Es sind die kleinen Dinge, die mein Leben als Alleinerziehende auf einen Schlag schon viel leichter machen würden. Sie würden auch nicht viel Geld kosten.
Die großen Reformen werden noch auf sich warten lassen, da mache ich mir keine Illusionen. Wir sehen das bei der gerade diskutierten Frage, ob die 6 Jahre Bezugszeit mit Altersgrenze von 12 Jahren beim Unterhaltsvorschuss abgeschafft werden sollen. Und ob es nicht doch irgendwie möglich sein sollte, mehr Väter* dazu zu bringen, den Unterhalt fürs Kind zu bezahlen, anstatt bedauernd die Hand zu heben, ohne dass der Staat Handhabe hat, ihre Konten zu überprüfen oder nach Einkommensverschleierung zu forschen. Auch das Familiensplitting wird nicht so schnell kommen, ebenso wie Reform der Steuerklasse II noch dauern wird.
Wie ich mir das vorstelle, das mit den vielleicht kurzfristig umsetzbaren Dingen, die mein Leben als Alleinerziehende erleichtern würden?
1) Elternabende um 17 Uhr anstatt um 20 Uhr
Am besten mit Kinderbetreuung oder der Möglichkeit, die Kinder mitzubringen. Dann zieht sich das auch nicht so. Kann auch 18 Uhr sein, dann passt das für Viele noch. Aber 2o Uhr ist einfach zu spät und geht nicht ohne Kindersitter. Das Argument, man müsse auch an die berufstätigen Väter denken und deswegen sei 20 Uhr ein guter Zeitpunkt, erweist sich angesichts meist eh nur anwesender Mütter sowieso als absurd bzw. Wunschtraum.
2) Automatische Vollmacht für Gesundheitssorge, Schule, Behörden bei Scheidung für Alleinerziehende als Standard vor Gericht
Wer die Alltagssorge trägt, sollte auch Entscheidungen des Alltags alleine treffen dürfen. Und welche Schule ein Kind besucht, ob es geimpft wird, die An- und Ummeldung, die Beantragung von Ausweisen und die Inanspruchnahme von Therapien sind oft unnötig schwierig, wenn noch die Unterschrift vom anderen Elternteil eingeholt werden muss.
Um ein Mitspracherecht nicht auszuschließen, wäre es sinnvoll, eine Vollmacht, wie es sie jetzt schon gibt, als NORM vor Gericht anzustreben. Solch eine Vollmacht ist jederzeit widerrufbar. Der nicht die Alltagssorge tragende Elternteil vergibt sich nichts.
3) Alleinerziehenden-Beauftragte in Städten/Familienministerium
Jemand, der als zentraler Ansprechpartner für Alleinerziehendenbelange verfügbar ist, der/die sich politisch einsetzt, netzwerkt, Lobbyarbeit betreibt und als Mittler zwischen den Welten tätig ist. Ergänzt vom Familienlotsen, siehe Punkt 6.
4) Vernetzungsplattform für Alleinerziehende im Internet (kein Forum!)
Wer hilft mir Einkaufen, kann mir ein Auto leihen, kennt einen Arzt, der Alleinerziehende versteht, eine Rechtsberatung, möchte eine Alleinerziehenden-WG oder eine Gruppe gründen? Vernetzung jenseits von Facebook-Gruppen und Vereinen ist überfällig. Alexandra Widmer macht sich gerade daran, diese Idee umzusetzen.
5) Pflicht der Väter, sich auch zu kümmern, nicht nur Rechte (als Ansprache vor Gericht)
„Keine Scheidung ohne Umgangsregelung“, so ist die offizielle Regelung. Aber de facto haben Väter kaum Pflichten, jedoch viele Rechte (Umgangspflicht z.B ist nicht einforderbar). Deswegen wäre eine Ansprache des Familienrichters oder eine Art Vertrag, in dem auch Pflichten klar benannt werden, ein Anfang.
6) Lotse für Behördenfragen, speziell für Alleinerziehende
Wohngeld, Kinderzuschlag, Sozialpass, Wohnberechtigungsschein, Melderecht, Bildungs- und Teilhabepaket, Fördertöpfe, Ferienangebote für Alleinerziehende, Gruppen vor Ort – es gibt vieles, was für den Laien undurchschaubar ist. Deswegen braucht es einen zentralen Ansprechpartner, der sich auskennt.
7) Haushaltshilfe statt Mutter-Kind Kur für Alleinerziehende
Wie in meinem Buch beschrieben. Für diejenigen, die es wünschen, lieber Prävention und Entlastung im Alltag als alle 2 Jahre das Recht auf eine 2-wöchige Mutter-Kind-Kur. Denn der Nutzen einer Kur ist für manche Alleinerziehende gleich Null. Entlastung im Haushalt hingegen würde wirklich helfen. Die Kosten der Kur sind genauso hoch wie die für eine (angemeldete!) Haushaltshilfe/Putzfrau für 3 Stunden jede Woche.
8) Sensibilisierung/Schulung von Lehrern zu Alleinerziehenden
Es sollte Lehrkräften nahegebracht werden, dass die Kapazitäten Alleinerziehender, was nachmittags bei den Hausaufgaben helfen, Kinder zum Sport/Musikunterricht fahren, und bei schulischen Aktivitäten helfen, begrenzt sind. Noch begrenzter als in den herkömmlichen Familien. Und dass dies mit strukturellen Problemen zu tun hat, nicht mit Desinteresse oder Unfähigkeit der Alleinerziehenden.
9) Familienermäßigung auch für Alleinerziehende
Das ist, neben den finanziellen Erleichterung auch ein Zeichen der Wertschätzung. Und sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wenn der Staat den Kommunen empfiehlt, darauf bei der Preisgestaltung zu achten, wäre schon viel gewonnen. Bustickets, Schwimmbadtickets, Eintritt in Museen und Freizeitparks, alle sollten Alleinerziehendenfamilien mitdenken. Anstatt die Preise fürs Familienticket immer auf 2 Eltern mit 2 Kindern zu kalkulieren. Die freie Wirtschaft würde so zumindest indirekt sensibilisiert.
10) Unbürokratische und schnelle Hilfe fürs Kind, wenn ich krank werde
Denn die Aufsichtspflicht kann ein mit Grippe total flachliegender Mensch nun wirklich nicht wahrnehmen. Geschweige denn Kochen, Kinder zur Schule/Kita bringen, Kleinkinder wickeln und versorgen. Gesundwerden ist furchtbar schwierig, wenn man mit 5% Restkraft noch ein oder mehrere Kinder zu versorgen hat und ganz auf sich allein gestellt ist.
Die Haushaltshilfen der Krankenkassen nach dem jetzigen System jedenfalls greifen hier nicht, weil kurzfristig und unbürokratisch so gut wie gar nix geht. (Nur falls jemand meint, das wäre doch schon alles längst geregelt. Ist es nicht.) Wir brauchen dringend so etwas wie „Notfallmamas“!
*Hier ist von „Vätern“ die Rede, weil 90% der Alleinerziehenden Frauen sind. Ich weiß, dass sich einige darüber aufregen. Aber solange die gesellschaftlichen Realitäten so sind, wie sie sind, werde ich so formulieren.