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Die 3. Bahn ist die schlimmste (Selbstmotivations-Protokoll)

Übers Schwimmen, und irgendwie auch den ganzen Rest.

Die erste Bahn ist leicht, wenn man erstmal drin ist. Schwimmkappe gut anfeuchten, das widerspenstige Latex über den Kopf zuppeln, die Schwimmbrille fest andrücken, damit auch wirklich kein Wasser reinläuft, und möglichst schnell rein ins Wasser, denn es ist immer unangenehm, von der Luft ins Wasser zu wechseln, außer, ich bin im Thermalbad und es ist draußen kalt. 50 Meter sind schnell geschwommen, zack, Wende.

Bahn 2 ist auch ganz schnell vorbei, was sind schon 100 Meter? Ich zähle bei jedem Kraul-Armzug, den ich mache, und denke an nix. Die Welt ist leise und ganz weit weg, ich höre nur mein Blubbergeräusch vom Ausatmen. Einatmen, ausatmen. Du kannst nicht richtig einatmen, wenn du nicht ordentlich ausatmest unter Wasser, und Luft anhalten ist schlecht. Eins, zwei, drei, vier, Einatmen bei fünf, eins, zwei, drei, vier, Einatmen bei fünf. Wende.

Die dritte Bahn ist die schlimmste, jedes Mal, und über all die Jahre hinweg. Ich schwimme mehr oder weniger regelmäßig, seitdem ich 12 bin, und Bahn drei ist fürchterlich. Immer. Warum hatte ich nochmal gedacht, es sei eine gute Idee, schwimmen zu gehen? Und gleich 20 Bahnen? Boah, ist das noch weit. Mir ist langweilig. Ich könnte ja auch nach 10 Bahnen aufhören. Mal sehen. Die Arme werden auch schon schwer. Und kalt ist mir auch. Wieso ist die dritte Bahn so lang!?

Bahn 4 – geht doch. Ich habe ja gleich ein Fünftel geschafft. Eins, zwei, drei, vier, Atmen. Ein Fünftel klingt schon ziemlich gut. Vielleicht mache ich doch die 20 voll. Wende.

Läuft doch eigentlich ganz gut, Bahn 5 ist schon ein Viertel, verrückt,wie gut sich das auf einmal anfühlt. Eins, zwei, drei, vier, Atmen, Wende, ich bin auf Bahn 6. Das ist fast ein Drittel der Strecke, die ich mir vorgenommen habe, und ich bin ziemlich weit gekommen. Da werde ich den Rest doch auch noch schaffen, wäre ja blöde, nach 10 Bahnen aufzuhören, aber die Möglichkeit habe ich immer noch. Wende.

Auf Bahn 7 habe ich mich eingegroovt, jetzt ist schon über ein Drittel der Bahnen geschafft, einatmen, ausatmen, Wende. Nur noch zwei Bahnen, jetzt hab ich schon 10, und irgendwie wird es mit jeder Bahn leichter. Wieso hatte ich vorhin daran gedacht, jetzt schon aufzuhören? Es fängt jetzt gerade erst an, richtig Spaß zu machen.

11 ist meine Lieblingszahl, zwischen Bahn 12 und 15 gleite ich mühelos, einatmen, ausatmen, drei Viertel geschafft. Wie schön der Himmel heute aussieht, und mit dem Fünfer-Atemzug beim Kraulen sehe ich die Landschaft zu beiden Seiten, das Wasser ist weder warm noch kalt, sondern einfach da. Keine Ahnung, wie alt ich bin, und in welchem Schwimmbad, ich bin auch einfach nur da. Alles ist gut.

Wende, Bahn 16. Schade, nur noch vier Bahnen, einatmen, ausatmen, die letzten drei Bahnen genieße ich. Eigentlich könnte ich noch viel weiter schwimmen, und wieso habe ich mich nicht verausgabt? Lege ich mal einen Zahn zu, mal gucken, was geht. Wow, ich hab immer noch Kraft, ich erhöhe die Schlagzahl, ich ziehe das Tempo an. Die letzte Bahn mache ich einen kleinen Endspurt, um zu gucken, wieviel Kraft ich noch habe. Anschlag nach Bahn 20, erstmal zufrieden an den Beckenrand hängen. Dann ausschwimmen, rückwärts im Froschmodus, und in den Himmel gucken.

Und ab in die Dusche. Mir egal, wie ich aussehe, mit den verstrubbelten Haaren, die ich aus der Latexkappe befreie, den Augenringen von der Schwimmbrille, ich dusche jetzt lange und warm. Das hab ich mir verdient.