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Wie der Gewaltschutz versagt: Todesangst vor der Einschulung

Mich schrieb, wie das öfter mal passiert, eine Frau auf FB via Direktnachricht an. Nennen wir sie Carina.

Ob ich Rat für sie hätte in Sachen Gewaltschutz, und falls nein, ob ich nicht wenigstens ihre Geschichte an die Öffentlichkeit bringen könne. Rat hatte ich leider keinen. Aber sie ihre Geschichte erzählen lassen, das kann ich.

Carina (Mitte 30) hat enorme Angst vor der bevorstehenden Einschulung ihres Sohns. Denn niemand wird sie dort vor ihrem gewalttätigen Exmann schützen können. Der Staat handelt ja erst, wenn etwas passiert, schreibt sie mir, und ihr Ex habe keine Auflagen aus dem Gewaltschutzverfahren bekommen, weil der Richter meinte, das sei kontraproduktiv. Der Verfahrensbeistand vom Jugendamt habe ihr vorgeschlagen, einen privaten Sicherheitsdienst zu beauftragen. Doch konkrete Hilfe gebe es keine:

Ich bin alleinerziehend nach einer Ehe, die am Ende von Gewalt geprägt war, und heute muss ich um mein Leben fürchten. Dabei fing alles so schön an: Vor 17 Jahren habe ich meinen jetzigen Exmann kennengelernt, er war charmant, höflich, zuvorkommend, aufmerksam – ein Traummann. Vor 11 Jahren haben wir dann geheiratet, es war also keine überstürzte Sache, und vor 9 Jahren kam unser erstes gemeinsames Kind auf die Welt, vor 6 Jahren das zweite gemeinsame Kind.

Vor 6 Jahren, während meiner zweiten Schwangerschaft (die nicht freiwillig, sondern durch massiven Druck seinerseits zustande kam – ich sollte ihm ständig sexuell zur Verfügung stehen. Tat ich das nicht, bekam ich seine Wut zu spüren. Meine Anwältin sagt heute, das sei Vergewaltigung in der Ehe gewesen), habe ich plötzlich negative Veränderungen festgestellt: Ich konnte ihm nichts mehr Recht machen, war für alles verantwortlich. Ich schmiss den Haushalt (250 qm plus 200 qm Gartenfläche), Hund, Kinder, Einkauf, das Büro seiner Firma; zusätzlich war ich auf Minijob-Basis arbeiten, weil das Geld nicht reichte.

Mit dem Alkohol kamen die Probleme

Er hat immer mehr getrunken, war immer weniger für uns ansprechbar (tagsüber schlief er, nachts war er wach). Vor 5 Jahren dann gestand er mir, dass er den Alkohol brauche und Schnaps versteckt oder im Lager hinter den Waren habe; er erlitt einen Zusammenbruch mit Reanimation durch den Notarzt, hatte daraufhin einen mehrwöchigen Klinikaufenthalt zum klinischen Entzug.

Ich hörte Versprechen wie „Ich tu das nie wieder“, „Kein Alkohol mehr“, etc., und ich wollte das gerne glauben, obwohl ich skeptisch war. Meine Skepsis war begründet: Keine 3 Monate später folgte der zweite klinische Entzug, er kam auf die Warteliste für eine Reha-Tageseinrichtung, und alles ging von vorne los. Für eine Weile war er recht stabil und unser Leben schien gut zu laufen. Aber als unser jüngstes Kind knapp 4 Jahre alt war, veränderte er sich wieder, war aggressiver, aufbrausender, unberechenbarer als zuvor, und zur Reha-Therapie ging er nicht.

Nach etlichen Jahren Ehe schlug er plötzlich zu

Im Sommer vor 3 Jahren dann kassierte ich die erste Ohrfeige, danach wurde es immer schlimmer mit ihm, die Gewalt extremer (Tritte, Schläge auch mit „Hilfsmittel“), ich wurde von ihm die Treppe hinunter getreten. Mehrfach war die Polizei im Haus und ich habe mir auch anwaltliche Hilfe geholt. Aber davon ist noch lange nicht alles gut, und weil er immer noch das gemeinsame Sorgerecht hat und begleitete Umgänge stattfinden, hat der Mann noch viel zu viel Raum in unserem Leben.

