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Das Schottlandwunder. Crowdfunding via twitter

„Wenn wortgewaltige Menschen sprachlos sind“, schrieb meine Freundin Silke Plagge auf Facebook, nachdem gestern innerhalb von 2 Stunden 56 fremde Menschen Geld für die komplette Klassenfahrt meiner Tochter gesammelt hatten.

Und nicht nur das, sie hatten sogar noch Taschengeld draufgelegt: Über 700 € kamen so in kürzester Zeit zusammen. Die Zuschreibung „wortgewaltig“ ist aus dem Mund dieser Kollegin ein dickes Kompliment. Ich sehe mich ja eher als „meist nicht auf den Mund gefallen“ und bestenfalls „schlagfertig“. Dass ich sprachlos war, das stimmte allerdings. Denn gestern hat twitter gezeigt, was für tolle Leute mir folgen, denen wiederum tolle Menschen folgen, die ich noch weniger kenne. Sie wollten helfen.

Dass wir wenig Geld haben, ist kein Geheimnis. Und so beunruhigte mich nach der anfänglichen Freude, dass meine älteste Tochter für den Schüleraustausch nach Glasgow angenommen wurde – und zwar als eines von zwei Kindern je Klasse, die nach Begabung und sozialer Kompatibilität ausgewählt wurden – die Frage, woher ich denn die 500 € nehmen soll, die diese Reise kostet. Ich teilte, wie ich das oft tue, diesen Gedanken auf twitter mit. Und durch den Austausch mit meinen Leuten dort kam ich auf die Idee, mal beim Förderverein der Schule nachzufragen, ob eine Bezuschussung möglich ist. Gesagt, getan. Das war vorgestern, am Mittwoch.

Donnerstag Vormittag gegen 11 Uhr dann, nach einem für mich sehr anstrengenden Termin beim Familiengericht in Sachen Umgangsanhörung, den ich mit einem ziemlich guten Gefühl verließ, schaute ich bei twitter wieder rein und sah, dass Nadine Hilmar alias @Buntraum eine Aktion für mich gestartet hatte.

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Ich klickte mich weiter uns las, dass sie etwas für mich tun wollte, weil ich vor einigen Monaten ihr im Selbstverlag erschienenes Kinderbuch „Eine Reise in einer Seifenblase“ korrekturgelesen habe, ohne Geld dafür zu wollen (das war übrigens ein Vergnügen, es ist ein wunderbares Buch!).

Wir kennen uns nicht, nur vom Bloggen und gegegenseitigen Lesen, das muss man Leuten, denen diese Social Media Szene nicht so vertraut ist, an dieser Stelle extra dazu sagen. Eine im Prinzip wildfremde Frau sammelte also Geld auf für meine Tochter. Wow. Ob das funktionieren würde? Ich war gerührt, gespannt, überwältigt und aufgeregt.

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Auf twitter sah ich ziemlich viele Retweets, also Weiterverbreitungen von Nadines Spendenaufruf. Und etliche Kommentare, auch skeptische, ob es diese Frau Mama arbeitet wohl wirklich gebe, und das Geld auch ankomme. Verständlich.

Das hielt aber die Netzgemeinde nicht davon ab, wie wild in kürzester Zeit auf betterplace.org, wo Nadine den Aufruf eingestellt hatte, zu spenden. Ich konnte gar nicht so schnell nachgucken, wie die Summe stetig anwuchs, und um kurz vor 13 Uhr war das Geld beisammen. 500 € für die Reise nach Schottland. Und obendrein noch ein Paar Gummistiefel und 200 € Taschengeld. Einige Leute waren enttäuscht, dass alles so schnell ging, sie hätten gerne noch gespendet, man stelle sich das mal vor!

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Ich war sehr, sehr platt. Und konnte es kaum abwarten, das meiner großen Tochter zu erzählen, die ich für 13:30 zum Mittagessen erwartete. Wie das dann so ist, wenn man wartet, kommt das Kind etwas später. Ich saß hier wirklich auf Kohlen.

Und dann kam sie. Ein bisschen traurig, weil ein Referat nicht so gelaufen war wie geplant (es gab ein Problem mit dem UMTS-Stick), und etwas durch den Wind. Deswegen machte es mich sehr glücklich, ihr Gesicht zu sehen, als ich erklärte, was passiert war. „Oh Gott, wie schön!“ sagte mein auch eher wortgewaltiges Kind und umarmte mich. Und sah aus, als wäre Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen.

Für mich war das ein ganz toller Moment, denn manchmal fühle ich mich als Mutter so ungenügend, weil andere Kinder viel mehr haben als meine. Ich leiste nichts für die Kinder sichtbares, außer wenn wir Belegexemplare für Kinderbücher oder Magazine bekommen, und ich arbeite „nur“ im Home Office. Das Internet an und für sich ist recht ungreifbar, selbst für meine 13-Jährige, die auf Facebook ist und einen eigenen twitter-Account hat. Dass also dieses Internet mit Leuten, die helfen wollen, tatsächlich und praktisch etwas für uns tun kann, und zwar weil ich mich dort bewege, war sowas wie ein Aha-Erlebnis für sie, denke ich. Denn jedes Kind will stolz auf seine Mutter sein, oder?

Das war eine eindrucksvolle Vorführung der Macht von Social Media. Bis auf Facebook hatte es die Aktion gar nicht geschafft, so schnell ging alles. Ist das nicht unglaublich? Am Ende, so postete Nadine heute früh auf ihrem twitter Account, sah es so aus auf dem Spendenkonto:

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Ich danke dir, Nadine. Hast du toll gemacht! Und gut auch, dass du mich nicht gefragt hast, ob ich einverstanden bin. Vielleicht hätte ich doch gesagt, lieber nicht, lass mal, wird schon irgendwie gehen. :) Du bist ein Schatz.

P.S.: Der Förderverein, dem ich mailte, dass ich nun ganz überraschend doch keine Hilfe brauchen würde, zeigte sich beeindruckt. „Das ist ja eine tolle Sache! Herzlichen Glückwunsch zu solchen Freunden!“ Ja, das finde ich auch. Dankeschön! Ihr seid toll!

Linktipp: Blogpost von Buntraum alias Nadine Hilmar zu dieser Aktion.