Vorhin gingen die große Tochter (13) und ihre Freundinnen aus dem Haus, nachdem sie hier eine Weile völlig unbeschwert die Wohnung vollgekichert hatten.
Die Jüngste ist krank, sie schläft sich gerade aus, und ich bat die Mädchen, etwas leiser zu sein – aber eigentlich fand ich es ganz wunderbar, dass sie so ganz sie selbst waren, so ein spezieller Flow, an den ich mich noch gut aus den eigenen Teenie-Zeiten erinnere. Als Teenies lachten wir, bis uns die Tränen kamen und der Bauch wehtat. Ich weiß noch genau, wie sich das anfühlt, obwohl ich schon über 40 bin.
Heute bin ich Mutter und trage Verantwortung. Wann war ich das letzte Mal unbeschwert?, frage ich mich gerade. Definitiv vor der Geburt des ersten Kindes.

Mit dem Kind trat etwas in mein Leben, mit dem ich nicht gerechnet hatte: Ich sah die Konsequenzen meiner Handlungen (wahlweise auch Unterlassungen) in erweiterten Dimensionen.
Alles, was ich tue, hat nicht nur Folgen für mich, sondern möglicherweise auch Folgen für meine Kinder, für deren Wohlergehen ich sorgen muss und will.
Da ich alleinerziehend bin, nehme ich mir diese Erkenntnis vielleicht noch mehr zu Herzen als zu den Zeiten, als ich mich noch als Teil der Einheit „Eltern“ sah, ich müsste wahrscheinlich Menschen fragen, die mich erlebten, während ich noch mit dem Vater der Kinder zusammenlebte, ob sie mich als unbeschwert wahrnahmen, und die den Vergleich zu meinem heutigen Ich ziehen können. Solche Menschen sind mir aber, abgesehen von meiner Familie, nicht geblieben, denn mit der Trennung fiel auch der komplette eheliche Freundeskreis weg.
Schaue ich selbst zurück, dann tauchen kleine Episoden auf, in denen ich mich unbeschwert fühlte – bevor ich Kinder bekam, nicht danach. Muss das so sein? Geht das allen Eltern so?

Ich erinnere mich an durchtanzte Nächte in Berlin, das Gefühl absoluter Freiheit in der ersten studentischen WG in Freiburg, die grenzenlose Freiheit beim Interrailen und den scheinbar endlosen Sommer nach dem Abitur. Unbeschwertheit war mein Begleiter, allen kleinen Alltagssorgen und auch größerem Liebeskummer zum Trotz. Aber dass ich damals unbeschwert war, wusste ich nicht. So wie ich auch nicht wusste, dass was ich als totalen Stress empfand, als ich noch Single war, nur ein Vorgeschmack auf die Herausforderungen des Elternseins und später des Alleinerziehendenseins sein würde.
Deprimiert bin ich trotzdem nicht deswegen. Denn ich lasse mich nicht mehr stressen. Eine Stressforscherin sagte mir einst im Interview „Stress ist subjektiv, etwas das empfunden wird, nicht ein bestimmtes Ereignis.“ (Petra Arck, Artikel für Baby & Co über Fehlgeburten aus 2006). Das zu verinnerlichen hilft sehr. Ich frage mich, ob das mit „Beschwertheit“ auch so ist, logisch wäre es ja. Hm. Ist „Unbeschwertheit“ wiedererlernbar? Und wie?
