Hand aufs Herz – wie haltet Ihr es mit dem Bezahlen beim Blumenfeld? Da, wo es Dahlien, Tulpen oder Narzissen zum Selberschneiden gibt, auf einem Feld ohne Personal?
Am Rand des Feldes, an dem wir gestern anhielten, stand eine ziemlich imposante Kasse, die einer Festung glich: das war ein Betonklotz mit Schlitz, und dort sollten die Selbstpflücker das Geld für die Blumen hineinstecken. Ein Zettel mit „Kasse wird jeden Abend geleert!“ gemahnte daran, dass es offenbar Menschen gibt, die versuchen, Blumenfeldkassen zu plündern.
Ein großes Schild erklärte, dass hier 30 Cent pro Narzisse und 50 Cent pro Tulpe zu entrichten seien, und trotz des miserablen Wetters waren etliche Menschen im Schlamm auf dem Feld unterwegs, um Blumen zu pflücken.
Auch wir pflückten eifrig und hatten neben klammen Fingern und schmutzigen Schuhen einen Heidenspaß dabei. Ob ich das passende Kleingeld haben würde, daran hatte ich beim Pflücken nicht gedacht. Aber das muss man auch gar nicht mehr heutzutage, denn dieser Blumenanbauer bot sogar die Zahlung mit PayPal via QR-Code an, wie ich mit großem Staunen feststellte.
Wie kalkuliert der Bauer? Und was geht mich das an?
Einige Blumen, die die Jüngste auserwählt hatte, waren schon fast verblüht. Musste ich für die jetzt auch den vollen Preis zahlen? Oder wäre es okay, einen Abschlag zu berechnen? Und was ist das überhaupt für eine Kalkulation – schreibt der Bauer da höhere Preise hin, als er eigentlich erwartet, in der Annahme, dass die Leute sowieso weniger in die Kasse werfen? Waren 50 Cent für eine Freilandtulpe nicht ziemlich viel?
Dieser und andere Gedanken beschäftigten mich, während ich nach Münzen kramte. Und dann stellte ich mir vor, wie aufschlussreich es wohl wäre, heimlich zu filmen, wieviel Geld die Blumenkunden jeweils in die Kasse stecken, wie viele Blumen sie tatsächlich in der Hand halten, und wie sie reagieren würden, wenn man sie darauf anspricht, warum sie schummeln. Es gäbe diejenigen, die kein Unrechtsbewusstsein haben, diejenigen mit dem schlechten Gewissen, diejenigen, die sich rechtfertigen für ihre Mogelei, und dann eine Handvoll ehrlicher Menschen, die sowieso genauso viel zahlen würde, wie der Bauer auf dem Schild angeschrieben hatte.
Was Unterhaltsprellen und Mogeleien im Tulpenfeld gemein haben
Das Tulpenfeld ist ein Spiegel der Gesellschaft. Nur weil niemand da steht und aufpasst, ob alle korrekt bezahlen, verwischen die Grenzen zwischen Recht und Unrecht. Denn wenn man es ganz sachlich betrachtet, dann ist es Diebstahl, zu wenig oder nichts zu zahlen, ob das nun ein Blumenfeld ist oder ein Supermarkt. Da stand nicht „Geben Sie so viel für die Blumen, wie es Ihnen richtig erscheint“, sondern ein konkreter Preis. Und wäre es ein Blumenkohlfeld, dann dürfte man auch nicht einfach Blumenkohl mit nach Hause nehmen.
Und irgendwie ist es genauso, wenn so ein Delikt wie Unterhaltsprellen nicht richtig verfolgt wird. Dann denken diejenigen, die eigentlich zahlen müssten, es läge in ihrem Ermessen, zu entscheiden, wie viel Unterhalt sie für ihr Kind überweisen. Und ob sie das überhaupt tun. Dabei ist es Diebstahl am eigenen Kind, wenn man ihm seinen Unterhalt vorenthält. Es braucht Wächter – entweder die Gesellschaft oder den Staat, wenn die eigene Moral offenbar so leicht ins Schwanken zu bringen ist.
