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Twitterer im Interview: Herr van Bohm

Was er richtig gut kann, ist diese „Bohm“-Grimasse ziehen. Ein echter Kinderschreck, und für mich auch ein „Enfant Terrible“ auf twitter: rotzfrech, unbekümmert, provokant. Und maßlos.

Van Bohm twittert ohne Rücksicht auf Verluste, das können auch mal 30-50 sinnbefreite bis, wie er selbst schreibt, „irre“ Tweets sein. Seine über 9000 Follower nehmen es hin.

bohm wienerDas ist aber nur ein Gesicht des Herrn van Bohm. Wer ein bisschen tiefer einsteigt und ihn recherchiert, findet einen jungen Mann, der Lyrik schreibt, Kunst liebt und mit Musik zu tun hat.

Auf seinem google+ Profil, das schon länger verwaist ist, ist als Arbeitsstätte „Rheingold Bar Berlin“ angegeben. Er könnte Barmann sein, denn in Wien, wo er nun wohnt, hat er sich vor kurzem in einer Bar beworben und dort probearbeiten dürfen.

Vielleicht ist er aber eher Musiker oder studiert Musik, und arbeitet zur Aufbesserung seiner Kasse und zur Unterhaltung in Bars.

bohm-google-plusDie Rheingold Bar bietet Barkeeperkurse an – wohlmöglich hat er auch nie dort gearbeitet und den belegten Kursus als irreführenden Arbeitsort in sein Profil aufgenommen. Zuzutrauen wäre es ihm.

Warum verlässt man Berlin, um nach Wien zu gehen? Der Liebe wegen oder für einen Job. Was die Liebe betrifft, so verorte ich Herrn van Bohm nicht bei den Heteros – und das war schon so, bevor ich die Regenbogenfarben auf dem google+ gesehen habe. Neben Männern mag van Bohm Katzen und er kennt Leute mit Kindern, das zeigt die Kinderzahnpasta auf dem Selfie. Ich dichte ihm mal eine Schwester an, eine ältere, die Familie hat.

bohm spiegelbild

Irgendwo glaube ich gelesen zu haben, er sei erst 28 – zu den Bildern, die ich gefunden habe, passt das. Älter als 30 ist er nicht, denke ich. Van Bohm ändert ständig seinen Twitternamen, teils als Nonsens, teils als Referenz an andere Twitterer, mit deren Namen er spielt. Auch der Ava bleibt nicht gleich, sondern rotiert.

Van Bohm präsentiert sich als „Anti-Schwiegersohn.“ Er ist sehr wandelbar: Von wilden Locken, Bart, flach zurückgegeelten Haaren in Dandymanier bis hin zu völlig unscheinbarem Aussehen mit glattem Gesicht ist alles drin. Auf einem seiner beiden Blogs, die beide seit Monaten nicht mehr aktualisiert wurden, kann man seine Stimme hören, denn er hat einen lyrischen Text des „Mann vom Balkon“ dort als Audiodatei hinterlegt. Deswegen weiß ich, dass van Bohm hochdeutsch spricht bzw. sprechen kann. Seine Stimmt klingt warm und ruhig.

bohm normalDas „About“ des Blogs behauptet, er sei „Autor. Art-Dealer. Fast-gar-nicht Musiker“, und das passt gut in mein Bild. Wobei ich die Reihenfolge andersherum gewichtet hätte.

bohm konzertflugel

Auf van Bohms Twitterprofil bezeichnet er den Twitterer „Mann vom Balkon“ als seinen Sekretär. Dieser hat diese Zuschreibung angenommen und in sein Profil aufgenommen. Als ich den Mann vom Balkon für diese Interviewserie befragte, wollte ich wissen, wie es dazu kam und erfuhr, dass die beiden Freunde sind.

Am ehesten hatte ich das Gefühl, mir den Mann vorstellen zu können, als ich die Fotos auf twitter genau durchsah. Deswegen gibt’s in diesem Interview weniger Tweets, aber mehr Bilder.

Herr van Bohm, erkennen Sie sich in meiner Beschreibung wieder?

So hier und da. Tatsächlich bin ich ausgebildeter Barkeeper, gelernt habe ich im Reingold, das sich ohne h schreibt – eine Anspielung auf den Reingold-Express, der in den ehrwürdigen Hallen gefertigt wurde.

Ich twittere tatsächlich ohne Rücksicht auf Verluste. Twitter, da kommt alles hin, was nicht mehr in den Kopf passt. Ich sehe mich nicht in der Pflicht, immer was Lustiges zu schreiben oder Lyrisches oder Kluges. Mich nervt auch dieser Zirkus um Zahlen, seien es Favs oder Follower. Ich halte nicht viel davon, wenn die Menge applaudiert. Das war bis jetzt nie gut.