Linktipp: Artikel in der FAZ über Kinderlose, die genauso gestresst sind wie Eltern (13.02.2014)
Liebe Christine, ich denke, diese allumfassende Unbeschwertheit, wie wir sie vor den Kindern kannten, ist definitiv vorbei. Aber: Wenn Stress etwas subjektives ist, etwas das empfunden wird, kein bestimmtes Ereignis, dann gilt das umgekehrt auch. Nicht-Stress ist demnach auch etwas subjektives, etwas, das empfunden wird, kein bestimmtes Ereignis. Das mag auf den ersten Blick frustrierend sein, birgt aber ungeahnte Möglichkeiten. Will sagen: Der Kopf macht die Musik. Mir gelingt Unbeschwertheit, wenn ich vollkommen in einer Situation drinstecke, nicht vor, nicht zurückschaue, quasi im Flow auf Neudeutsch gesagt :-) So wie zuletzt beim Edeka, als ich mich von den Kindern mitreißen… Weiterlesen »
Liebe Tina, danke! Ist der Unterschied zur kindlichen Unbeschwertheit dann das Wissen, dass diese endet? Flow kenne ich auch, und alberne Situationen, in denen ich mich fallenlassen kann, ebenso. Aber grundlegend glaube ich, dass mehr Unbeschschwertheit in meinem Leben möglich ist. Wie du schon schreibst, ist die Frage erstmal formuliert und etwas festgestellt, fügt sich alles. So wie damals, als ich mich grämte, dass die Jüngste beim Abgeben im Kindergarten immer weint (da habe ich heute früh sehr an dich gedacht, als ich das auf twitter las). Kennst du den Blogpost dazu eigentlich? Ich glaube, da waren wir noch nicht… Weiterlesen »
Nein, ich glaube nicht, dass das Wissen um die Endlichkeit der kindliche Unbeschwertheit dazu führt, dass wir diesen Zustand nicht mehr erreichen. Ich denke, es ist die Summe aus erlebten und gehörten Erfahrungen und nun zu tragender Verantwortung. Losgelöst von Elternschaft, das mag den Prozess beschleunigen, aber nicht verursachen. Was ich aber für den größten Faktor halte: Mit zunehmenden Stress (Job, Elternschaft, Besitz, gesellschaftliche Verpflichtungen) kommt uns die bedingungslose Hingabe, die Kinder und Jugendliche naturgemäß noch haben, abhanden. Und nur Hingabe führt zu Unbeschwertheit, weil es voraussetzt, dass ich mich einer Situation völlig hingebe und alles andere ausblende. Deinen Blogpost… Weiterlesen »
Ich bin sprachlos, gerührt und kann nur mit dem Kopf nickend zustimmen. Diese totale Unbeschwertheit wird wahrscheinlich nie wiederkommen…manchmal wünsche ich mir diese Zeit auch zurück. Meine Tochter ist jetzt 17 Jahre, ein Jahr vor dem Abi….und ich freue mich für sie, daß sie so eine tolle unbeschwerte Zeit hat. Und ich werde alles tun, damit sie es genießen kann..!!! Alles…!..vom mir aus auch ein Jahr im Ausland, obwohl ich daheim wahrscheinlich ein Jahr nicht schlafen kann und jeden Cent zweimal umdrehen muß. Der Ernst kommt noch bald genug. Da ich auch alleinerziehend und auch fast alleine für zwei Kinder… Weiterlesen »
Liebe Ela,
nun bin ich ganz gerührt. Ich danke Dir.
LIebe Christine, das hast Du sehr schön geschrieben und zusammen gefasst. ich erkenne mich darin wieder, denn ähnliche Fragen gingen mir natürlich auch schon durch meinen alten Kopf. Für mich fühlt es sich ein bisschen so an, als ob die Unbeschwertheit parallel zu getroffenen Lebenseintscheidungen abnimmt. Alles nur die Nebenwirkungen des Erwachsenwerdens? Obwohl ich nicht alleinerziehend bin, fühle ich mich wegen der Verantwortung deutlich weniger unbeschwert als vor den Kindern. Diese „mind-games“ finde ich immer zwiespältig. Einerseits machen sie Mut, weil etwas änderbar scheint. Ist es für manche Menschen wohl auch. Andererseits haben sie dieses „Du könntest unbeschwerter/entspannter/gelassener/glücklicher etc. sein,… Weiterlesen »
Ich mag Senf. In allen Variationen. Danke dir!
:)
Liebe Christine, Ich weiss was du meinst – auch wenn ich glaube, dass dieses Gefühl als Alleinerziehende sicher noch viel stärker ist. Wenn ich mal die Möglichkeit habe abend auszugehen – mit meinem Mann, mit Freunden oder so – dann ist es auch nicht mehr so wie früher. Ab 23 Uhr kommt das schlechte Gewissen, Alkohol auch nur so, dass der nächste Morgen noch erträglich wird – immer alles mit dem Wissen, dass die Nacht nur kurz wird und bereits am nächsten Morgen wieder meine volle Aufmerksamkeit gefordert wird. Manchmal fehlt mir das wirklich – das nicht an die Konsequenzen… Weiterlesen »
Liebe Andrea,
das kommt aufs Alter an – 15 Jahre sind für mich lang, weil ich in 15 Jahren 63 bin. Oder 62, je nach Jahreszeit. Und DAS ist dann manchmal schon deprimierend, denn ich habe keine Aussicht auf schöne Reisen (Geldmangel) mit einem netten Partner (gut, es ginge auch ohne). In diesem Punkt ist es wirklich blöd, spätgebärende, getrennte Akademikerin zu sein.