Menschen biegen sich die Dinge gerne so zurecht, wie es für sie passt. Auch ich tue das manchmal. Gestern habe ich nur 6,50 € in die Kasse des Blumenfeldes gesteckt, obwohl wir ein paar mehr Tulpen (aber fast schon verblühte, das waren die, die Jüngste unbedingt wollte, ich schwöre!) genommen hatten. Hätte da ein Bauer gestanden, wäre das nicht passiert.
Und die Moral von der Geschicht‘?
Ich bin auch ein Mensch mit Fehlern. Und es ist gut, dass es Regeln und Wächter dieser Regeln gibt. Aber dass es beim Zahlen von Unterhalt so zugeht wie auf dem Tulpenfeld, das darf nicht sein, da müssen wir alle hingucken!
Es geht schließlich um Kinder, und die müssen vom Gesetzgeber und der Gesellschaft besonders gut geschützt werden. Wir müssen ja nicht mit der Mistgabel auf die Unterhaltspreller losgehen wie der Bauer früher, wenn man vom Feld etwas klaute. Hingucken hilft auch schon. Je genauer, desto besser. Davon bin ich fest überzeugt.
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30 Kommentare auf "Tulpenfeld-Moral"
Richtig. Und beim Blumenfeld ist es ja auch so, dass der Bauer dadurch, dass er dort nicht sitzt und aufpasst, Geld spart, also seine Arbeitszeit. Aber eines bezweifle ich doch: meinst du wirklich, es gibt Leute, die beim Blumenfeld mehr zahlen, als sie müssten? Das hätte ich ja liebend gerne mal statistisch untersucht. Ob’s dazu Studien gibt?
Gibt es :-) Nicht übers Blumenfeld, aber ähnliche Beispiele. Und ja, manche Leute zahlen freiwillig mehr: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S016726810900105X
Liebe Grüße aus LA!
Oh halt.
Sexismus. Entschuldigt bitte. Denn: Es ist NICHT IMMER EIN VATER! Es gibt nämlich auch MÜTTER, die den Unterhalt nicht zahlen! (Und wenn es auch überwiegend Väter sind, dann frage ich, wieso die Kinder überwiegend den Müttern zugesprochen werden, bei der Gleichstellungsdebatte heutzutage …)
Da ich jetzt durch mehrere Fälle sensibilisiert bin, wäre es gerecht, auch zu gucken, ob das vom nichterziehenden Elternteil (es kann ja auch die Mutter unterhaltspflichtig sein) gezahlte Geld wirklich beim Kind ankommt (Musikschule, Instrument, Sportausrüstung, Laptop, altersgerechter Ranzen, Gemüse, Obst, Friseur, Armbanduhr, Schuhe, Winterkleidung, Haustier, Kino, Theater, Kunst) oder ob nur der Haushalt mit einem größeren Fernseher, einer Ledercouch oder dem neuen SUV aufgepeppt wird. Kontrolle ist in beiden Fällen notwendig. Es sind ja leider keine zweckgebundenen Gutscheine, die da fließen…
Als Aufstocker und im Hartz 4 Bezug, kommt da leider nichts beim Kind an. Das wird verrechnet und aus dem Bedarfsatz des Kindes kann man ja dann: Musikschule, Instrument, Sportausrüstung, Laptop, altergerechten Ranzen, Gemüse, Obst, Frisör, Armbanduhr, Schuhe, Winterkleidung, Haustier, Kino, Theater und Kunst bezahlen.
Sicher gibt es auch die Fälle, bei denen der Unterhalt fürs Kind in Lederwaren, Kosmetika und Kaffeehausbesuche investiert wird. Eine Kontrolle ist ja nicht möglich und auch nicht erwünscht. Das laute Klagen und Jammern kommt für die Mütter erst mit dem Pensionsbescheid.
Das ist Quatsch, Lothar – es gibt jährlich eine Renteninformation der BfA. Und dieser Vorwurf, dass der Unterhalt beim Kind nicht ankomme, ist auch durch Studien belegt haltlos. Die meisten Alleinerziehenden geben proportional mehr Geld für ihre Kinder aus als Eltern in Paarfamilien. Es bleibt kaum etwas für den/die AE übrig, das ist statistisch gesehen die Normalität.
