Die Überschrift ist „on me“, denn natürlich formuliert eine UN Sonderberichterstatterin ihre offenen Briefe wesentlich diplomatischer als ich es mir erlauben kann, und sie erwähnt die Transaktivisten nicht direkt, aber die Quintessenz des gestern von Reem Alsalem, der UN Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen und Mädchen, publizierten Statements ist genau das – eine Warnung, dass Frauenrechte auf dem Spiel stehen.
Alsalem hatte sich bereits vergangenen November zu Wort gemeldet, als in Schottland das Selbstbestimmungsgesetz beschlossen werden sollte. Damals schrieb sie einen offenen Brief an Nicola Sturgeon, die übrigens unter anderem wegen der innenpolitischen Tumulte, die das dort „Gender Recognition Bill“ genannte Gesetz im Nachgang mit sich brachte, ihren Hut nehmen musste und Mitte Februar als Regierungschefin zurücktrat.
Dies hatte mit in Frauengefängnissen untergebrachten Transfrauen zu tun oder, je nach Sichtweise, mit gewalttätigen Männern, denen auf einmal einfiel, dass sie sich als Frau fühlen. Diese Personen saßen teils wegen Vergewaltigung und schweren Straftaten ein und bedrohten im Gefängnis weiter Frauen. Am Ende schoss sich die Schottische Regierungschefin mit der Unfähigkeit, Reportern auf die Frage „Was ist eine Frau?“ zu antworten, ins Aus.
Frauen, Feministinnen und Aktivistinnen im Visier von Transaktivisten
Inzwischen ist auch Alsalem selbst das Opfer von Kampagnen geworden und hat dazu im April öffentlich Stellung genommen – Aktivisten haben versucht, sie aus dem Amt zu mobben. Zum Glück ohne Erfolg, aber es ist bemerkenswert, mit welcher Energie diese Leute versuchen, kritische Stimmen zu der Selbstbestimmungsgesetzes-Welle, die gerade ganz Europa erfasst, zum Schweigen zu bringen.
Da ich mich, genauso wie andere in Sachen Frauenrechte aktive Frauen, gestern sehr gefreut habe, das Statement von Alsalem zu lesen, habe ich es ins Deutsche übersetzt, damit es einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Alsalem, wie auch mir, liegt der Schutz von traumatisierten Frauen und Kindern besonders am Herzen, und natürlich auch die Meinungsfreiheit von Frauen, ihr Schutz vor Einschüchterung und psychischer, finanzieller und jeglicher Art von Gewalt, und am Ende geht es um nicht weniger als den Erhalt der Demokratie.
Hier also meine Übersetzung: Bei Ungenauigkeiten/Fehlern in der Übersetzung, die euch auffallen, bitte ich um Nachricht, damit ich ggfs. Korrekturen vornehmen kann.
Reem Alsalems Statement:
Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung ist nach internationalen und regionalen Menschenrechtsgesetzen verboten.
Ich bin besorgt über den schwindenden Raum für Zusammenkünfte und freie Meinungsäußerung von Frauen und feministischen Organisationen sowie ihrer Verbündeten in mehreren Ländern des globalen Nordens, die friedlich Respekt für ihre Bedürfnisse einfordern, die auf geschlechtsbasierten Bedürfnissen und/oder auf sexueller Orientierung basieren.
Der Gesetzeshüter spielt eine entscheidende Rolle dabei, legale Versammlungen von Frauen zu schützen und die Sicherheit von Frauen, sowie ihr Recht auf Versammlungsfreiheit und Redefreiheit ohne Einschüchterung, Nötigung oder praktisches Silencing zu gewährleisten. Es ist eindeutig, dass dort, wo der Gesetzesgeber es nicht geschafft hat, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, wir Vorfälle verbaler und körperlicher Gewalt mit ansehen mussten, Bedrohung, und Einschüchterung, mit dem Ziel, solche Veranstaltungen zu sabotieren und zu behindern, und die Frauen, die dort sprechen wollten, zum Schweigen zu bringen.
Ich bin beunruhigt über die häufig praktizierte Taktik von Hetzkampagnen gegen Frauen, Mädchen und ihre Verbündeten, deren Anti-Diskriminierungsfokus sich an sexueller Orientierung und am Körpergeschlecht orientiert. Diese als „Nazis“, „Befürworterinnen eines Genozids“, oder „Extremistinnen“ zu markieren, stellt eine Attacke und einen Einschüchterungsversuch dar, der das Ziel hat, Frauen vom Sprechen abzuhalten und ihre Meinungen zu äußern. Solche Handlungen sind zutiefst besorgniserregend, weil sie beabsichtigen, Angst unter den Frauen zu verbreiten und sie dazu zu nötigen, aus Scham zu schweigen, und weil sie Gewalt und Hass gegen diese Frauen schüren. Solche Handlungen beeinträchtigen die würdevolle Teilhabe von Frauen und Kindern in der Gesellschaft massiv.
Ich bin ebenfalls besorgt über die Art und Weise, wie in einigen Ländern Bestimmungen für die Kriminalisierung von Hate Speech wegen mehrerer Gründe, darunter auch Gender Expression (Ausdruck der Geschlechtsidentität) und Geschlechtsidentität interpretiert wurden. Frauen und Kinder haben das Recht, jedes Thema frei von Einschüchterungsversuchen und Gewaltandrohungen zu diskutieren. Dies beinhaltet Themen, die ihnen wichtig sind, insbesondere wenn diese mit ihrer angeborenen Identität in Verbindung stehen, und aufgrund derer Diskriminierung verboten ist. Eine Meinung zu den auf Geschlecht und Geschlechtsidentität basierenden Rechten innerhalb einer Gesellschaft zu haben, und diese Meinung auszudrücken, sollte nicht als unrechtmäßig dargestellt werden, nicht trivialisiert werden, und nicht abgetan werden.
Laut internationalen Menschenrechten darf jede Einschränkung der Meinungsfreiheit nur in Übereinstimmung mit den Menschenrechtsstandards bezüglich legitimen Zwecks, Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit erfolgen und sie muss ein berechtigtes Ziel anstreben. Diejenigen, die mit den Meinungen der Frauen und Mädchen, die ihre Bedenken bezüglich Geschlechtsidentität nicht teilen, haben auch das Recht, ihre Meinung zu äußern. Allerdings dürfen sie, wenn sie das tun, nicht die Sicherheit und Unversehrtheit derjenigen, gegen die sie protestieren, bedrohen. Wenn man die Fähigkeit von Frauen und Männern, die ihre Bedenken gegen das Ausmaß der auf Geschlechtsidentität basierenden Rechte äußern, durch Hemmnisse einschränkt, ist dies eine Verletzung der Grundrechte auf Gedankenfreiheit und auf freie Meinungsäußerung, und dies führt letztendlich zu ungerechtfertigter oder umfassender Zensur.
Besonders besorgniserregend sind die unterschiedlichen Formen von Vergeltungsmaßnahmen gegen Frauen, darunter Zensur, rechtliche Schikanen, der Verlust des Arbeitsplatzes, der Verlust von Einkommen, das Vertreiben der Frauen von Social Media Plattformen, der Verlust von Sprecherinnen-Auftritten, und die Weigerung, Forschungsergebnisse sowie Artikel zu publizieren. In einigen Fällen werden weibliche Politiker von ihren Parteien bestraft, bis hin zu der Androhung von Entlassung oder tatsächlicher Entlassung.