Viele Grüsse, und vielen Dank fürs Kommentieren,
Christine
Ich erlebe es umgekehrt. Im Leben 1.0 machte ich mir einen Kopf für Dinge, die ich weder ändern konnte und die eigentlich streng genommen auch überhaupt nicht wichtig waren. Ich muss aber anmerken, dass ich lange Jahre klinische Depressionen hatte, das erlaubt gar keine solche Unbeschwertheit, wie Du sie offenbar erlebt hast. Mein fröhliches Was-kostet-die-Welt-Lachen verschwand irgendwann von den Fotos, als ich vielleicht so 8 oder 9 Jahre alt war. Seit Kurzer auf die Welt gekommen ist – und seit er ein paar Wochen später fast in meinen Armen starb – haben sich viele Dinge relativiert. Ich mache mir viel… Weiterlesen »
Das ist bei mir ein Stück weit ähnlich, liebe Katharina. Seitdem ich gleich drei Kinder habe und alles alleine mache, nehme ich die Dinge, die ich nicht ändern kann, viel gelassener (mit einem war ich weit davon entfernt). Und bevor ich Kinder bekam war ich nun wirklich nicht immer unbeschwert, vielleicht einfach öfter und intensiver? Gegrübelt habe ich oft damals und mir vieles sehr zu Herzen genommen, was ich heute einfach wegwische innerlich. Ich weiss gar nicht, ob ich gerne wieder wäre wie früher. Eher nein. Ich hätte gerne das beste aus beiden Welten. :)
Da sprichst du ein Thema an, das mich auch schon länger beschäftigt. Und ja, manchmal blicke ich wehmütig zurück auf meine Studienzeit, auf ungezwungene, nächtliche Gespräche mit einer Flasche Rotwein im Stadtpark im Wissen, dass der Morgen danach mir gehört. Ich habe mir damals wenig Gedanken darum gemacht, ob und wie ich überlebe. Ich habe mit Studentenjobs das verdient, was ich zum Leben brauchte, und mehr brauchte ich nicht. Einschränkend muss ich dazu sagen, dass ich diese Unbeschwertheit als Kind nie hatte, weil meine Mutter Alkoholikerin war und ich den Haushalt geschmissen habe. Studium und erste Jobs waren die Zeit,… Weiterlesen »
Liebe Frau Kreis,
so könnte es sein – dass der Verlust der Unbeschwertheit und das Erwachsensein zusammengehören. Das gefällt mir andererseits überhaupt nicht gut. Und es fällt mir wohlmöglich jetzt erst auf, weil ich vorher gar keine Zeit hatte, darüber nachzudenken vor lauter Funktionieren?
