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Kalte Wut und noch mehr Termine, aber keine Diagnose

Wut. Wut wie damals, als ich Kind war – als Erwachsene merkst du ja meist gar nicht mehr, dass du so richtig sauer bist, weil du vorher schon abbremst, ausweichst, dich beruhigst und dein Kopf das regelt. Aber das hier, dieses Reißen in meinem Bauch, das ist richtige Wut. Kalte Wut.

Wut, weil ich – wieder einmal – Hilfe gesucht habe, Termine hatte, von Fachleuten etwas wollte, Hoffnung auf irgendwas hatte, und irgendwas hätte schon gereicht. Bekommen habe ich „Unsere diagnostischen Möglichkeiten sind ausgeschöpft“, den Hinweis, in zwei jeweils 2 Stunden Autofahrt gebe es Zentren, die eventuell weiterhelfen könnten, aber hier könne man nix für uns tun, auf Wiedersehen, da ist die Tür.

Die Mühe, sich genau einzuarbeiten, haben sie sich gar nicht mal gemacht, das Urteil stand schon fest, wieso da noch genauere Erkundungen einholen? Kein „Es tut mir leid, dass wir Ihnen nicht helfen können“, kein freundliches Wort, stattdessen ein ausweichender Blick, wir waren lästig.

Im Besprechungszimmer nicht in Tränen ausbrechen und auch nicht fluchen. „Komm, wir gehen. Die helfen uns hier nicht“, und „Scheiße“ murmeln, beim Rausgehen, im Auto erstmal atmen, weil das kein guter Zustand zum Autofahren ist, und alles Hinschmeißen wollen. Dann halt keine Diagnose, obwohl der Fachmann in meiner Stadt gesagt hat, für ihn sehe es ganz eindeutig nach Diesunddas aus, zusätzlich zu dem, was schon diagnostiziert ist, und ich solle versuchen, mir das bestätigen zu lassen, damit es leichter wird. Als ob irgendwas jemals leichter würde, ich hätte es wissen müssen.

History repeating, aber hey, das ist sicher Projektion!

Ich mag nicht mehr, ich bin die Alleinerziehende mit dem schwierigen Kind, das liegt sicher daran, dass die Mutter (Akademikerin, Doktortitel, und hinterfragt auch noch Dinge) so unfähig ist, ja, das muss es sein.

Dass das alles schon eine Generation vorher genauso stattgefunden hat, und die Oma erzählt, ihr habe damals auch keiner geholfen, sie sei von Arzt zu Arzt gegangen, und überall habe man den Kopf geschüttelt und die Schuld bei ihr gesucht, das interessiert keinen, das kann alles Zufall sein, Projektion, überdrehte Mutter, Sie wissen schon. Die ist ja auch ständig im Fernsehen, soll sie sich lieber um die Kinder kümmern, dann gibt’s auch keine Probleme!

Und niemand da, der mich jetzt festhält. Der mir sagt, die spinnen doch alle, unerhört, und lass dich nicht unterkriegen! Ich will ins Bett, die Decke über den Kopf ziehen, niemanden mehr sehen. Aber ich muss Mittagessen machen, nachher zum Reiten mit dem Kind, und heute Abend auf die Abifeier meiner Großen, auf die sie sich so freut.

Ich bin nicht das Problem, ich bin die Lösung, ich weiß das, aber ohne Diagnose kriegt mein Kind keine Hilfe, also muss ich da durch.

Also noch mehr Termine, noch weiter weg, noch keine Hilfe. Und weiterhin schräge Blicke, Unverständnis, idiotische Ratschläge, alles von vorn. Freiburg also. Oder Tübingen. Denn Aufgeben ist ja auch keine Alternative.