Tagebuchbloggen, macht man das überhaupt noch? Tagebuchbloggen war gestern, heute ist Wochenende in Bildern, aber was soll’s, ich hab‘ Lust dazu.
Vormittag: Dilemma „Irgendwas ist immer“
Wie immer (außer Freitags, da kann ich bis 8 schlafen – Luxus!) stehe ich um 6:50 Uhr auf. Ich freue mich, dass es draußen schon relativ hell aussieht. Leider ist es eisig kalt draußen, und genauso grau wie die vergangenen Tage auch schon. Das ist überhaupt nicht mein Wetter, ich wünschte, ich könnte dem Winter in Konstanz entfliehen. Aber jetzt mache ich erstmal das Katzenklo, füttere den Kater, setze Tee auf und bereite warmen Kakao zu. Dann wecke ich die Kinder, genau um 7 Uhr.
Eins der Kinder klagt über Schmerzen in einem Fuß, was wirklich mysteriös ist, denn weder ist irgendwas zu sehen noch hat es sich verletzt. Ich beschließe, dass wir damit nur zum Arzt gehen, falls sich dieser Schmerz bis morgen nicht in Wohlgefallen aufgelöst hat, schreibe eine Mail an den Klassenlehrer, dass sich das Kind verspätet, weil ich es fahren muss, kümmere mich um die anderen Kinder, und sitze erst um 10:30 am Schreibtisch, weil ich das Autofahren zur Schule mit dem sowieso fälligen Lebensmitteleinkauf verbunden habe.
Als ich vom Einkaufen zurückkehre, finde ich im Briefkasten mehrere dicke Briefumschläge mit Gemeinderatspost, das sind alles Unterlagen, die ich in den kommenden Tagen lesen muss. Falls ich mich im Frühjahr 2019, wenn die nächsten Kommunalwahlen in Konstanz stattfinden, nicht zur Wahl stelle, wird mir der ständige Nachschub an Vorlagen, wie die Gemeinderatsunterlagen heißen, nicht fehlen. Aber das gehört halt dazu, wenn man nicht digital lesen will, und ich bin da altmodisch.
Die Blumen, die ich mir vorhin beim Einkaufen gegönnt habe, stelle ich auf den Schrank im Flur. Das geht leider nicht anders, denn unser Kater schmeißt alle Blumenvasen um, an die er rankommt. Aber immerhin sehe ich nun rote Tulpen von meinem Schreibtisch, also dem Wohnzimmertisch, aus. Das ist besser als umgekippte Blumenvasen auf dem Tisch.
Ich beantworte Mails, lese twitter nach, schaue auf Facebook nach dem rechten, gucke, was die Lokalzeitung heute so im Internet schreibt, und lese dann erstmal die neuen Vorlagen. Was erledigt ist, ist erledigt.
Save the Date: Lesung in Konstanz am 10. April, 19 Uhr, Seebuchhandlung
Und da ich gerade am Erledigen bin, kann ich ja auch gleich den Buchhändler zurückrufen, der eine Lesung mit mir in Konstanz veranstalten will. Es ist irgendwie ulkig, ich habe ja an schon so vielen Orten in ganz Deutschland gelesen, aber in Konstanz war ich als Autorin bisher eher kein Thema. Der Buchladen, der mich eingeladen hat, ist klein, aber fein, und über den Besitzer habe ich von Freunden nur Gutes gehört. Also rufe ich an, und wir machen sehr unkompliziert einen Lesungstermin für den 10. April aus, und einigen uns über die Modalitäten.
Sogar meine Idee, für Alleinerziehende einen reduzierten Eintrittstarif anzubieten, findet der Veranstalter gleich vorbehaltslos gut. Das kann eigentlich nur ein schöner Abend werden, ich freu mich jetzt richtig darauf, und überlege, ob ich meine Eltern einlade, die könnten ja aus Freiburg anreisen, falls sie gesundheitlich fit genug sind.
Mittag-Nachmittag: Dilemma Vereinbarkeit Familie und Beruf
Huch, gleich kommt ja die Jüngste (9) schon aus der Schule, ich muss mich um Essen kümmern! Und auch die Große (17) steht um kurz nach 1 Uhr in der Türe, aber sie kocht sich gerne selbst etwas zu Mittag, darüber muss ich nicht nachdenken. Und juhu, da kommt auch der Paketbote mit dem pinken Teppich, den sich Jüngste im Internet ausgesucht hat – wir haben ja die Zimmer umgeräumt, sodass ich jetzt ein Zimmer mit der Jüngsten teile, und ihr Bruder, der bald 12 Jahre alt wird, endlich ein eigenes Zimmer hat. Für mich ist das kein Problem, jedenfalls räumlich nicht. An das viele Rosa um mich herum muss ich mich allerdings noch gewöhnen. Meine Zimmerecke ist mit Blau und Grün gestrichen.
