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„Damit es jedes Kind packt“- Sprachkritik am BMFSJ

Google liefert 2.140.000 Ergebnisse für „familienministerium damit es jedes kind packt.“ Was mich indes packt, ist wachsender Ärger angesichts dieses Framings. Ich will das nicht mehr hören!

Liebe und sehr geehrte Frau Giffey,

ich ärgere mich wirklich jedes einzelne Mal, wenn Sie „Damit es jedes Kind packt“ sagen. Sei es bei der Vorstellung des „Starke Familien Gesetzes“, des „Gute-Kita Gesetzes“ (wie ich über dieses ganze Neusprech denke, habe ich hier kürzlich aufgeschrieben), oder bei der Konferenz der Bertelsmann Stiftung zum Thema Kinderarmut im vergangenen Sommer, bei der ich Sie live auf dem Podium erlebte. Bei jedem Ihrer Auftritte sitze ich mittlerweile schon leicht angespannt vor dem Bildschirm und befürchte, dass Sie es wieder tun: „Damit es jedes Kind packt“ sagen, als sei das eine prima Losung.

Wissen Sie eigentlich, was Sie damit transportieren? „Es packen“, das bedeutet, abliefern, funktionieren, eine sich selbst oder von anderen gestellte Aufgabe bewältigen. Was ist mit denen, die „es“ nicht packen können oder wollen? Die einfach ein menschenwürdiges Leben möchten, in Frieden und ohne Armut? Was ist mit Kindern wie meiner Tochter mit Asperger Autismus, muss die es auch packen? Oder darf die einfach sein!?

Ich habe ja lange und immer wieder Sympathien für die SPD gehegt, insbesondere für tolle Frauen wie Manuela Schwesig, und auch Andrea Nahles habe ich persönlich kennen- und schätzen gelernt, ebenso wie Katarina Barley. Doch was Sie da als Familienministerin veranstalten, gefällt mir leider immer weniger. Die Sache mit dem §218 und §219a gehört zwar nicht direkt in Ihr Ressort, aber das Herumgeeiere bei Anne Will neulich hat mir überhaupt nicht gefallen.

Gut, da kann man nix machen, mögen Sie denken, Koalitionsfrieden und so, aber diesen blöden Spruch, „Damit es jedes Kind packt“, den können Sie ganz sicher eigenverantwortlich abschaffen. Für mich klingt das so, als wollten Sie lauter kleine fleißige Arbeitnehmer für Deutschland heranzüchten, die alle dem Arbeitsmarkt fein artig zur Verfügung stehen. Schließlich ist die SPD ja die Arbeiterpartei, oder an was soll ich da denken?

„Es packen“, das sagen wir leider nicht, wenn ein Kind besonders kreativ, liebenswert, fröhlich, sozial oder einfach zufrieden ist. Da steckt der Gedanke dahinter, dass die Kinder gefälligst etwas zu leisten haben, dass wir sie dazu anschubsen oder Hilfestellung geben müssen, damit das Ziel erreicht wird.

Wissen Sie was? Meine Kinder müssen es nicht „packen.“ Mir reicht es völlig, wenn sie glücklich sind und sich ihren Talenten entsprechend entfalten können. Trotzdem brauchen wir Ihre Hilfe als Politikerin, als Ministerin, die sich gegen Kinderarmut und Ausgrenzung stark machen sollte. Gerade als Mutter von Kindern mit Behinderung und Schwierigkeiten stößt mir deswegen Ihr Motto übel auf.

Sie als Ministerin müssen es packen, das mag stimmen. Ihr Leben ist leistungsorientiert und voller Ziele, die Sie erreichen wollen. Aber bitte übertragen Sie das nicht auf alle Kinder. Die wollen einfach nur sein. Und auch das sollte dann liebevoll unterstützt werden, auch aus der Politik.

Ich wünsche mir, dass Sie als Familienministerin zukünftig sagen: „Damit jedes Kind sich entfalten kann.“ Auf allen Plakaten, im Fernsehen, und in den Talkshows. Dann wären Sie meine Ministerin.