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Mama hat kein eigenes Zimmer mehr: Wohnraummangel

Irgendwann, befürchte ich, kann ich mir diese Stadt nicht mehr leisten. Trotz sozialen Wohnungsbaus, trotz Mindestunterhalts, trotz der Bemühungen der Stadtspitze, den Mietanstieg zu dämpfen – bisher sind alle Versuche, den Preisanstieg zu stoppen, gescheitert, hier wie auch in anderen gefragten Gegenden. Es herrscht Wohnraummangel.

Uns geht es gut. Relativ gut, denn wenn ich anderen erzähle, wieviel Miete ich für meine Sozialwohnung zahle, dann seufzen Freunde aus Konstanz neidisch – die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel liegt bei 11 €, ich zahle nur 6 € pro Quadratmeter, und ich bin auch froh, dass ich hier wohnen kann, in einem Gebäude der städtischen Wohnbaugesellschaft. Meine Wohnung liegt zentral, sie hat Fußbodenheizung, eine Tiefgarage, einen Balkon, ein sehr ordentliches Bad mit Wanne und Dusche, und sie ist gut geschnitten. Die Nachbarn sind nett, es ist schön hier und in meiner Straße leben so viele Kinder, dass sich immer jemand zum Spielen findet.

Beim Einzug passte die Zimmeraufteilung noch

Vor 6 Jahren sind wir eingezogen, als ich von Obdachlosigkeit bedroht war. Ich war in echter Not, und das hat mich sehr schnell auf der Warteliste ganz nach oben gebracht – alleinerziehend mit 3 kleinen Kindern, frisch arbeitslos und obendrein mit Eigenbedarfskündigung. Damals waren die Jüngste und der Sohn 3 und 6 Jahre alt, und dass sie ein Zimmer in der 4-Zimmer Wohnung teilten, war gar kein Problem. Sie hatten ein Doppelbett, spielten eh viel zusammen, und das passte gut so.

Ich zog in das kleinste Zimmer, die Große bekam ein eigenes Zimmer, und dann haben wir noch ein Wohnzimmer mit offener Wohnküche. 89 Quadratmeter misst unser Reich, ein Keller gehört auch noch dazu. Viele Jahre ging das gut. Aber nun sind die Kinder 9, fast 12 und 17, und seit einem guten Jahr rumpelt es im Karton, wie man so schön sagt.

Es knallte mächtig im Kinderzimmer, wo Jüngste und der Sohn sich gegenseitig auf die Nerven gingen. Sie haben grundsätzlich unterschiedliche Interessen, Charaktere und auch Freunde, und es gab am Ende so viel Zoff bis hin zu Raufereien, dass ich im Dezember kurzerhand beschloss, mein Schlafzimmer zu räumen und es dem Sohn zu überlassen. Es hat zwar keine 10 Quadratmeter, aber eine Tür, und ist das Zimmer, das am weitesten weg vom Kinderzimmer der Jüngsten ist. Ich sah das als friedenssichernde Maßnahme, und hoffte, dass der Plan aufgeht. Ich selbst würde von nun an mein Bett mit ins Zimmer der Jüngsten teilen.

Der Zimmertausch: 10 Wochen Arbeit inklusive Malern und Möbelkauf

Zwischen Neujahr und jetzt, den Osterferien, war ich schwer damit beschäftigt, das Kinderzimmer komplett zu entkernen, also die Kleinkindmöbel zu verschenken, Spielzeug weiterzugeben, den Keller zu entrümpeln, Flohmarktkisten zu packen und Bücher wegzuschmeißen. Ich habe die Wände gemalert, was nach 6 Jahren sowieso eine gute Idee war, neue Möbel für die Kinder bestellt, und vor allem ziemlich viel umgeräumt. (Siehe #Umräumen2018 auf twitter)

Mein ehemaliges Schlafzimmer
Schlafzimmer leer
Und so sieht es in leer aus
rosa Teppich
Rosa Ecke neben Jüngstes Himmelbett. Ich verabscheue übrigens rosa, lila, und Co
Malern
Neue Wandfarbe fürs Sohnzimmer

Nun bin ich pleite und habe Rückenschmerzen. Aber letzteres liegt sicher auch daran, dass ich im Wohnzimmer am Esstisch arbeite, und keinen Bürostuhl und Schreibtisch habe. Ich bin zu alt für sowas. Andererseits haben wir himmlischen Frieden: Alle Kinder sind glücklich, auch die Große, die es echt satt hatte, immer vom Geschrei im neben ihrem Zimmer gelegenen Kinderzimmer gestört zu werden. Es war also eine gute Entscheidung, das so zu machen.

