Ich hab’s gern getan, für meine Kinder. Aber gut für mich war es sicher nicht, mein eigenes Zimmer herzugeben, wie ich jetzt merke.
Wir haben umgeräumt, wieder einmal. Als wir vor 8 Jahren hier einzogen, in den sozialen Wohnungsbau, schienen die 89 m² und vier Zimmer völlig ausreichend, obwohl ich von 200 m² und einer Doppelhaushälfte mit Garten kam, in der 6 Zimmer und ein geräumiger Keller sogar noch Platz für ein Au-Pair gelassen hatten. Vor 8 Jahren waren meine Kinder noch klein, nämlich 2, 5 und 11 Jahre alt, und es war für alle in Ordnung, dass sich die beiden jüngeren Geschwister ein Zimmer teilten.
Irgendwann ging das nicht mehr, sodass ich vor 2 Jahren mein Schlafzimmer hergab und es dem Sohn, damals 11 Jahre alt, überließ. Es war allerhöchste Zeit gewesen, die Geschwister lagen sich ständig, und nicht nur verbal, in den Haaren. Dass die Jüngste deutlich autistische Verhaltensweisen zeigte, die oft mit Lärm (Schreien, Türenknallen) oder Stimming (sonderbares Auto-Stimulationsverhalten, das den Sohn besuchende Klassenkameraden verstörte) einher gingen, verschärfte die Situtuation zusätzlich. Es war so nicht mehr auszuhalten, und deswegen machten wir im Dezember 2017 einen Umzug innerhalb der Wohnung.
Mit dem Auszug der ältesten Tochter wurde ein Zimmer frei
Nun ist vor 3 Monaten die Große (mittlerweile 19) ausgezogen, um zu studieren. Und hier ist also wieder etwas mehr Platz, und es war klar, dass ich endlich wieder ein eigenes Zimmer haben werde. Nur wusste ich nicht, wie ich denn nun die Zimmerverteilung regeln will. Vor lauter „immer an die Kinder Denken“ hatte ich wirklich Schwierigkeiten, mir zu überlegen, in welchem der Zimmer ICH denn schlafen möchte, und das ICH ist groß geschrieben, weil ich mir das zur Aufgabe gemacht hatte, im Rahmen von öfter mal an mich denken, und Selbstfürsoge. Das ist ja ein großes Thema bei mir gerade, auf das mich auch die neu diagnostizierte Autoimmunerkrankung ziemlich unsanft aufmerksam macht.
Die Erkrankung sagt: Hör auf, dich über Dinge zu ärgern, die du nicht ändern kannst, und mach dir nicht so einen Kopf. Lebe, sei egoistischer, mach mehr von dem, was dir Spaß macht, und weniger von dem, was du musst. Und nimm dir Dinge heraus, die du bis vor kurzem noch nicht getan hättest. Sei mutig, sei faul, sei rotzfrech und ungehalten, wenn dir danach ist. Und sei weiterhin warmherzig und weich, mitfühlend und romantisch, das darfst du sein, je kürzer die Zeit, die du noch hast, umso mehr!
Es ist nicht egal, ob du ein eigenes Zimmer hast als Mutter
Es war anstrengend, kein eigenes Zimmer zu haben. Wie sehr, das merke ich erst jetzt, wo ich wieder die Tür hinter mir zumachen kann. Während ich das Zimmer mit der Jüngsten teilte, dachte ich, es mache mir nicht viel aus, weil ich da ja nur schlafe. Aber natürlich war es ungemütlich, mir fehlte der Rückzugsraum.
Ich konnte nicht an meiner Kleiderstange kommen, ohne übers Bett zu klettern, links von meinem Kopfkissen stapelte sich das Playmobil in Boxen, und es schläft sich einfach nicht so gut, wenn man noch die Geräusche eines zweiten Menschen hört, der sich im Schlaf herumwältzt oder seufzt. Meine Nachtruhe hatte das Flair eines Schlafwagens, nur ohne das beruhigende Rattern der Wagons auf den Schienen, und ohne andere Aussichten am Morgen aus dem Fenster.
Das ist nun vorbei. Wir haben ein weiteres Mal umgeräumt, ich bin wieder in meinem alten Zimmer, das ich gewählt habe, weil es zum Hof geht, und ich viel besser schlafe, wenn ich morgens nicht von Autos geweckt werde und nachts keine lauten Gespräche durch heimkehrende Partygänger auf dem Gehweg direkt neben der Wohnung im Erdgeschoss stattfinden.
Was für eine Erleichterung das war, und wie sehr ich mich seitdem jeden Morgen und jeden Abend freue, wieder ein eigenes Zimmer zu haben! Es ist klein, nur 9 m, aber es ist alles drin, was ich brauche. Vor allem aber hat es eine Tür. Eine Türe, die ich schließen kann. Ich schlafe viel besser, als ich das die vergangenen beiden Jahre getan habe, und meine Lebensqualität hat sich enorm gesteigert.
Und noch ein politischer Exkurs: denn ich bin eine von Vielen
Und ich denke an die vielen Alleinerziehenden, die mir mal auf FB unter einem Text geantwortet haben, als ich herumfragte, wer denn außer mir auch noch kein eigenes Zimmer hat. Es waren viele. Sie schlafen im Wohnzimmer auf der Couch, sie schlafen im Durchgangszimmer, sie schlafen mit dem Kind in einem Kinderzimmer. Zahlen dazu gibt es meines Wissens keine, das will wahrscheinlich auch keiner wissen, sonst gäbe es ja eventuell Handlungsbedarf.
Aber dass getrennte Väter* (Generikum wegen der tatsächlichen Geschlechtsverhältnisse. Frauen sind mitgemeint, wie sonst auch immer), die für das Kind bei sich ein eigenes Zimmer bereithalten, finanziell entlastet werden müssen, darüber spricht die Politik. Es ist wie beim Selbstbehalt: Für getrennte Väter liegt der bei 1080 € im Monat, die dürfen sie behalten. Für Alleinerziehende gibt es keinen Selbstbehalt. Wie arm sie sind, oder wie wenig Zimmer sie zur Verfügung haben, und was das mit ihrer Gesundheit macht, und mit den Kindern, das will sich die Politik lieber nicht anschauen. Lieber ein paar Änderungen vorantreiben, die nach moderner Familienpolitik klingen, tatsächlich aber die Stellung von Müttern schwächen. Bitter ist das. Aber ich wollte mich ja nicht mehr ärgern. Wobei – das gehört ja schon zu den Dingen, die man ändern kann. Wenn man denn will.