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Geheimniskrämerei im Stadtrat? Die Krux mit der Nichtöffentlichkeit

Beratungen hinter verschlossenen Türen: Nichtöffentlichkeit hat oft einen schlechten Ruf. Trotzdem braucht man sie manchmal im Stadtrat.

Es ist der 26.02.2023, als ich auf WhatsApp folgendes lese: „Hi Räte: Gut unterrichtete Kreise reden von einem Einstieg der Thüga bei den SWK (25%). Ist da was dran?“ (SWK=Stadtwerke Konstanz, Thüga ist ein Energie-Konzern). Nanu, dachte ich, und gleichzeitig: Obacht! Wahrscheinlich haben sich auch die anderen drei RätInnen meiner Fraktion, die in dieser Gruppe Mitglieder sind, gleichzeitig auf die Zunge gebissen, denn derjenige, der fragte, ist ein langjähriger politischer Vertrauter. Jemand, dem man eigentlich gerne Auskunft gibt.

Und trotzdem war für mich klar, dass wir in diesem Wunsch nach Insider-Informationen nicht nachkommen konnten, zu heikel war das Thema zu dem damaligen Zeitpunkt, und bisher ist von offizieller Seite meines Wissens kein Statement zu dem Artikel abgegeben worden, der vor einigen Tagen im Konstanzer Lokalmedium Karla erschien, und der genau dieser Frage nachging.

Stadträte geloben Verschwiegenheit bei Nichtöffentlichkeit

Somit gilt nach wie vor, dass wir unsere „Kenntnis von geheimzuhaltenden Angelegenheiten“ nicht weitergeben dürfen, egal, wie die Antwort ausgefallen wäre. Wir geloben nämlich als Stadträte zu Beginn einer jeden Amtsperiode, dass wir unsere „Geschäfte uneigennützig und verantwortungsbewusst führen“, wie die Gemeindeordnung von Baden-Württemberg es in §17 festhält. Und dazu gehört eben auch, Nichtöffentlichkeit zu respektieren – auch nach dem Ende der jeweiligen Amtszeit. Bei uns in Konstanz lautet Eidformel:

Ich gelobe Treue der Verfassung,
Gehorsam den Gesetzen
und gewissenhafte Erfüllung meiner Pflichten.

Insbesondere gelobe ich, die Rechte der Stadt Konstanz gewissenhaft zu wahren
und ihr Wohl und das ihrer Einwohnerinnen und Einwohner nach Kräften zu fördern.

Und wir unterschreiben feierlich, dass wir das auch ernst meinen. Bei einem Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht drohen Bußgelder bis zu 1000 €, was angesichts des potenziell anzurichtenden finanziellen Schadens eher gering, ist, aber vor allem wäre damit ein enormer Gesichtsverlust für den/die betroffenen Räte verbunden, denn sowas macht man nicht. Es mag Situationen geben, wo man à la Julian Assange Whistleblowing machen muss, um Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden, aber zu so einer Situation ist es in meinen bisherigen Amtszeiten noch nicht gekommen, und ich bin schon seit 2014 dabei.

Vereidigung für 2. Wahlperiode (2019) mit OB Uli Burchardt, Beitrag im Insta-Feed

Geheime Wahlen sind bei einigen Formalien Standard

Was es aber doch ziemlich häufig gibt, sind nichtöffentliche Tagesordnungspunkte und auch geheime Wahlen. Letztere klingen sehr geheimnisvoll, allerdings ist es bei Wahlen (z.B. neue Amtsleiter, Dezernenten oder andere wichtige Posten) per Default vorgesehen, sie geheim abzuhalten. Konkret sieht das dann so aus, dass eine Verwaltungsmitarbeiterin durch die Reihen der Räte läuft und Stimmzettel verteilt – ja, auf Papier, nix digital! -, die daraufhin gleich wieder eingesammelt werden, indem jedes Ratsmitglied seinen Wahlzettel in den Schlitz einer hölzernen Urne wirft, die von Sitzplatz zu Sitzplatz getragen wird. Die Wahlurne erinnert mich immer ein bisschen an einen Brotkasten und an Klassensprecherwahlen in der Schule, aber es hat durchaus etwas Feierliches an sich, so zu wählen.

Danach verkündet der Sitzungsvorsitzende, meist der OB, welche zwei Stadträte er zum Auszählen nach vorne bittet, und das sind häufig zwei RätInnen der größten Fraktionen, damit auch alle davon überzeugt sind, dass es mit rechten Dingen zugeht. Dieses Prozedere findet teils sogar zwei Mal direkt hintereinander statt, weil nämlich gelegentlich vor einer geheimen Abstimmung zuerst geheim abgestimmt wird, ob diese nachfolgende Abstimmung geheim sein soll. Davor steht wiederum der Antrag auf eine geheime Abstimmung, die eine Fraktion stellt, und über den als allererstes durch normales Handheben abstimmt wird. Findet der Antrag eine Mehrheit, dann werden die Holzkiste und die vorbereiteten Stimmzettel herausgeholt und es geht los mit der geheimen Abstimmerei.