Ja die Statistiken! Ich glaub nur das, was ich sehe. Dann wäre da noch der Unterschied zwischen Unterhalt und Unterhaltsvorschuß. Dem Staat sind die Kinder anscheinend nicht so viel wert.
Eine Information über die zukünftige Pensionshöhe gab es nur bei der Umstellung aufs Pensionskonto. Da haben manche Damen (auch in der Verwandtschaft) die Augen aufgemacht. Der Unterhalt bezahlt keine Pensionsbeiträge.
Die Zahlungsmoral bei den unterhaltspflichtigen Männern läßt, subjektiv gesehen, auch immer mehr nach. Warum ist das wohl so?
Diese Einstellung (Ich glaube nur, was ich sehe/erlebe) ist leider ein Symptom unserer Zeit. Alternative Fakten und gefühlte Wahrheit können aber nicht die Basis für politische Entscheidungen sein.
Ja, da stimme ich Ihnen zu. Leider ist den Fakten oft nicht mehr zu trauen. Die politischen Entscheidungen werden sowieso aufgrund anderer Informationen getroffen.
Apropos Zahlungsmoral: Der Flurfunk hat im Büro gerade berichtet, daß sich ein weiterer Kollege ins Ausland versetzen läßt. Angeblich wegen der Unterhaltszahlungen.
Das ist Unsinn und das Wissen Sie auch!
Liebe Christine, es gibt viele Arbeiten zu dem Thema – interessant finde ich regional und extrem von der Art des zu verkaufenden Artikels schwankende Zahlungsmoral (je Grundnahrungsmittel desto Zahl!)
Das ist ja mal wirklich spannend. Und ja, ich kann mir vorstellen, dass das ein ergiebiger Forschungsgegenstand ist. Wer beschäftigt sich mit sowas? Soziologen und Psychologen?
Ich denke das geht querbeet: einfach mal bei landwirtschaftlichen Organisationen und Fachzeitschriften anfragen – dort ist das ein Dauerthema da dieser Direktverkauf eine immer mehr spezialisierte Einkommensquelle für Landwirte sein kann.
Ich würde auf jeden Fall bezahlen, denn ich hätte einfach ein schlechtes Gewissen wenn ich es nicht tun würde. Käme mir wie eine Diebin vor. Außerdem möchte ich so ein Verhalten meinem Kind auch nicht vorleben. Es soll auch lernen das man für Sachen bezahlt, sie wertschätzt und sich auf der Welt nicht einfach bedienen kann wie man möchte. Liebe Grüße, Nicole.
Ja er liebt seine Kinder, aber sie wurden ihm durch Umgangsverweigerung entzogen. Nun hat er mehr freie Zeit, die er in seinen beruflichen Werdegang investiert.
Bin schon gespannt wie lange es für ihn gut geht.
Lothar, das Thema hier ist nicht Umgangsverweigerung. Bitte etwas im Rahmen bleiben.
Verblühte Blumen = weniger Geld. Wenn Mann das nun genauso entscheidet. Aus seiner Sicht schlechte Betreuung (Schwierigkeiten beim Umgang) = weniger Unterhalt. Das ist wenig zielführend meiner Meinung nach. Es gibt einen Preis des Bauern. Der ist zu bezahlen oder es wird verzichtet.
Johanna, ich bin ja durchaus selbstkritisch in diesem Punkt. Sonst hätte ich das alles so überhaupt nicht aufgeschrieben. Ich kann ja nicht wegen verblühter Tulpen mit einem Bauern feilschen, der gar nicht anwesend ist.
Danke dafür, das fasst ziemlich gut zusammen, was ich als Leserin vielleicht auch kommentiert hätte! Und übrigens, an die Tulpen bei Penny für 1,99 € habe ich auch gedacht, als ich auf dem Feld stand und zahlte.
Das stimmt, das gesellschaftliche Ansehen ist ein wichtiger Punkt hier, und auch das Selbstbild, und natürlich hängt das zusammen. Du sagst es. Vielen Dank für den Kommentar!