Vergangenen Freitag, den 26.06., war ich in Berlin im kleinen Kreis zu einer Gesprächsrunde mit Familienministerin Franziska Giffey im BMfSJ eingeladen. Es sollte um die geplante Reform des Umgangs- und Sorgerechts gehen, zu dem das Justizministerium bereits im Herbst 2019 eine Expertenrunde eingeladen hatte, die erste Ergebnisse und eine (bedenkliche!) Richtung vorgaben.
Anwesend waren 10 Interessensvertretungen getrennt lebender Eltern und ich. Es hatte im Vorfeld Kritik an der Auswahl der eingeladenen Gäste gegeben, weil weibliche, feministische Alleinerziehendenperspektiven in dieser Runde unterrepräsentiert waren – darauf bezieht sich meine Anmerkung zu den patriarchalen Frauen im Statement. (Patriarchale Frauen sind perfekt ans Patriarchat angepasste Frauen, die vom System profitieren und es erhalten möchten. Sie sehen sich übrigens selbst gerne als „moderne“ Feministinnen. Wer sich weiter informieren möchte, dem lege ich „Das Versagen der Kleinfamilie“ von Mariam Tazi-Preve, Professorin für Politikwissenschaft und Geschlechterforschung, ans Herz.)
In dieser Runde erschienen also neben 4 Männern für Väterrechteverbände auch 3 Frauen für Verbände, die Väterrechtlern nahestehen – Stichwort Wechselmodell als Leitbild und sogenannte gleichberechtigte Elternschaft nach einer Trennung (Vor der Trennung aber nicht. Also nicht zu verwechseln mit Equal Care.) Väterrechtlerpositionen waren somit mit 7 Teilnehmern in der Überzahl. Ich wusste also, ich muss da hin – ich konnte doch die anderen beiden Frauenrechtlerinnen von Mia e.V. und Shia und den neutralen VAMV nicht im Stich lassen!
Die Gesprächsrunde war trotz teils weit auseinander liegender Positionen zwischen den einzelnen Interessensverbänen konstruktiv und gut, und dauerte genau zwei Stunden. Frau Giffey hörte beeindruckend gut zu, und die Moderation durch Sabine Walper war souverän. Besonders eindrücklich konnte man das beobachten, wenn sie einen Teilnehmer in seinem ausufernden Wortbeitrag unterbrechen musste – und mir wiederum fiel auf, dass sie dies vornehmlich bei den männlichen Teilnehmern der Väterrechteverbände tun musste, die zu denken schienen, für sie gelte die Redezeitbegrenzung nicht. Dieses typisch männliche Redeverhalten in öffentlichen Gremien oder auch im Geschäftsleben nehme ich als fast omnipräsent wahr, seitdem ich davon im ebenfalls sehr empfehlenswerten Buch „What Works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann“ von Iris Bohnet, Professorin für Verhaltensökonomie, gelesen habe.
Über den Inhalt der Gesprächsrunde wurde Vertraulichkeit vereinbart, weswegen ich nicht weiter ins Detail gehen werde, was genau besprochen wurde. Having said this, hier mein Statement – das übrigens exakt 3 Minuten lang war, und somit dem entsprach, was den TeilnehmerInnen im Vorfeld schriftlich kommuniziert worden war:
Sehr geehrte Frau Dr. Giffey, sehr geehrte Frau Professor Walper, liebe Anwesenden,
Zuerst einmal herzlichen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, meine Stimme bei diesem wichtigen Thema einzubringen.
Ich bin hier ein bisschen in einer Sonderrolle, weil ich anders als die anderen Interessensvertretungen keinen Verband repräsentiere, sondern als eine Art Einzelkämpferin auftrete. Das passt aber ganz gut, denn viele Alleinerziehende sind Einzelkämpferinnen, weil ihnen die Kraft und auch die finanziellen Ressourcen für politisches Engagement fehlen. Diese gesellschaftliche Schieflage spiegelt sich auch recht deutlich in der Liste derjenigen wider, die heute hier eingeladen sind, zu sprechen. Väterverbände und patriarchale Frauen haben deutlich bessere Möglichkeiten als alleinerziehende Mütter, sich politisch Gehör zu verschaffen und es gibt strukturelle Gründe dafür.
Deswegen bin ich hierhergekommen, und auch, weil ich weiß, dass viele Frauen da draußen ihre Hoffnungen auf mich setzen. Sie haben Angst, durch die geplanten Reformen mitsamt ihren Kindern noch weiter in die Benachteiligung zu rutschen.
„Frauen können alles“, sagen Sie, Frau Dr. Giffey, gerne. Und „Alle Frauen müssen die Möglichkeit haben, ein eigenes, selbstbestimmtes und freies Leben zu führen“, so steht es in dem Vorwort über die Mütter des Grundgesetzes. Ja, so sollte es sein. Aber es ist jetzt schon so, dass eine Frau, die sich trennt oder verlassen wird, kein selbstbestimmtes freies Leben mehr führen kann, wenn es gemeinsame Kinder gibt und das gemeinsame Sorgerecht gilt. Sie kann ohne Einverständnis des anderen Elternteils nicht mehr umziehen, das Kind kann keine Psychotherapie machen, wenn der andere Elternteil es nicht will, sie kann nicht einmal ein einfaches Girokonto auf Guthabenbasis fürs Kind eröffnen, sie kann nicht alleine entscheiden, welche Schule das Kind besucht, was massive Auswirkungen auf die Berufstätigkeit der Frau haben kann, und muss sich Entscheidungen zum Wohle des Kindes mühevoll und kostenintensiv vor Gericht erstreiten.
Besonders schlimm ist das, wenn sich die Frau aus einer Gewaltbeziehung befreit hat und gemeinsame Kinder da sind. Noch immer steht das Umgangsrecht über dem Gewaltschutz, und noch immer wird die Istanbulkonvention in Familiengerichten ignoriert.
Denken Sie, das ist mein Appell, bei allen Änderungen nicht nur an die große Masse der Wähler, sondern haben Sie auch die vulnerablen Familien im Blick. Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland leider immer noch ein großes Problem, und die betroffenen Kinder, die teilweise jetzt schon aufgrund vermeintlicher Entfremdung, an der die Mutter Schuld habe, von Familienrichtern im Wechselmodell platziert werden, sind darauf angewiesen, dass die Politik sie nicht vergisst.
Kein Vater kann zum Umgang mit seinem Kind gezwungen werden, wenn er keine Lust auf sein Kind hat. Das Kind hingegen wird – notfalls mit Gewalt und von der Polizei – zu seinem Vater gebracht, wenn dieser darauf besteht. Auch wenn es schreckliche Angst davor hat und das nicht möchte. Kinder, darauf können wir uns hoffentlich einigen, sind kein Besitz und Elternrechte dürfen nicht über den Kinderrechten stehen, die übrigens meiner Meinung nach unbedingt ins Grundgesetz gehören.
Mein Fazit: bitte denken Sie bei allem, was Sie in dieser Sache beschließen, auch an die 10-15% der Familien, in denen es nach der Trennung hochstrittig zugeht, und in denen die Frauen häufig jetzt schon vor dem Familiengericht den Kürzeren ziehen. Denken Sie an die Frauen und Kinder, die Gewalt erlebt haben. Und scheren Sie nicht alle Familien über einen Kamm, wir brauchen weiterhin Einzelfallentscheidungen.
Vielen Dank.