Witzig finde ich die Vermutung, ich wäre „nicht bei den Heteros“ zu verorten. Daran ist sicher @nouveaubeton schuld, der Hater! Tatsächlich bin ich mit meiner Freundin (@bittersuesss) nach Wien gezogen. Nichtsdestotrotz halte ich nicht viel von Schubladen. Es handelt sich auf dem google+-Profil auch nicht um eine Regenbogenfahne, sondern Papier, das zufällig angeordnet ist – was aber völlig uninteressant ist, weshalb ich es unbedingt erwähnt wissen will.

Was völlig fehlt: Ich bin ein hochpolitischer Mensch. Was mir schon die eine oder andere spannende Diskussion – ebenso wie blöde Pöbeleien, ungerechtfertigte Angriffe und Aggressionen – eingebracht hat. Online wie im wahren Leben.

Warum aber Wien? Nach 10 Jahren Berlin wurde es mir dort langweilig. Meine Freundin kommt aus der Steiermark, wir haben Freunde in Wien – also beschlossen wir, nach Wien zu ziehen. Wo es die herrlichen Kaffee-Häuser gibt, in denen man, im Zigarettendunst, stundenlang politisch diskutieren kann – und das Ganze in diesem 20iger Jahre Flair, den ich so liebe.

Spielen Sie ein Musikinstrument, und wenn ja, wie gut?

Ich spiele mehrere Instrumente. Wie gut, das sollen die anderen bewerten. Neben Klavier und Gitarre ein wenig Flöte und Cello. Auf ein Xylophon könnte ich auch klopfen. Bei Trommeln wird es schwieriger. Perfekt spiele ich Grammophon.

Das Rotweinglas auf Noten erinnert übrigens an einen wunderbaren Abend mit @TomvanOrten, zu dessen Klaviermusik ich Kreisler sang.

bohm musik rotwein

Ist Wien ein vorübergehender Aufenthaltsort oder neue Wahlheimat?

Wahlheimat! Auch wenn man sich an den Wiener gewöhnen muss. Aber das wussten ja schon andere.

Man findet in Wien viel mehr Reibepunkte. Denn die Leute sind doch eher konservativ. Was in Berlin oder Hamburg noch lange nicht Randale ist, wird hier zu „Wie im Krieg“ hochstilisiert, was wir an der Debatte rund um den WKR – Bzw. Akademiker – Ball sehen. (Der Akademikerball ist ein von der FPÖ veranstalteter Ball, der als Netzwerktreffen der Rechter und Rechtsextremer aus ganz Europa gilt.) Ich nahm an dieser Demo teil, natürlich in Frack und mit Zylinder, wie sich das gehört, für einen, wie die Krone vielleicht schreiben würde, „anachronistischen Anarcho“. Es macht Spaß – und kann gleichzeitig erschreckend – den Leuten hier zuzuhören, die Politik gestalten.

Was ist Ihr Lieblingsdrink?

Champagner. Eisgekühlt. Oder einen guten Continental Sour:

6cl Bourbon, 3cl Zitronensäure, 2cl Zuckersirup, Eiweiß, Portwein.

Schönes Bild da unten: Ich stehe vor einem Gin and Tonic Guide in der typischen 20iger-Jahre Kleidung. Dabei hasse ich Gin and Tonic.

bohm barkeeper

Was glauben Sie, trinke ich in einer Bar? Sehen Sie, was Leute bestellen werden?

bohm bar wienTatsächlich habe ich ein Gespür dafür. Natürlich haut das nicht immer hin. Aber sehr, sehr oft.

Sie wirken wie jemand, der gerne beobachtet, Sie schreiben – ich würde also einen Rotwein anbieten. Soll es unbedingt etwas Gemixtes sein, dann muss es hier auch ein Drink sein, für den man sich Zeit nimmt, der nicht zur Hauptsache, sondern zur Begleitung wird. Vielleicht einen Old Fashion auf Rumbasis.

Wie halten Sie es mit dem Siezen und Duzen?

Ach, da bin ich regelfrei. Mal so, mal so. Ein Beispiel: Ich bin sehr gut mit dem @MannvomBalkon befreundet. Schriftsprachlich siezen wir uns, wenn wir uns sehen, duzen wir uns. Außer, wir würden uns sehen und währenddessen schreiben. Aber das wäre ja doof.

In jedem Fall denke ich hier, wie in so vielen Dingen: Es gibt zu viele Regeln.

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