Ich versuche noch etwas zu arbeiten, aber wenn die Kinder da sind, klappt das nicht so recht. Drum hänge ich die Wäsche ab, räume ein bisschen auf, und dann steht auch schon Jüngstes Freundin vor der Türe, die sie heute in die Therme mitnimmt. Ich beneide das Kind, denn ich muss gleich mit dem Fahrrad bei der Eiseskälte ins Rathaus radeln.
Wir haben ab 16 Uhr Gemeinderatssitzung, und vor 21 Uhr bin ich da eigentlich nie draußen. Autofahren wäre aber Quatsch und zu teuer, das ist von den Parkgebühren her völlig indiskutabel. Also ziehe ich meine Skihose über die Strumpfhose und unter den Glockenrock an, mummele mich dick ein, und radele um 15:40 los. Oben, mitten auf der Fahrradbrücke über den Rhein halte ich kurz an, wie so oft, um ein Foto zu machen.
Und vor der Gemeinderatssitzung schaue ich noch schnell im Nebenzimmmer des großen Ratssaals vorbei, wo wie jedes Mal ein kleines Buffet aufgebaut ist, das auch jedes Mal etwas anders aussieht.
Einige Räte, die direkt von der Arbeit hierher kommen, naschen noch ein paar Schnittchen (es gibt auch belegte Brötchen und Kuchen, Obst und herzhaftes Gebäck), andere greifen erst in der ersten Pause zu, die wir gegen 18:30 machen.
Abend: Dilemma Vereinbarkeit von alleinerziehend und Mandat
Die Gemeinderatssitzung dauert lang. Länger als ich bleiben kann, denn gegen 21:10 ruft Jüngste an und klingt sehr weinerlich. Einen Kindersitter möchten die Kinder nicht mehr, aber dass ich abends manchmal so lange weg bin, finden sie auch doof. Dabei passt die Große auch gerne auf – aber sie ist halt nicht die Mama.
Auf der Tagesordnung stehen nun zwar noch etliche Punkte, aber keiner, der besonders heikel ist oder mein Engagement erfordert. Also nehme ich in einer Sitzungspause meine Sachen und schleiche mich aus dem Saal. Wir haben heute sehr lange und intensiv über die Vertragsverlängerung unseres Theaterintendanten debattiert, die dann in geheimer Abstimmung (ich darf das sagen, weil der OB das danach in öffentlicher Sitzung auch sagte) ganz knapp keine Mehrheit fand, was ein kleiner Eklat ist. Wir haben über die schwierige Situation unseres Veranstaltungshauses gesprochen, über die Situation der Flüchtlingsunterbringung, einer verstorbenen Ex-Gemeinderätin gedacht, 2 noch amtierende Gemeinderäte wegen ihrer langjährigen Tätigkeit geehrt, wir haben in der Bürgerfragestunde erbosten Bürgern zugehört, die sich gegen einen überdimensionierten Hotelbau engagieren, es war alles zwischen hoch emotional und extrem langweilig.
Schlechtes Gewissen und gute Gefühle
Ich fühle mich zwar immer ein bisschen schlecht, wenn ich Sitzungen vor den anderen verlasse, aber ich wüsste auch nicht, wie ich das anders regeln sollte. Manchmal fluche ich innerlich ein bisschen und wünsche mir, dass die Männer mit viel Zeit sich kürzer fassen würden, denn es sind ja immer dieselben, die ausschweifend reden und sich auch gerne selbst reden hören. Aber sie stecken halt nicht in meinen Schuhen. Andere Räte fahren wochenlang in den Urlaub, auch zu Sitzungszeiten, und das ist auch okay – ich mache so etwas nicht, und von daher ist es für mein Gewissen vertretbar, wenn nötig, früher zu gehen.
Und so komme ich um halb 10 Zuhause an, höre mir in Ruhe an, was die Kinder heute alles erlebt haben, spreche mit ihnen darüber, was morgen für sie so ansteht, koche einem Kind noch ein Porridge, vielleicht weniger, weil es Hunger hat, sondern mehr, weil es noch Zuwendung braucht, und antworte wahrheitsgemäß auf die Frage, wie denn mein Tag war: „Gut. Es war ein guter Tag.“ Ein Strahlen geht über das Gesicht meines Kindes. Und da weiß ich, dass ich für heute einiges richtig gemacht habe. Jetzt ist es ein richtig guter Tag.
P.S.: Der Schmerz im Fuß war abends weg. Einfach so. Und die anderen haben noch bis kurz nach 22 Uhr im Rat getagt.