Es gibt auch Überraschungen – und manches bleibt rätselhaft

Manchmal kommen dabei dann Ergebnisse raus, mit denen niemand gerechnet hat, wie kürzlich bei der Wahl des Amtsleiters des neu geschaffenen Amts für Klimaschutz in Konstanz, nachzulesen ist das Ganze hier beim Karla Magazin. Die geheime Wahl ermöglicht eine echte Gewissensentscheidung frei von Fraktionszwang und psychologischem Druck, und ist auch für den Ausgang der Wahl sinnvoll, denn es kann das Verhältnis belasten, wenn sich herumspricht, wer z.B. bei einer Personalsache gegen jemanden gestimmt hat, wenn man später viel miteinander zu tun hat.

Oft fragt man sich hinterher, wer da aus welcher Fraktion wie abgestimmt hat, weil das Ergebnis der geheimen Wahl scheinbar keinen Sinn macht, aber wie bei so viele Dingen wird man das am Ende nie erfahren.

Wann die Nichtöffentlichkeit Sinn macht

Was sind denn nun geheimzuhaltende Angelegenheiten, und warum das Ganze? Zum einen gilt Nichtöffentlichkeit für Personalangelegenheiten, und das ist wahrscheinlich auch relativ gut nachvollziehbar. Die Stadt hat 1300 MitarbeiterInnen, und wie in jedem großen Betrieb gibt es manchmal richtig unschöne Situationen, hässliche Arbeitsgerichtsprozesse, Probleme mit Führungskräften, die das gestörte Abläufe im Amt oder anderen Unbill nach sich ziehen, und auf der positiven Seite Bewerbungsprozesse und Vorstellungsgespräche für Leitungspositionen. Aber auch manche strategischen Erwägungen und z.B. die Pläne, wie wir bei eventuellen Stromausfällen im Winter 2022/23 reagiert hätten, werden nichtöffentlich besprochen, um die Interessen der Stadt zu beschützen.

Grundsätzlich sind Gemeinderatssitzungen jedoch immer öffentlich, und speziell meine Fraktion hat sich Transparenz auf die Fahnen geschrieben, sodass wir immer wieder neu überlegen, ob und wann Themen wirklich als nichtöffentlich zu behandeln sind. Man muss da wirklich etwas aufpassen, nicht betriebsblind zu werden, denn nach vielen Jahren als Gemeinderat kommen einem manche Dinge dann schlichtweg als normal vor, auch wenn man sie noch hinterfragen sollte.

Eine Mauer des Schweigens – das klappt nur selten

Die Frage, die eingangs in der WhatsApp Gruppe gestellt wurde, gehörte aber nicht dazu – es kam von keinem der in der Gruppe mitlesenden Räte eine Antwort, und das fand ich eigentlich ganz gut.

„Trotz guter Kontakte zu verschiedenen städtischen Gremien stieß unsere Redaktion auf eine Mauer des Schweigens“, steht in einem aktuellen Artikel von Karla zum Thema Stadtwerke Konstanz und deren zukünftige strategische Ausrichtung. Da war ich als ehemalige Journalistin gleichermaßen traurig wie froh, aber einen Ticken eher froh, denn es passiert oft genug, dass nichtöffentliche Informationen trotz Verschwiegenheitspflicht weitergereicht werden. Und ob die Stadtwerke irgendwas mit der Thüga planen oder nicht, bleibt weiterhin eine unbeantwortete Frage, zu dem auch dieser Artikel sich in Schweigen hüllt. Habe ich ja schließlich feierlich gelobt!

Nichtöffentlichkeit in Signal Ratsgruppe

Legende aus der Signal-Ratsgruppe: Blau hinterlegter Text ist von mir, meine Ratskollegen aus der Fraktion, Verena und Matthias, haben in grau geantwortet.

Und am allergeheimsten ist….

Übrigens, das Allergeheimste im Stadtrat ist der Ausschuss für geheimzuhaltende Angelegeheiten, dem ich für meine Fraktion angehöre, und der quasi Nichtöffentlichkeit hoch drei ist. Er hat noch nie getagt, seit ich dabei bin, und ist so geheim, dass nicht mal sein Termin oder das Thema der Sitzung im Ratssystem erscheinen würden. Ich schätze, das ist für den Fall des Atomkriegs oder so, und ich hoffe, wir werden ihn nie brauchen.

Die Kolumne „Stadtratsleaks“ erscheint ein Mal im Monat hier im Blog, immer um den 15. des Monats herum.