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Zeitaufwand für die Kommunalpolitik – was ist machbar, was muss sein?

Kommunalpolitik findet größtenteils abends statt. Das ist praktisch für Männer, die das als Hobby neben dem Beruf machen – aber für Eltern gar nicht so einfach. Gerade, wenn sie alleinerziehend sind. Ein paar Gedanken über politische Teilhabe.

Er habe es sich gut überlegt, ob er Politik machen wolle, und deswegen jammere er auch wegen des Zeitaufwands nicht herum, schrieb ein älterer Stadtratskollege kürzlich unter einem FB-Post, den eine Stadtratskollegin von mir geteilt hatte – es war darin um Kinderbetreuung und die Kostenübernahmen dafür durch die Kommune gegangen. Und überhaupt finde er, das müsse eigentlich Privatsache sein, die ehrenamtliche Aufwandsentschädigung decke doch genügend ab.

Aktive Teilhabe an der Politik nur für die Geld- und Zeitelite?

Diese unglaublich privilegierte Sichtweise ist leider gar nicht so selten. Viele Menschen verstehen nicht, dass Kinder neben Geld auch sehr viel Zeit kosten dass es auch Geld kostet, sie betreuen zu lassen, und dass ferner in dem Moment, wo man Politik als Ehrenamt macht, und sei es auch mit Aufwandsentschädigung, keine Erwerbsarbeit möglich ist. Ich versuchte das zu erklären, aber ich glaube, ich bin nicht durchgedrungen, weil die Weltsicht dieses (konservativen) Kommunalpolitikers mit meiner Lebenswelt praktisch keine Berührungspunkte hat.

Dass man Geld haben muss, oder zumindest nicht arm sein sollte, um sich in der Politik einbringen zu können, sollte eigentlich nicht so sein, ist aber am Ende doch eine Tatsache, die viele davon abhält, politisch aktiv zu werden. Denn Geldarmut und Zeitarmut gehen oft miteinander einher, und gerade Alleinerziehende verfügen rein statistisch gesehen von allen Familien am wenigsten über diese beiden Ressourcen.

Dass ich das trotzdem seit über 5 Jahren jetzt mache, und sogar im Mai als Stadträtin wiedergewählt worden bin, obwohl ich praktisch keinen Wahlkampf bis auf ein paar Straßenstände gemacht habe (keine publikumswirksamen Podiumsdiskussionen, keine Auftritte in der Lokalpresse, kein Haustürwahlkampf), ist ein Stück weit meiner Sturheit zu verdanken, die sich aus dem Wunsch speist, unsere Demokratie zu erhalten. Und mich für Gruppen einzusetzen, die sonst nicht gehört werden.

Ohne die Unterstützung durch meine Fraktion ginge das nicht, denn ich kann samstagabends nicht zur Jahreshauptversammlung der Feuerwehr, die sich über viele Stunden zieht, ich kann nicht mit auf Reisen zu den Partnerstädten im Ausland, und ich kann ziemlich viele Termine nicht wahrnehmen, auf denen zwar nicht meine Anwesenheit, aber die einer der vier StadträtInnen erforderlich ist. Das viele Lesen der Vorlagen hingegen ist kein Problem, dafür findet sich immer eine Zeitlücke, und das kann ich ja auch mit Unterbrechungen machen.

Zusätzliche Hürden als Mutter eines Kindes mit Behinderung

Auch zur Klausurtagung des Gemeinderats, die alle zwei Jahre etwas außerhalb von Konstanz stattfindet (jeweils etwa 2 Stunden Anfahrt), kann ich dieses Mal nicht mitkommen, weil ich niemanden habe, der die Verhinderungspflege für meine autistische Jüngste übernimmt – das ist schließlich über Nacht, und am Abend davor wäre ebenfalls Gemeinderatssitzung bis in die Puppen, plus zwei weitere Abendtermine für den Stadtrat in dieser Woche. Und selbst wenn ich jemanden hätte, der von meiner Tochter akzeptiert wird als Betreuung, dann wäre es für diese Woche arg viel an abendlichen Fehlzeiten.

Das ist ein Dilemma, denn Kommunapolitik findet größtenteils am Abend statt, und gerade so etwas wie Klausurtagungen sind eigentlich eine feine und sinnvolle Sache. Drum ist es gut, dass sie alle zwei Jahre auch hier vor Ort abgehalten wird, was für mich als pflegende Angehörige die ganze Logistik viel einfacher macht. Da kann ich dann rasch nach Hause fahren, falls irgendwas ist. Und natürlich könnte ich Kinderbetreuung des Gemeinderats für die Betreuung während der Klausur – jedenfalls tagsüber – in Anspruch nehmen. Aber auch diese müsste von meiner Tochter akzeptiert werden, was speziell bei Autisten eine ziemlich große Hürde ist.

Es gibt nämlich seit dem Auszug meiner ältesten Tochter (19) vor 2 Monaten genau zwei Menschen, die sie in unserer Wohnung als Gesellschaft erträgt, und das sind meine erwachsene Nichte und ein guter Freund der Großen. Wenn die keine Zeit haben, dann kann ich nicht weg. Jedenfalls nicht so weit, wie das für eine Klausurtagung nötig wäre.

Und wer hält mir den Rücken frei!? (Rhetorische Frage.)

Der Jahresabend der Feuerwehr in der Turnhalle des Vororts (und ähnliche Veranstaltungen) wäre dagegen ein Kinderspiel, allerdings zählt der nicht als Sitzung, und ist somit nicht erstattungsfähig, was völlig in Ordnung ist, aber bedeutet, dass meine Fraktionskollegen für mich einspringen müssen.

All dies sind Dinge, die der unbedarfte Beobachter oder der Stadtratskollege mit Frau, die ihm den Rücken freihält, nicht sehen. Das kann und will ich ihnen auch nicht übelnehmen – so ist der Mensch halt. Bevor ich nicht selbst ein schwerbehindertes Kind hatte, habe ich auch wenig über die Schwierigkeiten von Eltern nachgedacht, die pflegende Angehörige sind. Für mich ist es in der Summe aber ein Anreiz, mich vor Ort weiter im Stadtrat einzubringen. Solche Menschen wie ich haben dort eigentlich keinen Platz, und genau deswegen ist es wichtig, dass wir dabei sind. Nur halt nicht immer und überall. Weil es sonst schlichtweg nicht geht. Teilhabe bedeutet, im Rahmen seiner Möglichkeiten teilzunehmen, sage ich mir. Und versuche, mich nicht über das zu grämen, was halt nicht geht. Sondern mich zu freuen über alles, was klappt.