Ich les gern bei Dir mit. Und unbeschwert bin ich sicher auch nicht (bei mir ging das mit dem Tod meines ersten Kindes verloren…oder etwa eine Woche davor?…kann’s kaum sagen). Ich bin vollgestopft mit Ängsten und Zweifeln. Mein Mann sagt, ich male schwarz, ich sage, ich bin realistisch…es ist schwer zu fassen. Ich weiß aber sicher, dass das, wonach wir uns sehnen, die Richtung vorgibt. Meiner Erfahrung nach lohnt es sich immer, der Sehnsucht zu folgen und sei sie noch so abstrakt oder unerreichbar. Was dann unterwegs passiert, weiß ich sicher nicht, aber DASS was passiert ist sicher. Mein Begriff… Weiterlesen »
Liebe Minusch, daran anknüpfend die Frage, ob man jemals wieder unbeschwert sein kann, wenn so schlimme Sachen passiert sind. Der Tod eines Kindes ist das schlimmste, was ich mir vorstellen kann, und auch wenn mir Dinge passiert sind, viele Dinge, die für andere wiederum unfassbar schrecklich sind, so habe ich doch die Hoffnung, dass Unbeschwertheit nicht unerreichbar ist. Das wäre so traurig. Ich danke dir sehr für deinen Kommentar. Der Sehnsucht zu folgen ist mir gerade nicht möglich, genau wie du schreibst, Freiheit fehlt. Es gibt nur kleine Fluchten im Alltag oder winzige Auszeiten. Aber sie ganz aufgeben mag ich… Weiterlesen »
Ich fürchte, ob man die Unbeschwertheit wiedererlernen kann, das hängt vor allem davon ab, wie man sie definiert. Dieses Teenie-Gefühl, die Freue um der Freude wegen, sich selbst genug zu sein und selbstbewusstsein für 10 zu haben, kommt bestimmt in den wenigsten Fällen wieder. Dafür braucht es meiner Meinung nach nämlich auch den teenagertypischen Blickwinkel auf die Dinge. Das Selbstbewusstsein, dass in dieser Zeit entstanden ist, ist ohne Zweifel, weil es eine andere Weltsicht für geradezu absurd hält. Die meisten Teenager sind durch die unzähligen Abgrenzungen, die sie getroffen haben, gerade an einem Punkt angelangt, an dem sie für einen… Weiterlesen »
Flow und Unbeschwertheit, das kristallisiert sich für mich immer mehr heraus, sind höchstens Geschwister. Eher Kusins. Ich war als Teenager aber gar nicht soooo sehr selbstbewusst. Aber ohne grössere Sorgen, was die Zukunft betrifft, und die Verantwortung für mein Wohlergehen hatten im Grunde meine Eltern, was war für mich ein Naturgesetz. Was die Schwarzweiss-Sicht auf die Welt betrifft, so hatte ich die als Teenager eher nicht. Ich war aber auch sehr grüblerisch. Bunt ist sie heute, mit unglaublich vielen Schattierungen, das stimmt. Aber ich glaube, wir meinen mit diesem Farbenvergleich trotzdem etwas Ähnliches, denn wie viele andere Sichtweisen es gibt… Weiterlesen »
Liebe Christine, das ist sehr schön erfasst. Ich war zwar auch vor der Geburt des ersten Kindes kein allzu unbeschwerter Typ, habe aber wenigstens die ein oder andere gute Phase genutzt. Ich vermisse heute das Gefühl, einfach machen zu können, einfach Entscheidungen zu treffen oder mich frei bewegen zu können, ohne an das Abholen der Kinder oder ihre Sport- Musik- und sonstwie-Termine zu denken. Ich denke immer für drei, stelle meine Bedürfnisse immer hinten an, nehme immer Rücksicht etc. Ich vermisse dann besonders, hier vor Ort keinerlei Familie zu haben. Die nächsten Großeltern leben 500 km entfernt. Da gehen die… Weiterlesen »
Liebe Mama spinnt,
ist hier ja auch so – keine Verwandten weit und breit. Dass man Verantwortung vielleicht nicht teilen kann, interesante Überlegung. Liebe wird ja auch nicht weniger, wenn zwei Eltern sie aufteilen bzw. verteilen. Ich glaube, je nach Typ Mensch könnte da etwas dran sein. Was mich betrifft, so ist Verantwortung vielleicht auch wegen der Wahl meines Ehepartners schwer teilbar gewesen, den ich besonders wegen seiner Leichtigkeit anziehend fand.
Viele Grüsse! Christine
Schöner Artikel da oben! Entschuldige das ich so reinplatze. Bin gerade hier vorbei geflogen und muss aus natürlichen Gründen auch meinen Senf dazu geben. :-) Ich bin auch berufstätig, Mutti und habe zwei Kinder, wovon die älteste Tochter vor einem Jahr mit 20 geheiratet hat. Allerdings bin ich nicht Alleinerziehend, … obwohl ich mir das in manchen Situationen wünschen würde. Man kann sich seine Unbeschwertheit erhalten. Sicher, nicht mehr ganz so stark als wir noch Kinder waren, aber immerhin doch soweit, dass das Leben lebenswert bleibt. Man muss nur gelassener werden und sich nicht alles zu sehr zu Herzen nehmen.… Weiterlesen »