Aber das ändert nichts an der grundlegenden Misere: Wir haben hier zu wenig Platz. Es ist ätzend, im Wohnzimmer zu arbeiten und Ordner sowie Drucker im Keller zu haben. Wenn ich arbeite, stören mich die Kinder, die natürlich Freunde mitbringen, in die Küche gehen oder sich im Wohnzimmer aufhalten. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil die Kinder in ihrem Zuhause nicht das Gefühl haben sollen, zu stören. Es ist auch nicht toll, als Erwachsene kein eigenes Zimmer zu haben. Und Jüngste fragt jetzt schon, ob wir nicht eine Mauer durchs Zimmer bauen können, damit sie mehr Privatsphäre hat.

Flexible Wohnungsschnitte würden gegen Wohnraummangel helfen

Dass die Große (17), die nun Abi macht, irgendwann auszieht, ist zu erwarten. Aber in Konstanz wird sie keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Und sie kann natürlich bei uns bleiben, so lange sie möchte. Wenn sie aber auszieht, wird quasi sofort ihr Kinderzimmer in Beschlag genommen und aufgelöst – auch kein schöner, heimeliger Gedanke. Ich fand’s jedenfalls sehr beruhigend, dass mein Kinderzimmer noch eine Weile da war, nachdem ich mit 20 das Elternhaus verlassen hatte, um zu studieren. Das hätte ich meiner Tochter auch gewünscht. Aber damit kann ich leider nicht dienen. Sie wird hier jederzeit einen Schlafplatz finden, aber keinen Raum mehr haben.

Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum für Familien und Alleinerziehende. Deswegen wünsche ich mir dringend vom Bund geförderten sozialen Wohnungsbau mit speziell auf Alleinerziehenden-WGs zugeschnittenen Grundrissen. Oder Wohnungsbau mit flexiblen Grundrissen – mein Nachbar im EG wohnt alleine in einer 3-Zimmer Wohnung, könnte ich ihm ein Zimmer vorübergehend entleihen, wäre uns auch schon geholfen.

Selbst wenn es eine Wohnung gäbe – Umziehen sprengt das Budget

Einen Umzug kann ich mir nicht leisten, selbst wenn ich einen Umzugsantrag bei der Wohnbaugesellschaft stellen würde, und irgendwo eine 5-Zimmer Wohnung frei wäre. Die wäre, neben den Umzugskosten, die mitsamt Renovierung und Kaution bei mindestens 7.000 € liegen, ja auch noch teurer als meine jetzige Wohnung. Und genauso wie hier würde ich alle 3 Jahre eine saftige Mieterhöhung von fast 10% erwarten müssen, weil der örtliche Mietspiegel und die Rechtslage das gestatten. In den Mietspiegel fließen nur die Preise der neu vermieteten Wohnungen ein, weshalb ich das für ein Teufelsinstrument halte, das Preise treibt und Familien aus den Städten drängt. Ich würde auch aus dem Viertel wegmüssen, und das möchte ich den Kindern nicht zumuten, deren Freunde hier in der Straße wohnen. Nein, umziehen geht nicht.

Und so schlafe ich jetzt mit Jüngster in einem Zimmer, sitze weiterhin am Esszimmertisch zum Arbeiten, und ich sehe, dass ich mich sogar noch glücklich schätzen muss bzw. darf mit „nur“ 856 € Warmmiete (ohne Stromkosten). Denn Vielen geht es noch viel schlechter. Ich weiß von Müttern, die auf dem Sofa schlafen, von Familien mit 5 Kindern in 4 Räumen, und vor allem, dass in meiner Stadt auch Mietpreise von 15 € pro Quadratmeter kalt völlig normal sind, in gehobener Wohnlage auch deutlich mehr – bei gleicher Ausstattung wie meine Wohnung sie hat. Das ist doch irre, wer soll das bezahlen können!?

P.S.: Ich weiß, dass es Wohngeld gibt. Wir haben es etliche Monate bezogen, und ich würde es auch wieder beantragen, wenn das nötig wird. Allerdings ist Wohngeld gedeckelt, und wenn die Große 18 ist, fällt sie da raus. Es kann also durchaus finanziell wieder sehr eng werden. Ich. Möchte. Das. Nicht.