Besinnlich ist anders, allein schon der vielen Termine wegen. Aber mein erster Dezember als Stadträtin gehörte zu den eher gemütlichen. Auf den Sitzungstischen fanden sich weihnachtliches Gebäck und Schoko-Nikoläuse, so wie ich es vom Kinderbuchverlag in der Schweiz und aus der Redaktion von Familie & Co kenne. Die heimelige Welt der bunten Teller im Büro und der Umtrünke bzw. Apéros habe ich längst hinter mir gelassen und gegen die Holzbank im Home Office getauscht, insofern kam ich mir gelegentlich vor wie in einer Zeitmaschine. Aber eine der angenehmen Art.
Neben den wöchentlichen Fraktionssitzungen, die nie unter 3 Stunden dauern und immer montags stattfinden, standen auch Sitzungen an, an denen ich noch nicht teilgenommen hatte: So war ich bei der Aufsichtsratssitzung der Flughafengesellschaft (nein, wir wollen keinen Flughafen in Konstanz bauen, wir haben schon einen – das ist eine grüne Wiese, auf der Kleinflugzeuge starten und landen können). Das war die kürzeste Sitzung ever, sie war nach 20 Minuten vorbei. Und ich habe mich bei den Teilnehmern, fast alles gestandene Flieger, gleich beliebt gemacht, indem ich sagte, ich verstünde rein gar nix von Technik und sei froh, wenn ich nicht fliegen müsse. Selten so um Fassung bemühte Gesichter gesehen. :)
Zu der Sitzung der Straßenbenennungskommission, an der ich ebenfalls hätte erstmalig teilnehmen sollen, ließ ich mich entschuldigen. Da war ich unabkömmlich, denn der Nikolaus wurde im Lorettowald erwartet. Der Kindergarten der Jüngsten war dort mit ihm verabredet, und weil ich genau weiß, dass dies das letzte Jahr mit dem Glauben an den Nikolaus und den Weihnachtsmann ist, und der Zauber dann vorbei ist, brachte ich es nicht übers Herz, der Jüngsten zu erklären, „die Politik“ sei wichtiger.
Ein Fraktionskollege hat mich dann bei der Sitzung vertreten, und er tat das auch gerne, denn er hat auch einen 2-jährigen Sohn. Aber da ich gegenüber der Verwaltung keine Ausrede formulierte, sondern wahrheitsgemäß sagte, ich müsse an dem Tag leider zum Nikolaus in den Wald, denkt jetzt sicher die eine oder andere Mitarbeiterin, die Frau Finke wisse ihre Prioritäten nicht richtig zu setzen. Allerdings habe ich darüber nachgedacht, was mein damaliger Firmenchef in Norwegen getan hätte, und wie die Mitarbeiter im skandinavischen Buchverlag mit solch einer „Terminzwickmühle“ umgegangen wären. Und da wurde mir sehr schnell klar, dass es eigentlich nur normal werden kann, auch die wichtigen Termine der Kinder ernst zu nehmen, wenn man selbst das vorlebt, anstatt herumzudrucksen. Und der Nikolaus IST wichtig.
Erstmalig musste ich einen Termin wegen eines kranken Kinds kurzfristig absagen, was ich zwar schade fand, weil es eine Netzwerkkonferenz zum Thema Flüchtlinge war, an der ich gerne teilgenommen hatte. Aber wenn die Jüngste spuckt und ganz elend ist, dann kann ich sie schlecht einer Kindersitterin überlassen. Also sagte ich 3 Stunden vor Beginn der Veranstaltung per Mail ab und erhielt sehr verständnisvolle, teils sogar warmherzige Antworten der beiden Ansprechparter. Das war schön.
Beim Runden Tisch für Flüchtlinge wurde mir auch ganz warm ums Herz: dieses Gremium wird vom Dekan der Altkatholischen Kirche geleitet (die nach meinem Verständnis viel moderner ist als die große, traditionelle katholische Kirche. Ich musste das aber auch erst einmal googeln), der uns aufs wunderbarste salbungsvoll, ohne kitschig zu sein, in die Weihnachtszeit verabschiedete. Ein beeindruckender Mann, der mir übrigens nachdem ich in der Lokalzeitung mit dem Anliegen des Ausbaus der Kinderbetreuung war, sagte, er habe sich durch meinen Blog gelesen und sei sehr angetan davon. Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute immer noch die Lokalzeitung lesen und dann auch noch den Sprung ins Internet schaffen – eigentlich sagt man ja, print zu online funktioniere nicht gut.