Nach 1,5 Jahren Wohnungssuche habe ich eine Wohnung für uns gefunden. Das war 2015. Die räumliche, seelische und entlastende Trennung tat uns allen gut – den Kindern und mir zumindest. Er wollte die Trennung aber nicht akzeptieren und sich mit Hilfe seines Anwaltes in meinen Mietvertrag hineinklagen. Zum Glück ist das immerhin in Deutschland nicht möglich! Pro Jahr sind wir 2 bis 4 Mal vor Gericht, was mich enorm belastet (elterliche Sorge, Umgang, Scheidung, Umgang, elterliche Sorge, Umgang, Antrag nach Gewaltschutzverfahren, etc.).

Die bevorstehende Einschulung bereitet mir schlaflose Nächte

Nun steht im Herbst die Einschulung des jüngsten Kindes an. Da werde ich vermutlich schutzlos sitzen und Angst haben, dass er reinstürmt und uns etwas antut.

Warum? Nun, mein Exmann und Vater der Kinder besitzt eine Schreckschusswaffe. Mit dieser Waffe hat er mich oft bedroht. Die Polizei war und ist machtlos. Laut Aussagen diverser Polizeibeamter, die immer wieder bei uns zu Hause waren, sei es frustrierend, da er als „aggressiver, unberechenbarer und aufbrausender Mensch“ bekannt ist und sie ihm die Waffe trotzdem nicht abnehmen dürfen. Er war jedes Mal auf Privatgrundstücken bei „Schussübungen“, „Testläufen“ oder ähnlichem mit seiner Waffe angetroffen worden.

Vor kurzem sah ich einen Bericht im Fernsehen, in dem gezeigt wurde, wie leicht Schreckschusswaffen zu einer scharfe Waffe umgebaut werden können. Aber auch auf kurze Distanzen sind Schreckschusswaffen nicht zu unterschätzen und gefährlich.

Er droht mir seit Jahren, auch vor den Kindern hat er mir mit dem Tod gedroht. Ich werde verhöhnt, weil ich mich so feige im Gerichtsgebäude „versteckt“ hätte, da der Aushilfsrichter für die erste Verhandlung die gesamten Polizeiakten zur Einsicht angefordert hatte und mich 1,5 Stunden im Gerichtsgebäude bewachen ließ, bis sichergestellt war, dass er mit seinem Anwalt weggefahren sei. Danach hatte ich die Anweisung, dass die Kinder und ich nicht direkt nach Hause fahren sollten, sondern an einem ihm unbekannten Aufenthaltsort warten sollten, bis ich einen Anruf der für ihn örtlichen Polizeibeamten erhalte.

An diesem Tag hat er seine Waffe im Gerichtsgebäude dabeigehabt, wollte mich abpassen und „in Notwehr“ mich erschießen, erfuhr ich hinterher über Freunde, die auf seinem FB-Profil mitlesen.

Unser Leben ist ein einziges Verstecken

Unsere damalige zuständige Sachbearbeiterin vom Jugendamt hat mir klar gesagt, wie ich ihm zukünftig Informationen per E-Mail zukommen lassen sollte (Stichpunkte, sachlich, knapp, nichts aus dem Alltag). So handhabe ich auch die Kommunikation seither, und ich habe inzwischen wechselnde Prepaid-Mobilnummern und eine spezielle Festnetznummer, um vor seinem Telefonterror geschützt zu sein.

Die Kinder und ich fühlen uns an ihm unbekannten Orten am wohlsten, darunter fallen aber seit kurzem weder der Kindergarten und die Schule, vor allem aber nicht unsere Wohnung. Alle diese Orte und auch die Adressen meiner Familie sind ihm bekannt.

Die Kinder laden keine Freunde zu sich ein, Orte zum Feiern und Geburtstage werde spontan bekannt gegeben und nur im ganz engen Kreis – warum? Aus Angst, ihr Vater könnte plötzlich vor der Türe stehen.

Warum die Kinder Angst haben? Sie waren Zeuge und zum Teil selbst Opfer seiner Gewalttätigkeiten. Nur hat kaum jemand Verständnis für die Angst der Kinder.

Auch Gerichtsverhandlungen bringen keinen Gewaltschutz

Näherungs- und Kontaktverbot habe ich nicht durchsetzen können, mein Exmann hat keine Auflagen bekommen, außer nicht schlecht über mich zu reden/zu lügen. Der Richter meinte sogar, dass er als Befürworter des Wechselmodells eigentlich lieber darüber verhandeln würde als über Gewaltschutz, aber dafür wohne der Ex zu weit weg.

