahrrad für die Jüngste. Sie hat noch nie ein neues Fahrrad gehabt, immer nur gebrauchte, was eigentlich völlig in Ordnung ist, sich für sie aber ungerecht anfühlt. Jüngste Geschwister werden das nachfühlen können. Ich werde also ein nagelneues Kinderfahrrad kaufen, ihre große Schwester (18, damals 16) hat letztes Jahr bei Vertragsabschluss fürs Buch auch ein neues Rad von mir bekommen, dann soll die Jüngste (10) auch eines haben.
In den Europapark werden wir nicht fahren, das ist zu weit (3 h pro Fahrt), und viel zu teuer, da lassen wir als Familie nur für den Eintritt schon 200 €, das ist unfassbar viel Geld. Und mit Jüngster und dem Asperger Autismus weiß ich auch nie, wie lange es ihr irgendwo gefällt. Jeder Ausflug kann nach 5 Minuten vorbei sein, wenn ein Überlastungszustand eintritt, was in einem Freizeitpark ziemlich wahrscheinlich ist, selbst wenn es ihr ausdrücklicher Wunsch ist, dort hinzugehen. Stattdessen ist ein Ausflug in die benachbarte Schweiz geplant, wo wir ins „Connyland“ gehen werden, das kostet deutlich weniger und es ist nur 30 Minuten entfernt. Soviel Luxus darf ausnahmsweise mal sein.
Außerdem muss ich auf Möbel sparen, denn wenn die Große wie geplant im Sommer zum Studieren auszieht, dann werden wir hier die Zimmer neu sortieren. Bisher hat weder der Sohn noch die Tochter einen richtigen Kleiderschrank, und die Jüngste braucht einen Schreibtischstuhl, ein Bücherregal und ein kleines Sofa zum Höhlebauen. Ich selbst hätte nach 10 Jahren gerne eine neue ordentliche Federkernmatratze für mein großes Bett, die ist nämlich schon längst reif für den Sperrmüll. Dass sie lange als Familienbett und teils auch als Trampolin für Kleinkinder gedient hat, sieht man ihr deutlich an.
Damit ist mein Honorar schon mehr als ausgegeben. Das macht mich zwar ein bisschen traurig. Aber es ist auch schön, sich für ein paar Tage „reich“ zu fühlen. Alles ist vergänglich, der beruhigende Kontostand auch. War schön, dass Du da warst, Geld!
P.S.: Wer arm ist, sollte sich gut über Zuschüsse, staatliche Förderung, Steuern und seine Rechte informieren. Von daher kann ich euch meinen Finanzplaner (der eigentlich ein umfassendes Nachschlagewerk ist) sehr ans Herz legen.
Und alle, die nicht alleinerziehend sind und etwas Geld übrig haben, können den Ratgeber auch verschenken oder an Beratungsstellen spenden. Ich stelle gerne Kontakt her!