Ansonsten lernte ich noch bei der Sitzung der Wessenbergstiftung, bei der ich im Verwaltungsrat bin, ein Familienzentrum in einem sozialen Brennpunkt kennen, was mich wegen der frühen Hilfen und der Beratungsangebote für Familien sehr interessierte. Bei dieser Sitzung gab’s besonders viele tolle Kekse und Gebäck, überall standen Kerzen, es waren nur sozial denkende Menschen anwesend – flauschiger wird’s im Stadträtedasein nicht.
Im Dezember fand ausnahmsweise nicht nur eine, sondern zwei Gemeinderatssitzungen statt, weil der Bürgermeister eine Sondersitzung einberufen musste, da er einem Beschluss des Gemeinderats formal widersprechen musste, der nicht rechtsgültig war.
Die zweite, turnusgemäße Gemeinderatssitzung war in der Woche vor den Weihnachtsferien angesetzt und zog sich von 16-22:30 Uhr, was gar nicht außergewöhnlich ist. Ich bin direkt im Anschluss an die Sitzung nach Hause gegangen, weil meine Babysitterin Ohrenschmerzen hatte und ins Bett gehörte, aber trotzdem nach dem Arztbesuch am Nachmittag zu mir gekommen war, um auf die Kinder aufzupassen.
Dabei durfte ich die beruhigende Erfahrung machen, dass es mich nicht mehr aus der Bahn wirft, wenn Pläne scheitern bzw. neu geplant werden muss. Ich mailte vorab, dass ich leider erst später kommen könne, und nahm das einfach so hin. „Dann ist das halt so“, dachte ich mir, und spazierte um 17:30 mit meinen roten Gummistiefeln in den Ratssaal, wo erfreut zur Kenntnis genommen wurde, dass ich sogar 30 Minuten früher als angekündigt da war. Zu spät kommen kann ich nämlich nicht gut, zu früh kommen hingegen sehr.
Ferner habe ich noch ein paar Stunden im Internationalen Forum (Integration und kulturelles Miteinander) und beim informellen politischen Frauenfrühstück im Museumscafé verbracht, und last not least an der Weihnachtsfeier des Gemeinderats köstlich gegessen und getrunken. Am schönsten daran waren vier Dinge, mit denen ich so nicht gerechnet hatte:
Nach dem Essen auf der Gemeinderatsfeier sang der Chor der Jugendkantorei Konstanz für uns, das Ganze nannte sich „Luziazug„, und war wirklich betörend. Ich hatte noch 2 Tage hinterher diese Klänge im Ohr.
Die andere Sache, die mir wirklich Freude machte, war mit dem Spendensparschwein für die Flüchtlinge von Tisch zu Tisch zu gehen. Es waren viele interessante Leute auf dieser Feier, nicht nur der aktuelle Gemeinderat mit 40 Leuten, sondern auch aktuelle und ehemalige Führungskräfte, Stadträte und Aufsichtsräte, und weil ich gebeten wurde, habe ich mich mit dem Sparschwein von Tisch zu Tisch bewegt und gefragt, ob jemand etwas hineinstecken möchte. So habe ich ganz viele Leute zwar nicht kennengelernt, aber getroffen.
Jetzt. Konzilterasse, mit Gemeinderat. pic.twitter.com/SL9X5x8rRg
— Mama arbeitet (@Mama_arbeitet) December 16, 2014
Ach, und auch noch wunderschön war das Lichtermeer des Konstanzer Weihnachtsmarktes, den wir geladene Gäste von der Terrasse des Konzilsrestaurants aus bestaunen konnten. So schön war das, dass ich ich mit meinem Glühwein etwas abseits stellte und eigentlich gar keine Lust hatte, mich zu unterhalten. Ich wollte lieber staunen und das Bild twittern.
Und die vierte tolle Überraschung des Abends war, dass ich ein ehemaliges Au-Pair wiedertraf – und zwar unter dem Personal, das uns bediente. Die junge Frau kam aus 2009 Kenia zu uns und war mein zweites Au-Pair (insgesamt hatte ich drei), und sie war diejenige, die im Jahr der Trennung vom Mann bei mir lebte. Wir hatten stets losen Kontakt und sind Facebookfreunde, und kürzlich hatte ich sie auch auf dem Bürgeramt getroffen. Aber nun zu sehen, wie gut sie sich hier, im Land ihrer Träume, integriert hat, und wie sehr sie im Leben steht und strahlt, war mein Highlight im Dezember.
Jetzt ist erstmal Pause mit der Politik, und die kann ich gut brauchen. Denn bis Anfang Januar habe ich drei berufliche Deadlines, gute Projekte, die mir nicht nur etwas Geld ins Haus, sondern auch viel Freude bringen. Und außerdem sind ja Ferien – zumindest für die Kinder. :)