Ende Juli war wieder eine weitere Gerichtsverhandlung, Thema „elterliche Sorge im Eilverfahren“, „elterliche Sorge“ und „begleiteter Umgang“. Der anwesende betreuende Kinderpsychiater wurde vor den Augen des Jugendamtes, des Umgangspflegers, des Verfahrensbeistands, des Richters und der beteiligten Prozessbevollmächtigten von meinem Exmann im „Kreuzverhör“ durch den Exmann und seinen Anwalt massiv bedrängt und eingeschüchtert, bei wichtigen Aussagen unterbrochen und auf andere Themenbereiche abgelenkt. Aber der Richter fand meinen Exmann „vergnüglich“ und ließ ihm auch akute Kindeswohlgefährdung durchgehen, weil er wichtige Arzttermine (selbst Fachärzte), Therapien, Medikament und Behandlungen untersagt. Mit einem chronisch kranken Kind ist das lebensgefährlich.

So, und nun? Demnächst steht die Einschulung an – wer beschützt uns? Keiner, außer ich beauftrage einen Sicherheitsdienst (sarkastischer Vorschlag des Verfahrensbeistandes) und beginne mit meinem Exmann eine Mediation, um auf die Elternebene zu gelangen, denn der Umgangspfleger ist hierzu nicht beauftragt, sein Anwalt hat am Tag der Einschulung anderweitige Termine und die Polizei darf erst im Ernstfall eingreifen. Somit kann er schalten und walten wie er möchte. Aber Mediationen mit gewalttätigen Männern sind nicht aussichtsreich, sagen Fachleute. Und ich möchte mit dem Mann auch nicht mehr in einem Raum sein, ich bin traumatisiert. Das interessiert aber auch keinen.

Zwischen Geldnot und Angst um körperliche Unversehrtheit

Auch finanziell sieht es mau aus: Ich gehe in Teilzeit arbeiten, bekomme neben dem Kindergeld Unterhaltsvorschuss. Inzwischen habe ich ein P-Konto, die Vorbereitung zur Privatinsolvenz läuft. Warum? Während der Ehe hatte er unserem Vermieter die Miete (bis zum Auszug eine Summe von über 15.000 €) für seine Firma nicht überwiesen, lediglich die Miete für unsere Wohnung habe ich von meinem Gehalt bezahlt. Davon erfahren habe ich erst nach der Trennung, weil er mir die an mich gerichtete Post nicht ausgehändigt hatte ab 2013 bis zur Trennung. Wie soll ich einen Sicherheitsdienst bezahlen!?

Mit der Schulleitung habe ich versucht, Vorbereitungen zu treffen, so wird z. B. das größere Geschwisterkind bei den Einschulungsfeierlichkeiten nicht in der Aula anwesend sein, wir drei werden vom Hausmeister von der Kirche zur Schule gefahren, es wird kein Alkohol durch die Eltern der zukünftigen 2. Klasse verkauft, es wird Papp- und Plastikgeschirr geben, wir werden durch den Hintereingang nach den Feierlichkeiten als Erste das Gebäude verlassen. Zudem werden einige Eltern aus der Klasse des großen Bruders um uns gesetzt und immer jemand in unserer Nähe sein, ein bis zwei weitere Hausmeister werden ggf. noch im Gebäude an diesem Tag „aushelfen“. Die Einschulung feiern wir drei gemeinsam, aber an einem unbekannten und neuentdecken Ort!

Die Zukunft macht mir Angst, aber ich lasse mich nicht unterkriegen

Bis dahin erhalte ich weiter Drohbriefe und E-Mails, werde von gemeinsamen Freunden gewarnt, wenn er wieder in unserer Nähe ist, „um nach dem Rechten zu schauen“, werden weiterhin Lügen und Angst verbreitet und er versucht Therapeuten, Ärzte, Freunde, Familie und Behörden gegen uns aufzuhetzen.

Auf die Einschulung freue ich mich zwar nach wie vor, aber ich habe auch Todesangst. Ich zähle die Tage bis dahin rückwärts und hoffe, dass uns nichts passiert. Ich klammere mich an Dr. Alexandra Widmers Spruch „Geht es dir gut, geht es deinem Kind gut“ und versuche danach unser Leben auszurichten, und mich auf die weitere schwierige und anstrengende Zukunft gefasst zu machen. Wünscht mir Glück.

Weiterführender Link: Studie „Gewalt gegen Frauen in Paarbeziehungen“ des BMfSJ, insbesondere S. 42 f.